Meniskusläsionen: Vorschäden begünstigen Riss

10.03.2020 | Medizin


Jährlich sind rund 25.000 Spitalsaufenthalte aufgrund von Menikusläsionen erforderlich. Mit dem Lebensalter steigt auch die Zahl der Meniskusverletzungen aufgrund der zunehmenden Verschleißerscheinungen. Die Basis für einen Meniskusriss stellt immer ein massiv vorgeschädigter, degenerativer Meniskus dar.

Laura Scherber

Risse und Verletzungen des Meniskus entstehen häufig bei Sportarten, bei denen es zu schnellen Drehungen kombiniert mit einer Beugung im Kniegelenk oder dem Strecken der Beine kommt“, erklärt Univ. Prof. Martin Dominkus vom Orthopädischen Spital Speising in Wien. Prinzipiell sind Männer zwei bis dreimal häufiger betroffen. Typisch sind vor allem Ball- und Kampfsportarten, Skifahren sowie Sportarten, die in tiefer Hocke ausgeübt werden. Der Innen-Meniskus ist häufiger betroffen als der Au.en-Meniskus, da er fest mit dem Innenband und der Gelenkkapsel verwachsen und dadurch weniger beweglich ist. Man unterscheidet Meniskusrisse nach der Lokalisation (medial, lateral), nach der Lage (vorderes, mittleres, hinteres Meniskusdrittel) und nach der Rissform (senkrecht, waagerecht, quer, korbhenkelartig, lappenförmig).

Im Vergleich zu den frischen Meniskusverletzungen, bei denen es sich in erster Linie um Sportverletzungen handelt, entsteht der Großteil der Meniskusverletzungen aufgrund von degenerativen Veränderungen. Hier führt meist eine Bagatellverletzung zum endgültigen Riss. „Häufig sind sich Menschen nicht bewusst, dass sie mit einem defekten Meniskus herumlaufen, da bis dato keine Probleme aufgetreten sind“, weiß Univ. Prof. Wolfgang Hackl von der Universitätsklinik für Orthopädie der Medizinischen Universität Innsbruck. Daher kommt es auch nicht selten vor, dass ein Kniegelenk wegen anderer Gründe abgeklärt wird und ein Meniskusriss nebenbei entdeckt wird. Fälschlicherweise führen Patienten eine Meniskusverletzung auf bestimmte Bewegungsabläufe wie das „Treppen-abwärts-Steigen“ oder das „Aus-dem-Sessel-Aufstehen“ zurück. Hackl dazu: „Derartige Verletzungsmechanismen sind aber bei gesunden Patienten nicht in der Lage, einen Meniskusriss herbeizuführen“. Die Basis dafür bildet immer ein massiv vorgeschädigter, degenerativ veränderter Meniskus. Frische und degenerative Meniskusverletzungen unterscheiden sich vor allem hinsichtlich ihrer Struktur: Während Drehverletzungen bei jüngeren Menschen in der Regel zu einem glatten Riss führen, tritt der degenerative Meniskus beim älteren Menschen eher ausgefranst und zersplittert in Erscheinung. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Meniskus per se „einem massiven, degenerativen Prozess ausgesetzt ist“, so Hackl. Weitere Risikofaktoren wie Übergewicht, Gicht oder andere entzündliche Veränderungen können diese Entwicklung unterstützen. Aber auch traumatische Vorveränderungen tragen zur Beeinträchtigung des Meniskus bei, wenn zum Beispiel eine Fraktur oder ein Bänderriss (Kreuzband, Innenband) in einer anhaltenden Instabilität resultieren.

Akut einschießende Schmerzen im Bereich des inneren oder äußeren Kniegelenkspaltes stellen die charakteristische Symptomatik des Meniskusrisses dar. Die Manipulation des Kniegelenks unter Druck und Drehung, sowie das Überstrecken des Kniegelenks evozieren den für die Meniskusverletzung typischen Schmerz. Weitere mögliche Folgen sind eine Schwellung und Ergussbildung. „Bei größeren, lappenförmigen Einrissen kann es auch zu einer akuten Blockierung des Kniegelenks kommen“, führt Dominkus aus. State of the Art bei der bildgebenden Diagnostik der Meniskusläsion ist das MRT, mit dem Schweregrad und Ausmaß der Verletzung genau diagnostiziert werden.

Alter bestimmt Therapie

Prinzipiell ist ein wichtiges Ziel, so viel wie möglich von der Substanz des Meniskus zu erhalten. „Bei kleineren oder degenerativen Einrissen kann konservativ mit Physiotherapie, Entlastung und medikamentöser Schmerztherapie behandelt werden“, fasst Dominkus die ersten therapeutischen Schritte zusammen. Wird nach zwei- bis dreimonatiger konservativer Behandlung aber keine Beschwerdefreiheit erzielt, fällt die Entscheidung – wie bei primär großen Einrissen – für die Kniegelenkarthroskopie. Dabei werden bei kleineren Einrissen Teilresektionen des Meniskus durchgeführt; bei größeren und basisnahen Einrissen, die im Bereich der durchbluteten Zone des Meniskus liegen, auch rekonstruktive Meniskusnähte. In seltenen Fällen ist die Meniskustransplantation aus Tier- oder Spendermenisken die Therapie der Wahl. Während die Entscheidung für eine Meniskusentfernung früher schnell getroffen wurde, ist man heute grundsätzlich zurückhaltender. „Der Meniskus hat eine dämpfende und stabilisierende Funktion, die man so gut wie möglich erhalten sollte“, betont Hackl. Da sich durch jede Teilresektion die Stabilität und Auflagefläche des Meniskus verringere, führe das unweigerlich zu einer weiteren Schädigung des Knorpels und zur Entstehung beziehungsweise dem Fortschreiten einer Arthrose. Bei der Wahl der Therapieoption ist ein Faktor besonders entscheidend: das Alter. So wird ein Meniskusriss – sofern es die Art des Risses zulässt – beim jüngeren Patienten im besten Fall genäht werden. Neben der Meniskusnaht wird gerade sportlichen Menschen der Ersatz durch ein Meniskustransplantat nahegelegt, insbesondere wenn ein zu großer Teil des Meniskus entfernt werden müsste. In der Regel wird die Meniskustransplantation bis zu einem Alter von 30 bis 35 Jahren empfohlen.

Im Gegensatz zu jüngeren Patienten wird bei der Mehrheit der älteren Menschen mit degenerativen Meniskusrissen keine Arthroskopie durchgeführt. Treten neben Schmerzen keine klinisch relevanten Probleme auf, wartet man zunächst einmal ab. Aus der Praxis weiß Hackl, dass sich die Schmerzen bei den meisten älteren Patienten nach einigen Wochen oder Monaten wieder verringern und sie zunehmend wieder belasten können. Kommt es im Rahmen des Meniskusrisses aber zu einer permanenten Ergussbildung oder Einklemmungsproblematik mit Bewegungseinschränkung, ist ein operativer Eingriff indiziert. Nicht selten werden bei älteren Patienten mit bereits vorliegender Arthrose des Kniegelenks in MRT-Befunden Menikusläsionen beschrieben – die klinische Symptomatik entspricht aber meist jener der Arthrose und nicht der des Meniskusrisses. „In diesen Fällen sollte eine Meniskusoperation eher zurückhaltend indiziert werden, weil auch kleine arthroskopische Eingriffe beim degenerativen Kniegelenk häufig lange Rekonvaleszenz-Zeiten und Reizzustände des Kniegelenks nach sich ziehen können“, resümiert Dominkus. Obwohl der Großteil der Patienten nach einer Meniskusoperation zufrieden ist, ist die Entwicklung einer Arthrose laut Hackl unvermeidlich: „Dann treten die Beschwerden nach zehn, 20 oder 25 Jahren auf, wenn das Gelenk degenerativ derartig verändert ist, dass nur noch ein prothetischer Ersatz möglich ist“.

Frühzeitig Physiotherapie

Je nach Art des arthroskopischen Eingriffs ergeben sich unterschiedliche Indikationen für die postoperative Betreuung. „Bei kleineren Eingriffen und Meniskus-Teilentfernungen ist die zweiwöchige Schonung eventuell mit Unterarmstützkrücken sinnvoll“, erklärt Dominkus. Danach kann der Patient wieder zunehmend belasten, wie Treppensteigen oder Fahrradfahren; die üblichen Aktivitäten wie zum Beispiel Hobbysport sollten etwa sechs Wochen nach der Operation wieder problemlos möglich sein. Wurde der Meniskus hingegen gen.ht oder durch ein Transplantat ersetzt, bekommt der Patient eine Schiene und darf für die Dauer von drei bis sechs Wochen nur teilweise mit Hilfe von Stützkrücken belasten. Hackl betont die Wichtigkeit der frühzeitigen physiotherapeutischen Behandlung, da es ansonsten durch die Schiene schnell zum Zusammensinken der Oberschenkelmuskulatur komme, was unbedingt zu vermeiden sei. „Laufsport kann in diesen Fällen nach etwa drei Monaten begonnen werden. Kniebelastende Sportarten frühestens nach sechs Monaten“, fügt Dominkus hinzu.

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2020