Skabies: Typisch – Nächtlicher Juckreiz

10.05.2020 | Medizin

Nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen europäischen Ländern steigt die Zahl der Krätze-Fälle. Typisch für Skabies ist der generalisierte nächtliche Juckreiz, der bei Wärme zunimmt. Da die Krätzmilbe auch kurze Zeit ohne menschlichen Wirt überleben kann, ist eine Übertragung über Textilien prinzipiell möglich.
Sophie Fessel

Aufgrund der fehlenden Meldepflicht gibt es zwar keine zuverlässigen epidemiologischen Daten zur Skabies, aber die Daten einzelner Institutionen weisen auf einen österreichweiten Anstieg der Fälle hin. Während etwa an der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Wien im Jahr 2016 insgesamt 192 Personen wegen Befall mit der Krätzmilbe Sarcoptes scabiei var. hominis behandelt wurden – diese Zählung umfasst Erstdiagnosen, Kontroll- und Folgebesuche – waren es im Jahr 2018 bereits 1.259 Personen und im Jahr 2019 sogar 2.421.

Österreich ist nicht das einzige Land in Europa, das von einem Anstieg der Skabies-Fälle betroffen ist, erklärt Univ. Prof. Franz Trautinger von der Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten am Universitätsklinikum St. Pölten. „Der Anstieg ist nicht wegzudiskutieren und wird auch in anderen europäischen Ländern beobachtet. Allerdings besteht auch dort keine Meldepflicht und damit eine unklare Datenlage.“ Woran der Anstieg liegt, ist nicht konkret festzumachen, berichtet Trautinger. „Wir hatten auch zuvor kleinere Ausbrüche wie zum Beispiel in Kasernen oder Altersheimen. Bisher konnte man diese Ausbrüche aber auf kleine Herde beschränken. Weshalb das hier nicht gelungen ist und wir nun davon ausgehen müssen, dass eine Skabies-Epidemie stattfindet, ist nicht klar.

Keine mangelnde Hygiene

Skabies habe nichts mit mangelnder Hygiene zu tun, betont Assoc. Prof. Alessandra Handisurya von der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Wien. „Wir haben Patienten aus allen Altersgruppen und den unterschiedlichen sozioökonomischen Bevölkerungsgruppen. Skabies kann jeden treffen. Es reicht, Kontakt zu einer Person zu haben, die Skabies hat. Wer Skabies bekommt, ist nicht weniger sauber als andere.“ Die Übertragung erfolgt meist durch engen körperlichen Kontakt. „Händeschütteln ist kein Risiko, auch in den Supermarkt gehen muss okay sein“, erklärt Handisurya. „Man braucht allerdings nur eine einzige begattete weibliche Milbe zu erwischen, die sich dann in der Haut vermehrt.“ Da die Krätzmilbe auch kurze Zeit ohne menschlichen Wirt überleben kann, ist eine Übertragung über Textilien prinzipiell m.glich. Bei der Erst-Infestation treten Symptome nach zwei bis fünf Wochen auf, bei einer Re-Infestation nach ein bis vier Tagen. Typisches Symptom der Skabies ist ein generalisierter, meist nächtlicher Juckreiz, der bei Wärme zunimmt.

Dazu kommt es zu Kratzartefakten und Ekzemen, die typischerweise nicht an den Prädilektionsstellen auftreten, an denen man die Milben auffindet. Bei Erwachsenen ist das zwischen den Fingern, am Handgelenk, in der Achselhöhle, rund um die Brustwarzen, am Nabel, an den Genitalien sowie an der Fu.rand-Innenseite. Bei Babys sind auch der Kopf, die Handfläche und der Fu. betroffen, „was die Behandlung erschwert“, erklärt Handisurya.Reaktion des ImmunsystemsVerursacht wird der typische Juckreiz vermutlich durch eine Reaktion des Immunsystems auf die Krätzmilbe und deren Ausscheidungen. Die Milben dringen bis ins Stratum corneum ein und legen ihre Eier in den typischen Milbengängen in der Haut ab. Typisch für Skabies sind daher auch feine weißliche Linien in der oberen Hautschicht, die allerdings meist „nur für das geübte Auge zu erkennen sind“, so Trautinger. Klassischerweise wird bei der Diagnose Skabies der Milbennachweis geführt. „Das ist in der Epidemie-Situation derzeit nicht notwendig“, erklärt Trautinger. „Klassischerweise sollte man eine Milbe nachweisen, um Skabies zu diagnostizieren.

Um die Indikation für eine Behandlung zu stellen, reicht es, dass der Betroffene einen zeitlich begrenzten, generalisierten Juckreiz hat, der nicht durch eine andere Erkrankung erklärbar ist, und dass Kontaktpersonen ebenfalls symptomatisch sind.“ Topische Anti-Skabiosa sind Permethrin, Benzylbenzoat und Crotamiton; für die systemische Behandlung kann Ivermec-tin angewendet werden. Aktuelle Therapieempfehlung der österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) und der österreichischen Gesellschaft für Sexually Transmitted Diseases und dermatologische Mikrobiologie (ÖGSTD) ist eine Kombinationstherapie. Permethrin sollte am ganzen Körper aufgetragen werden; am gleichen Tag wird auch Ivermectin eingenommen. Eine Woche sp.ter wird die Behandlung mit Permethrin und Ivermectin wiederholt. „Sowohl Permethrin als auch Ivermectin haben Nachteile. Die Fehlerquote beim Auftragen von Permethrin ist hoch, denn die Creme ist nach dem Auftragen nicht sichtbar und eine lückenlose Anwendung schwer“, berichtet Handisurya. „Ivermectin dagegen tötet Eier und Larven nicht ab.

Da beide Therapien Vor- und Nachteile haben, sollte Skabies mit einer Kombinationstherapie in den Griff zu bekommen sein“, so die Expertin weiter. Dabei „ist es unerlässlich“, nicht nur die betroffene Person, sondern auch alle Kontaktpersonen zu behandeln. „Das sind alle, die in der gleichen Wohnung leben, sowie alle, die engeren Kontakt haben. Wichtig ist, dass die Therapie zum gleichen Zeitpunkt stattfindet, sonst kommt die Krätze vom Unbehandelten wieder zum Behandelten zurück“, warnt Handisurya. Begleitende Hygienemaßnahmen sind wichtig, um die Milben dauerhaft aus der Wohnumgebung zu entfernen. Die Ma.nahmen sind zeitintensiv, es g.be aber einfache Empfehlungen, sagt Trautinger. „Wenn ich an Tag 0 und Tag 7 behandle, sollte ich an Tag 1 und Tag 8 frische Leib- und Bettwäsche verwenden.“ Waschbare Textilien sollten möglichst heiß gewaschen werden, nicht Waschbares in einen Plastiksack verpackt bei Zimmertemperatur für mehr als 72 Stunden gelagert werden.Resistenz gegen SubstanzenImmer wieder wird darüber diskutiert, ob die Milben eine Resistenz gegen die zur Verfügung stehen Substanzen entwickelt haben. Handisurya dazu: „Die Überlebenszeit gegen Permethrin hat zugenommen. In den 1990er Jahren waren Milben innerhalb von einer Stunde nach dem Auftragen von Permethrin tot, in den 2000er Jahren erst nach drei bis sechs Stunden. Deshalb empfehlen wir eine Einwirkzeit von Permethrin von zwölf Stunden, nicht wie laut Fachinformation nur acht Stunden. Gegen Ivermectin gibt es bei manchen Milbenstämmen Resistenzen. Bei dem in Österreich vorherrschenden Milbenstamm sollte das nicht der Fall sein.“

 

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2020