Neu­ro­der­mi­tis – FAQs: Tipps von Experten

10.04.2020 | Medizin

Fra­gen aus der Pra­xis beant­wor­ten Chris­tine Ban­gert von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Der­ma­to­lo­gie an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien und Johan­nes Neu­ho­fer, nie­der­ge­las­se­ner Fach­arzt für Haut – und Geschlechts­krank­hei­ten in Linz, in unse­rer neuen Rubrik FAQs. Dies­mal im Mit­tel­punkt: Neurodermitis.


Was sind die häu­figs­ten Pro­bleme von Men­schen, die an Neu­ro­der­mi­tis leiden?

Ban­gert: Quä­len­der Juck­reiz, Entzündungen und Tro­cken­heit der Haut ste­hen im Vor­der­grund der Erkran­kung. Oft sind Pati­en­ten zusätz­lich belas­tet durch all­er­gi­sches Asthma oder all­er­gi­sche Rhi­no­kon­junk­ti­vi­tis oder auch durch Lebens­mit­tel­all­er­gien.
Neu­ho­fer: Der Groß­teil der Pati­en­ten kommt in die Ordi­na­tion bei einer Ver­schlech­te­rung, die durch Schübe ausgel.st wird, wenn sich ein Ekzem ent­wi­ckelt oder bei star­kem Juck­reiz. Man darf bei Neu­ro­der­mi­tis die psy­chi­sche Kom­po­nente nicht ver­ges­sen, denn auch dadurch kann eine Ver­schlech­te­rung aus­ge­löst wer­den.

Wel­che Unter­schiede gibt es bei den Erschei­nungs­for­men der Neu­ro­der­mi­tis bei Kin­dern und Erwachsenen?

Ban­gert: Je nach Alter fin­den sich unter­schied­li­che Prä­di­lek­ti­ons­stel­len. Bei den Säug­lin­gen fin­den sich vor allem am Kopf und am Stamm Läsio­nen, im Kin­des­al­ter vor allem die gro­ßen Beu­gen. Bei Erwach­se­nen sind zusätz­lich Hände, Hals und Gesicht betrof­fen. Bei Kin­dern fin­den sich auch häu­fi­ger Nah­rungs­mit­tel­all­er­gien wie zum Bei­spiel gegen Milch, Ei und Wei­zen, die mit dem Ein­tritt in die Schule oft wie­der ver­schwin­den. Was man bei Kin­dern kei­nes­falls tun sollte: Vor­sichts­hal­ber bestimmte Lebens­mit­tel vom Spei­se­plan strei­chen. Bei Ver­dacht auf eine All­er­gie muss eine ent­spre­chende Aus­tes­tung durch einen Arzt erfol­gen.
Neu­ho­fer: Fast immer unter­schei­det sich die Loka­li­sa­tion der Neu­ro­der­ma­ti­tis bei Kin­dern und Erwach­se­nen. Bei Babys beginnt die Neu­ro­der­mi­tis meist im Gesicht und an der Kopf­haut. Diese gelb­bräun­li­chen Krus­ten haben Ähn­lich­keit mit ver­brann­ter Milch und man spricht auch vom Milch­schorf. Ganz grund­sätz­lich muss man sagen, dass es oft auch ein Zusam­men­spiel zwi­schen dem Ver­hal­ten der Eltern und dem Neu­ro­der­mi­tis-Kind gibt. Wenn sich ein Eltern­teil zu sehr sorgt, kann sich das nega­tiv auf das Emp­fin­den des Kin­des aus­wir­ken und letzt­lich auch auf die Neu­ro­der­mi­tis selbst.

Von den aktu­ell ver­stärk­ten Hygiene-Maß­nah­men sind Men­schen mit Neu­ro­der­mi­tis beson­ders betrof­fen, da ihre Haut ja ohne­hin schon extrem emp­find­lich ist. Wie kön­nen Neu­ro­der­mi­tis-Pati­en­ten ihre Hände waschen bezie­hungs­weise desinfizieren?

Ban­gert: Die Hände soll­ten mit einer Duft­stoff-freien pHneu­tra­len Seife gewa­schen wer­den und sofort nach dem Waschen mit einer rückfettenden Pflege ein­ge­cremt wer­den, die spe­zi­ell für Hände geeig­net ist. Auch Des­in­fek­ti­ons­mit­tel für Hände kön­nen ver­wen­det wer­den. Diese ent­hal­ten teils bereits rückfettende Kom­po­nen­ten.
Neu­ho­fer: Ange­sichts der Corona-Krise ist es jetzt unum­gäng­lich, die ver­stärk­ten Hygie­ne­maß­nah­men zu beach­ten. Des­in­fek­ti­ons­mit­tel trock­nen die Haut nor­ma­ler­weise stark aus. Das ist natürlich für die ohne­hin schon emp­find­li­che Haut ein Pro­blem, die ein­fach jetzt noch mehr gepflegt wer­den muss.

Was kön­nen Betrof­fene kon­kret tun?

Ban­gert: Wenn die Haut gereizt und gerö­tet ist, sollte man sie auch zwi­schen­durch immer wie­der ein­cre­men. Abends emp­fiehlt sich, die Hände dick mit spe­zi­el­len Repair-Pro­duk­ten ein­zu­cre­men. Darüber sollte man in der Nacht Hand­schuhe tra­gen, damit sich die Haut erho­len kann. In schwe­ren Fäl­len kön­nen vorübergehend auch Kor­ti­kos­te­roid-hal­tige Pro­dukte oder Cal­ci­neu­rin-Inhi­bi­to­ren zum Ein­satz kom­men, die zu einer schnel­len Ver­bes­se­rung der Entzündung führen.
Neu­ho­fer: Die Grund­lage der Neu­ro­der­mi­tis bleibt die Basis­pflege, also das regel­mä­ßige Ein­cre­men mit rückfettenden Pfle­ge­pro­duk­ten, wobei man immer den jewei­li­gen Zustand der Haut berücksichtigen muss. Wenn es zu einem Schub kommt, soll man sich an die Ma©¨nahmen hal­ten, die der behan­delnde Arzt für sol­che Fälle vor­ge­schla­gen hat. Betrof­fene ken­nen erfah­rungs­ge­mäß die Bedürfnisse ihrer Haut sehr gut. Wenn die Sym­pto­ma­tik schwer ist oder es sons­tige Beschwer­den gibt, dann unbe­dingt zum Fach­arzt gehen.

Wann reicht eine lokale The­ra­pie, wann muss sys­te­misch the­ra­piert werden?

Ban­gert: Jeder Pati­ent, der an Neu­ro­der­mi­tis lei­det, benö­tigt eine indi­vi­du­elle The­ra­pie. Mild oder mode­rat aus­ge­prägte Ekzeme kön­nen sehr gut lokal behan­delt wer­den. Bei akti­ven Schüben kom­men neben der Basis­pflege Kor­ti­kos­te­ro­ide und Cal­ci­neu­rin­in­hi­bi­to­ren in Frage. Wenn mit einer indi­vi­dua­li­sier­ten Lokal­the­ra­pie keine zufrie­den­stel­lende Remis­sion erreicht wer­den kann oder der Pati­ent unter einer schwe­ren Neu­ro­der­mi­tis lei­det, ist eine sys­te­mi­sche The­ra­pie not­wen­dig. Hier ste­hen kon­ven­tio­nelle immun­sup­pres­sive Sub­stan­zen oder ein moder­nes Bio­lo­gi­kum zur Verfügung.
Neu­ho­fer: Eine sys­te­mi­sche The­ra­pie ist jeden­falls bei einem schwe­ren Ver­lauf der Erkran­kung not­wen­dig. Die Licht­the­ra­pie kommt in Kom­bi­na­tion mit der Lokal­the­ra­pie zum Ein­satz. Ebenso gibt es Erfah­run­gen mit ver­schie­de­nen Immun­sup­pres­siva und mit einem Bio­lo­gi­kum, das mitt­ler­weile auch für Kin­der ab zwölf Jah­ren zuge­las­sen ist.

Wie beein­flusst COVID19 eine aktu­ell bestehende Immun­the­ra­pie oder eine The­ra­pie mit Bio­lo­gika? Was ist zu beachten?

Ban­gert: Bei sys­te­mi­schen Immun­sup­pres­siva muss im Ein­zel­fall über die Fort­set­zung ent­schie­den wer­den. Bei älte­ren Pati­en­ten, bei denen der Schutz vor einer Infek­tion mit COVID-19 nicht gewähr­leis­tet ist, kann eine The­ra­pie­pause unter Umstän­den sinn­voll sein. Hier muss aber beach­tet wer­den, dass es nach Abset­zen zu einem erneu­ten schwe­ren Neu­ro­der­mi­tis-Schub kom­men kann. Daher sollte diese Ent­schei­dung nur in Rücksprache mit dem behan­deln­den Arzt getrof­fen wer­den. Eine The­ra­pie mit einem Bio­lo­gi­kum sollte hin­ge­gen kei­nes­falls been­det wer­den.
Neu­ho­fer: Zur­zeit sollte man das immer sehr indi­vi­du­ell betrach­ten und nicht panisch eine The­ra­pie ver­än­dern, mit der der Pati­ent zufrie­den ist und die er gut ver­trägt. Es gilt, die Vor- und Nach­teile abzu­wä­gen und dann liegt die Ent­schei­dung beim behan­del­ten Arzt: Er kennt sei­nen Pati­en­ten am bes­ten. Eine Bio­lo­gika-The­ra­pie sollte in der Regel wei­ter durchgeführt wer­den. In jedem Fall sollte aber Rücksprache mit dem behan­deln­den Arzt erfolgen.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 7 /​10.04.2020