Pulmonale Hypertension: Häufig Begleiterkrankung

25.09.2020 | Medizin


Eine pulmonale Hypertension kann auch als Begleiterkrankung von verschiedenen anderen Erkrankungen wie zum Beispiel Herzinsuffizienz oder chronischen Atemwegserkrankungen auftreten.
Laura Scherber

Vor allem bei Belastung auftretende Atemnnot, Müdigkeit, körperliche Schwäche, Angina pectoris, trockener Husten und Synkopen – diese unspezifischen Symptome können mit Lungenhochdruck assoziiert sein; oft bestehen lange Zeit gar keine Symptome. Die pulmonale Hypertension entsteht durch Gefäßverschlüsse im Bereich der Lungenzirkulation und geht mit einem Anstieg des mittleren pulmonal arteriellen Drucks (PAPm) auf ≥ 20 mmHg in Ruhe einher. „Die häufigste Störung ist eine Störung am linken Ventrikel mit erhöhten Füllungsdrucken des linken Ventrikels im Rahmen einer Herzinsuffizienz“, erklärt Univ. Prof. Horst Olschewski von der Universitätsklinik für Innere Medizin der Medizinischen Universität Graz. Die Folge ist ein Druckanstieg in den Lungenkapillaren, pulmonalen Arterien sowie die Konstriktion der prä- und postkapillären Gefäße. Gemäß der ESC-Leitlinie 2015 wird diese Form der Gruppe 2 zugeordnet. „Die einzige Therapie besteht darin, die Herzinsuffizienz möglichst gut zu behandeln, sodass der Kapillardruck gesenkt wird. Alle anderen Therapieoptionen werden zurzeit nicht empfohlen“, fasst der Experte zusammen. Univ. Prof. Irene Lang von der Universitätsklinik für Innere Medizin II der Medizinischen Universität Wien fügt hinzu: „Die Linksherzerkrankung kommt in jedem Alter vor, überwiegend aber bei Älteren“. Davon betroffen sind häufig Frauen, die an Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern, erhöhten Blutzuckerwerten, Übergewicht, Bluthochdruck und eventuell auch Schlafapnoe leiden.

Die zweithäufigste Form der pulmonalen Hypertension tritt infolge von Lungenerkrankungen oder Hypoxie auf (Gruppe 3): bei den obstruktiven Lungenerkrankungen – besonders bei COPD, bei restriktiven Lungenerkrankungen, der Lungenfibrose, aber auch bei chronischen Hypoventilationssyndromen wie der Kyphoskoliose oder schweren neuromuskulären Erkrankungen mit Hypoventilation. „Wenn Patienten wegen einer Lungenkrankheit nicht ausreichend ventilieren können oder wenn sie in großer Höhe wohnen, dann kommt es zur alveolären Hypoxie. Diese Hypoxie löst den gravierenden Euler-Liljestrand-Mechanismus innerhalb der Lunge aus, der in einer hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion und Lungenhochdruck resultiert“, erklärt Olschewski. Auch für diese Form der pulmonalen Hypertension ist keine Therapie zugelassen.

 


Pulmonale Hypertension: Aktualisierte klinische Klassifikation*

1 Pulmonalarterielle Hypertonie (PAH)

1.1. Idiopathische PAH
1.2. Hereditäre PAH
1.3. Medikamenten- oder Toxin-induzierte PAH
1.4. PAH assoziiert mit:

1.4.1 Bindegewebserkrankungen
1.4.2 HIV-Infektion
1.4.3 Pfortaderhochdruck
1.4.4 Angeborenen Herzfehlern
1.4.5 Schistosomiasis

1.5. PAH mit gutem Langzeit-Ansprechen auf Kalziumantagonisten
1.6. PAH mit offensichtlichen Hinweisen auf eine pulmonalvenöse/kapilläre Beteiligung (PVOD = pulmonale veno-okklusive Erkrankung / PCH = Pulmonale kapilläre Hämangiomatose)
1.7. Persistierende PH des Neugeborenen (PPHN)

2 PH bei Linksherzerkrankungen

2.1 PH bei Herzversagen mit erhaltener linksventrikulärer Auswurffraktion (LVEF)
2.2 PH bei Herzversagen mit reduzierter LVEF
2.3 Erkrankungen der linkseitigen Herzklappen
2.4 Angeborene/erworbene kardiovaskuläre Anomalien, die zu einer postkapillären PH führen

3 PH infolge einer Lungenerkrankung und/oder Hypoxie

3.1 Obstruktive Lungenerkrankung
3.2 Restriktive Lungenerkrankung
3.3 Andere Lungenerkrankung mit gemischt restriktivem/obstruktivem Muster     3.4 Hypoxie ohne Lungenerkrankung
3.5 Entwicklungsbedingte Lungenerkrankungen

4 PH infolge von Obstruktionen der Lungenarterien

4.1 Chronische thromboembolische PH
4.2 Andere pulmonalarterielle Obstruktionen

5 PH mit unklarem und/oder multifaktoriellem Mechanismus

5.1 Hämatologische Erkrankungen
5.2 Systemische und metabolische Erkrankungen
5.3 Andere
5.4 Komplexe angeborene Herzfehler

*) Gérald Simonneau, David Montani, David S. Celermajer, Christopher P. Denton, Michael A. Gatzoulis, Michael Krowka, Paul G. Williams, Rogerio Souza
European Respiratory Journal 2019 53: 1801913; DOI: 10.1183/13993003.01913-2018

Seltener: Pulmonal-arterielle Hypertension

Die pulmonal-arterielle Hypertension (PAH; Gruppe 1) ist im Vergleich mit den Gruppen 2 und 3 viel seltener (Prävalenz: 97 Fälle/Million im UK). Die Erkrankung entsteht durch Verengungen und Verschlüsse der Lungengefäße, die bei der erblichen Form mit einem Funktionsverlust des BMPRII Gens assoziiert sind. Während bei der idiopathischen Form keine Ursache ersichtlich ist, leiden Patienten mit einer assoziierten pulmonal-arteriellen Hypertension meist unter einer systemischen Erkrankung wie einer Kollagenose oder Sklerodermie, einem angeborenen Herzfehler, einer Lebererkrankung mit chronischer Leberinsuffizienz, einer HIV-Infektion oder einer Schistosomiasis. „An der idiopathischen pulmonal-arteriellen Hypertension erkranken überwiegend Frauen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr “, erklärt Lang. Gleichzeitig ist die Krankheit mit einer sehr schlechten Prognose verbunden, da die Betroffenen unbehandelt nach 2,8 Jahren oder früher sterben. Für die Behandlung gibt es in Österreich 14 zugelassene Therapien: orale, inhalative und parenterale Behandlungsoptionen.

Voraussetzung für die Auswahl der Therapie ist die Risiko-Stratifizierung, bei der eine Reihe von Parametern berücksichtigt werden müssen. „Für eine vereinfachte Risiko-Stratifizierung genügt der Sechs-Minuten-Gehtest, das NYHA-Stadium, der proBNP-Wert und ein Echoparameter wie der rechtsventrikuläre enddiastolische Durchmesser“, erläutert die Expertin. Für Intermediär- und Hochrisikopatienten wird daraufhin eine entsprechende Erstlinienkombination (sogenannte „upfront combination“) mit einem intravenösen Prostazyklin eingeleitet und nach drei Monaten evaluiert. „Die mediane Überlebensrate ist dadurch von zwei auf sechs Jahre angestiegen. Wir haben mittlerweile genug Patienten, die 20 Jahre lang leben – vor allem diejenigen, die früh mit Prostazyklinen beginnen“, berichtet Lang. Ausschlaggebend für die Wahl der Therapie ist die invasive Bestimmung der Hämodynamik im Rechtsherzkatheter. „Liegt bei Patienten der Gruppe 3 der hämodynamische Phänotyp einer Gruppe-1-Erkrankung vor, kann man die Medikamente der Gruppe 1 verwenden“, erklärt die Expertin. Ist das nicht der Fall können diese Substanzen nicht zum Einsatz kommen, da es sich um gefäßerweiternde Substanzen handelt, die „für die Gruppe 2 sowie für die Gruppe 3 mit dem Phänotyp der Gruppe 2 nicht geeignet sind“, betont Lang.

Eine sehr wichtige Form von pulmonaler Hypertension ist die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertension (CTEPH; Gruppe 4), die etwa so häufig vorkommt wie die idiopathische pulmonal-arterielle Hypertension. „Wir rechnen damit, dass hier die Dunkelziffer sehr hoch ist“, betont Olschewski. Dabei handle es sich überwiegend um Patienten, bei denen schon mehrmals thromboembolische Ereignisse stattgefunden haben. Die Gerinnsel in den Lungengefäßen haben sich nicht komplett aufgelöst und Residuen hinterlassen, die ähnliche Eigenschaften haben wie Narbengewebe. „Diese Residuen sind verantwortlich dafür, dass der Blutstrom behindert wird“, führt Olschewski weiter aus. Für diese Form der pulmonal-arteriellen Hypertension gilt die medikamentöse Behandlung zwar auch als Erstlinientherapie; die kausale Behandlung erfolgt aber operativ. Im Rahmen der pulmonalen Endarteriektomie werden die thromboembolischen Verschlüsse entfernt und damit die Blutdruckwerte normalisiert. „Die pulmonale Endarteriektomie ist extrem erfolgreich, weil sie auch bei alten Patienten durchführbar ist“, hebt Lang hervor. Bei Patienten, die aus bestimmten Gründen für eine operative pulmonale Endarteriektomie nicht geeignet sind, wird eine Ballonangioplastie durchgeführt. Für den Behandlungserfolg essentiell – und auch um Rezidive zu verhindern –, ist die konsekutive Dauertherapie mit oralen Vitamin-K-Antagonisten.

Häufig klagen die Betroffenen über Schwierigkeiten, wenn sie sich vornüber gebückt mit etwas beschäftigen müssen (Schuhe binden, Staubsaugen, Backofen bedienen). Im Gegensatz zur Linksherzinsuffizienz haben sie aber keine Schwierigkeiten dabei, sich flach ins Bett zu legen. „Vermeidungsverhalten ist ein sehr starker Hinweis auf eine Störung im Kreislauf der Patienten“, betont Olschewski. So geben Patienten häufig an, dass sie keinen Sport mehr ausüben möchten, wobei sie sich nicht darüber im Klaren sind, dass sie es eigentlich gar nicht mehr können. Entgegen der früheren Annahme steht mittlerweile fest, dass sich kontrolliertes und überwachtes Training positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Überlastung ist aber nach wie vor zu vermeiden. Eine internationale Task Force der Europäischen Respiratorischen Gesellschaft unter Leitung von Ekkehard Grünig hat die aktuellen Daten und den Expertenkonsens kürzlich in einer lesenswerten Publikation dargestellt“, wie der Experte betont.

Lagetyp im EKG

Ein weiterer Aspekt, der die Diagnostik erleichtert, ist der Lagetyp im EKG. „Wir haben im Rahmen einer Studie herausgefunden, dass bei Patienten mit für Lungenhochdruck charakteristischen Beschwerden und einem Rechtstyp im EKG die Wahrscheinlichkeit bei 93 Prozent liegt, dass sie tatsächlich eine pulmonale Hypertonie haben“, berichtet Olschewski. Fehle der Rechtstyp, schließe das aber eine pulmonale Hypertonie nicht aus. Gleichzeitig habe eine andere Studie ergeben, dass Patienten, die an pulmonaler Hypertonie leiden, bestimmte metabolische Störungen aufweisen, die man als diagnostische Marker nutzen könnte. Demnach könnten die Betroffenen bestimmte freie Fettsäuren, die normalerweise als wertvolle Nährstoffe besonders für das Herz fungieren, nicht mehr verwerten. Diese akkumulieren im Blut, was in zu hohen Dosen toxisch wirken kann.

 


Gesucht: Studien aus Österreich

Sie sind in der klinischen Forschung tätig und möchten Ihre Arbeit einem breiten Fachpublikum vorstellen? Dann nutzen Sie die Chance, um Ihre Erkenntnisse in der Österreichischen Ärztezeitung zu präsentieren! In unserer neuen Serie „Forschung aus Österreich“ bieten wir Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit dazu.

Bei Interesse übermitteln Sie bitte einen Beitrag, der rund 4.000 Zeichen (incl. Leerzeichen) umfasst; ebenso auch Fotomaterial und/oder Grafiken an Frau Mag. Julia Wild (j.wild@aerzteverlagshaus.at)

Bitte übermitteln Sie uns auch folgende Informationen:

 

  • Name des Studienautors/der Studienautorin incl. CV
  • Titel der wissenschaftlichen Publikation
  • Vorstellung der Studie und der wichtigsten Erkenntnisse
  • Details zur Erstpublikation

Wir freuen uns auf Ihre Beiträge!

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2020