Orientierungshilfe Radiologie: Erweiterte Neuauflage

15.12.2020 | Medizin


Das für die jeweilige Fragestellung am besten geeignete bildgebende Verfahren auszuwählen – das ist das Ziel der Orientierungshilfe Radiologie, die sich an zuweisende Ärztinnen und Ärzte richtet. An der Erstellung der aktualisierten fünften Auflage waren erstmals auch Nuklearmediziner beteiligt.
Sophie Fessl

Die erste Auflage der „Orientierungshilfe Radiologie“ ist im Jahr 1999 erschienen; nun liegt sie in der aktualisierten fünften Auflage vor. „Sie richtet sich an alle Ärzte, die Bildgebung anordnen, sowohl im niedergelassenen Bereich als auch im Spitalsbereich“, erklärt Klaus Wicke, Obmann der Bundesfachgruppe Radiologie der Österreichischen Ärztekammer. „Die Orientierungshilfe soll Ärzten helfen, das für die jeweilige Situation am besten geeignete bildgebende Verfahren auszuwählen.“ Die Printausgabe ist ein Auszug aus dem umfassenden digitalen Entscheidungsunterstützungsinstrument ESR iGuide Austria, das online abrufbar ist.

Neu bei der Erstellung der Orientierungshilfe war dieses Mal, dass Nuklearmediziner in die Erstellung eingebunden waren – und zwar sowohl die Bundesfachgruppe Nuklearmedizin als auch durch die Österreichische Gesellschaft für Nuklearmedizin und Molekulare Bildgebung. Das ist auch der Grund, weshalb in der fünften Auflage die Bezeichnung in „Orientierungshilfe Radiologie und Nuklearmedizin“ geändert wurde. An der Erstellung beteiligt waren auch die Österreichische Röntgengesellschaft, der Verband für Medizinischen Strahlenschutz in Österreich, der Verband für Bildgebende Diagnostik Österreich und die Bundesfachgruppe Radiologie der ÖÄK.

„Da sich die Methoden der Radiologie und der Nuklearmedizin oft überschneiden, hat man nun ein Werk, in dem man nachschlagen und die optimale Untersuchungsmethode finden kann“, erläutert Wicke. Die Orientierungshilfe deckt somit radiologisch-diagnostische, interventionelle und nuklearmedizinische Verfahren für ein breites Spektrum von klinischen Problemen und Fragestellungen ab. Auch Kinderradiologie, onkologische und traumatologische Bildgebung sowie interventionelle Radiologie wurden in die neue Auflage integriert. Die lokale Verfügbarkeit von Untersuchungsmethoden wird ebenfalls berücksichtigt, wie Wicke weiter ausführt. „Ist eine Untersuchungsmethode die Methode der Wahl, aber lokal nicht verfügbar, so können aus den vorgeschlagenen alternative Untersuchungsmethoden ausgewählt werden.“

Angemessenheit bewerten

Die verschiedenen möglichen Untersuchungsmethoden wurden auf einer Ordinalskala gemäß ihrer Angemessenheit bewertet und nach einem Ampelsystem gewichtet. Untersuchungen der Kategorien 7, 8 oder 9 – grün kodiert – sind „gewöhnlich angemessen“; sie sind bei einem günstigen Risiko-Nutzen-Verhältnis für den Patienten in diesem klinischen Szenario angezeigt. Untersuchungen der Kategorien 4, 5 oder 6 – gelb kodiert – „können angemessen sein“; das bedeutet: sie können im angegebenen klinischen Szenario als Alternative zu Verfahren mit einem günstigeren Risiko-Nutzen-Verhältnis angezeigt sein oder ihr Risiko-Nutzen-Verhältnis ist nicht eindeutig. Bei Untersuchungen der Kategorien 1, 2 oder 3 – rot kodiert – ist es unwahrscheinlich, dass das Verfahren im angegebenen klinischen Szenario indiziert ist oder das Risiko-Nutzen-Verhältnis ist wahrscheinlich ungünstig. Bei der Bewertung der Angemessenheit wurden drei Aspekte herangezogen. „Unsere Einschätzung beinhaltet sowohl den Kosten-Nutzen-Aspekt als auch die Risiko-Kosten-Abwägung. Mithilfe der Orientierungshilfe soll die optimale Untersuchungsmethode für eine bestimmte klinische Fragestellung gefunden werden, die auch für den Patienten die geringste Strahlenbelastung mit sich bringt und wirtschaftlich vertretbar ist.“

In der vorliegenden Orientierungshilfe Radiologie sind die wesentlichsten Empfehlungen des neu entwickelten ESR iGuide Austria zusammengefasst. Dabei handelt es sich um ein Entscheidungsunterstützungsinstrument, das unter www.myesr.org/esr-iguide-austria  als Desktop- und mobile Variante online verfügbar ist. Erstmals wurde anhand des ESR iGuides der European Society of Radiology unter Nutzung der Inhalte und der technischen Möglichkeiten der europäischen Variante eine solche umfangreiche digitale Entscheidungshilfe für Österreich erarbeitet. „Die Empfehlungen des American College of Radiology sind dabei das Referenzmodel. Die European Society of Radiology hat die dortigen Empfehlungen an die europäischen Gegebenheiten angepasst. In der österreichischen Fassung haben wir diese für die Gegebenheiten in Österreich adaptiert“, erläutert Wicke. So werde laut Wicke etwa der Ultraschall in den USA seltener angewendet, während diese Untersuchungsmethode in Österreich einen höheren Stellenwert hat. „In den USA wird dagegen schneller das MR gewählt, weil es gut verfügbar ist. Wir aber empfehlen grundsätzlich, nicht gleich die teuerste Untersuchungsmethode zuerst einzusetzen.“

Dabei geht ESR iGuide Austria über die Printversion hinaus: Die digitale Entscheidungshilfe umfasst mehr Differentialdiagnosen und ermöglicht die Suche nach mehreren Schlagworten. Während die gedruckte Orientierungshilfe nur „grüne“ und „gelbe“ Untersuchungen enthält, werden in der digitalen Version auch „rot“ eingestufte Untersuchungen angegeben, die für eine bestimmte Fragestellung nicht empfohlen werden. Die elektronische Version soll außerdem – wenn notwendig – regelmäßig überarbeitet werden. Das gedruckte Werk bildet die Tiefe der digitalen Entscheidungshilfe nicht ab. „Aber im Taschenkittelformat gibt es Überblick über die häufigsten Fragestellungen. Besonders jüngere Ärztinnen und Ärzte können sich so rasch Gewissheit verschaffen“, betont Wicke. Was die Entscheidungshilfe Radiologie keinesfalls soll: den kollegialen Rat ersetzen. „Wir hoffen, dass mit dem Nachschlagewerk und der digitalen Entscheidungshilfe die Wahl der Methoden leichter wird und sich die überweisenden Ärzte auf die richtige Methode konzentrieren können“, fasst Wicke zusammen.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2020