Kurz und informativ: Medizinische Kurzmeldungen

15.07.2020 | Medizin

Spitalskeime trotzen Hygiene

Multiresistente Keime halten sich hartnäckig und oft jahrelang in Wasserleitungen sowie auf Flächen wie Fingerpulsmessgeräten oder der Bettreling. Wissenschafter um Niranjan Nagarjan von der Universität Singapur entnahmen an 179 Stellen rund um 45 Betten in Singapur Proben. Sie sequenzierten im Rahmen der Studie, an der auch Alexandra Graf vom Fachbereich Bioinformatik der Fachhochschule Campus Wien beteiligt war, das bakterielle Erbgut. Ergebnis: Im Waschbecken-Abfluss und Wasserhahn fanden sich gegen Antibiotika und Desinfektionsmittel resistente Keime, die in sogenannten Biofilmen auf diesen Oberflächen existieren. Darüber fanden die Forscher viele Mikroben auf Oberflächen, wo oft Hautkontakt mit dem Patienten erfolgt: auf Fingerpuls-Messgeräten, der Bettreling, dem Nachtkästchen, Beistelltischchen und Türschnallen. „Die Studie zeigt, dass gesteigerte Hygiene nicht ausreicht, um die Probleme mit multiresistenten Keimen in den Griff zu bekommen“, sagt Alexandra Graf. Zur weiteren Reduktion müssten auch andere Umstände wie das Raumklima berücksichtigt werden: also die Feuchtigkeit und Temperatur in den Zimmern sowie die Durchlüftung. APA/Nature Medicine

90 Prozent

aller durch Krebs verursachten Todesfälle gehen auf Metastasen zurück. Mit Hilfe eines „Tumorschredders“, den Forscher des Instituts für Medizin- und Biodynamik an der Johannes Kepler-Universität Linz (JKU) entwickelt haben, sollen Tumorzellen aus dem Blutstrom gefiltert, mechanisch angegriffen und geschreddert werden. Das zum Patent angemeldete Gerät soll künftig bei großen Tumorresektionen oder inoperablen Karzinomen zum Einsatz kommen. APA/JKU

XlinCA: Kontrastmittel stellt kleinste Gefäße dar

Das in der Schweiz entwickelte – stark wasserlösliche – Kontrastmittel „XlinCA“ verteilt sich besser in den Kapillaren als herkömmliche Produkte und ermöglicht so auch die Darstellung kleinster Gefäße. Außerdem diffundiert es aufgrund des relativ hohen Molekulargewichts nicht durch die Gefäßwände in andere Organe. Wissenschafter der Universität Zürich, des Nationalen Forschungsschwerpunkts Kindney.CH und der Universität Basel untersuchen im Tierversuch an Mäusen mithilfe des neuen Kontrastmittels Veränderungen der Nierenblutgefäße bei chronischer Nephropathie. Damit wollen die Wissenschafter Erkenntnisse darüber gewinnen, wieso die Blutgefäßdichte bei einer Erkrankung abnimmt und wie das die Nierenfunktion beeinträchtigt. APA/Chemical Communications

Künstliche Intelligenz imitiert Handschrift

Nach einer Verletzung oder einer anderen Beeinträchtigung die individuelle Handschrift trotzdem behalten – das ist das Ziel der Imitation von Geschriebenem durch eine intelligente Software. Die Künstliche Intelligenz benötigt dafür lediglich 25 bis 30 handschriftliche Zeilen; je deutlicher lesbar, desto besser, erklärt dazu Entwickler Dipl. Ing. Vincent Christlein, der als Informatiker an der Universität Erlangen-Nürnberg tätig ist. Ein eingescannter Brief beispielsweise reicht aus. APA

Flugdrohnen verdrängen Malaria-Vektoren

Mit Hilfe der Sterile Insect Technique (SIT) soll die Population von Malaria übertragenden Stechmücken reduziert werden. Nachweisbare Erfolge brachte kürzlich ein Feldversuch in östlichen Brasilien, bei dem Forscher im ländlichen Gebiet mit einer Helikopter-Drohne 200.000 sterile Männchen-Mücken der Gattung Aedes aegypti aussetzten. Eine nachfolgende Untersuchung der in der Region abgelegten Insekteneier zeigte: 50 Prozent der Eier waren nicht lebensfähig. Bei der Studie handelt es sich um ein Projekt des Labors für Schädlingsbekämpfung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Seibersdorf (NÖ) sowie der Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization) mit Sitz in Rom. Die Drohnen-Methode eignet sich nicht nur zur Eindämmung von Malaria, sondern auch von anderen Vektor-übertragene Krankheiten wie Dengue, Zika, Chikungunya oder Gelbfieber. APA/Science Robotics

Familiäre Migräne: Fehlfunktion von Astrozyten

Die familiär hemiplegische Migräne Typ 2 (FHM2) wurzelt neuesten Forschungserkenntnissen zufolge in einer Mutation des Gens Atp1a2. Ein Team von Neurowissenschaftern vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich unter der Leitung von Mirko Santello in Zusammenarbeit mit der Universität Padua konnte zeigen, dass eine Fehlfunktion von Astrozyten im cingulären Kortex dafür verantwortlich ist. Da bei der FHM2-Migräne die Glutamataufnahme der Astrozyten beeinträchtigt ist, kommt es zur übermäßigen Erregung der Nervenzellen im cingulären Kortex und in der Folge werden vermehrt Neurotransmitter freigesetzt. Im Tierversuch an Mäusen konnte mit genetisch veränderten Astrozyten die Fehlfunktion umgekehrt und die starken Kopfschmerzen verringert werden. APA/Science Advances

Charakter beeinflusst Hirnvolumen

Eine weltoffene, neugierige und weniger angepasste Persönlichkeit schützt vor dem geistigen Abbau im Alter, so die Resultate einer fünfjährigen Untersuchung von 65 über 65-Jährigen. Wissenschafter der Universität Genf und der Genfer Universitätsspitäler (HUG) erstellten strukturell-funktionelle Gehirnscans und befragten die Probanden zu Lebensstil, Persönlichkeit und kognitiven Fähigkeiten. Wenig konfliktscheue, „unangenehme“ Charaktere sind gegen Volumenverlust des Gehirns besser geschützt, fasst Studienleiter Panteleimon Giannakopoulos zusammen. Das betrifft vor allem die Hirnregionen, die sowohl durch normale Alterung als auch bei M. Alzheimer an Volumen verlieren. Von einem kausalen Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und dem Voranschreiten von degenerativen Prozessen im Gehirn dürfe man aber trotzdem nicht sprechen. Vielmehr vermuten die Wissenschafter, dass die erhöhte Plastizität des Gehirns von Personen mit diesen Charaktereigenschaften eine mögliche Erklärung dafür sein kann. APA/Neurobiology of Ageing

Zuckerentzug verlangsamt Wachstum von Lungenkarzinomen

Das Wachstum von Karzinomzellen in der Lunge kann durch die Blockade der Glucosetransporter Glut1 und Glut3 verlangsamt werden. Diese Annahme prüften Forscher vom Swiss Institute for Experimental Cancer Research am EPFL (École polytechnique fédérale de Lausanne) in Lausanne an krebskranken Mäusen ohne Glut1/Glut3. Die Tumoren wuchsen laut PET-Scan weniger schnell, die Versuchstiere lebten länger als die der Kontrollgruppe. Die Glut1-/Glut2-Elimination von im Labor gezüchteten menschlichen Lungenkrebszellen bestätigte das verlangsamte Tumorwachstum. Wesentlich sei eine simultane Blockade der beiden Glucosetransporter, so Studienautorin Caroline Contat. APA/eLife

Karzinome: nur selten Fernmetastasen

Nur wenige Zellen von Primärtumoren bilden Fernmetastasen, die meisten befallen die Lymphknoten. Das ist das Ergebnis einer Studie des Canary Center for Cancer Early Detection der Stanford University (Kalifornien). Das Forscherteam um den Österreicher Ass. Prof. Johannes Reiter untersuchte die Herkunft entarteter Zellen in Metastasen anhand von 317 Biopsien von 20 Patienten mit einem Kolonkarzinom. Während Fernmetastasen typischerweise von der Urform abstammen und sich genetisch nur wenig unterscheiden, weisen Lymphknoten-Tumoren eine hohe Diversität auf. Die evolutionären Mechanismen der Karzinome differieren, so das Resümee der Studienautoren. APA/Nature Genetics

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2020