Kurz und informativ: Medizinische Kurzmeldungen

10.09.2020 | Medizin

COVID-Mortalität: enger Familienkontakt nicht entscheidend

Entgegen früheren Studienergebnissen führt das Zusammenleben von mehreren Generationen nicht zu einer höheren durch COVID-19 bedingten Sterblichkeit. Das fand ein internationales Team aus Wissenschaftern unter Leitung der Soziologin Valeria Bordone von der MedUni Wien mit Beteiligung der Universitäten Florenz und Pompeu Fabra heraus. Sie analysierten die Daten von 19 Ländern bezüglich der Korrelation der familiären Kontakte, der Mortalität und der Anzahl der Fälle pro 1.000 Einwohner. Der positive Zusammenhang zwischen erhöhter Sterblichkeit und generationsübergreifenden Beziehungen auf nationaler Ebene könnte laut den Forschern auf schwächere Gesundheitssysteme zurückzuführen sein; der negative Zusammenhang auf regionaler Ebene mit einem höheren Anteil von älteren Menschen in Altersheimen. Die Wissenschafter warnen daher vor übereilten Fehlinterpretationen basierend auf dem Vergleich von Ländern. Außerdem empfehlen sie, den Begriff „Physical“ statt „Social Distancing“ zu verwenden, da sich soziale Kontakte auch positiv auf das Pandemie-Geschehen auswirken. MedUni Wien/PNAS

95 Prozent

der von den Gitterzellen in der Hirnrinde einkommenden Informationen leiten die Körnerzellen im Hippocampus, der für die Navigation im Raum wichtig ist, nicht weiter: Sie filtern rigoros und präzisieren. Die von der Hirnrinde einlangenden Signale sind breit gefächert, während die von den Körnerzellen ausgehenden Signale fokussiert sind, erklären die Forscher des Institute of Science an Technology (IST) Austria in Klosterneuburg um den Neurowissenschafter Univ. Prof. Peter Jonas. APA/Neuron

Probiotika beugen Frühchen-Enterokolitis vor

Eine orale probiotische Prophylaxe kann die Überlebenschancen von Babys mit nekrotisierender Enterokolitis (NEC) erhöhen. In einer Studie untersuchte Univ. Prof. Bernhard Resch von der Klinischen Abteilung für Neonatologie der MedUni Graz zusammen mit Kollegen aus Klagenfurt und Leoben das Mikrobiom von 60 Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1.500 Gramm. Sie erhielten prophylaktisch Probiotika und Antibiotika. Die mit der genetischen Methode 16S rRNA Analyse der gesammelten Stuhlproben zeigte, dass sich bei einigen Babys ein vielfältiges Mikrobiom ausbildete; andere Kinder zeigten keine Reaktion. Zusätzlich fiel eine Standort-bezogene Abweichung – je nachdem, wo das Frühchen geboren wurde – der Mikrobiom-Zusammensetzung auf; ein möglicher Hinweis auf den prägenden Einfluss des Geburtsumfeldes auf die Darmbakterien zusätzlich zur Ernährung. In einem weiteren Schritt sollen das Metagenom und das Metabolom der Proben untersucht werden, sagt Resch. APA/Nutrients

COVID-19: Kreuzimmunität mildert Verlauf

T-Zellen können durch frühere Infektionen mit anderen Corona-Viren erworbene Informationen zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 nutzen. Das könnte erklären, warum COVID-19 so unterschiedlich verläuft. Die Tiroler Wissenschafterin Daniela Weiskopf, tätig am La Jolla Institute for Immunology (LJI) in Kalifornien, hatte in einer ersten im Juli dieses Jahres publizierten Studie von 2015 bis 2018 entnommene Blutproben mit dem neuartigen Corona-Virus konfrontiert. Nahezu 50 Prozent der T-Zellen reagierten auf SARS-CoV-2. Weiskopf vermutet, dass es sich um Kreuzimmunitäten mit gewöhnlichen Schnupfen-Viren handelt. Diesem Verdacht wurde in einer zweiten, kürzlich durchgeführten Untersuchung nachgegangen. Zusammen mit Erstautor Jose Mateus konfrontierte Weiskopf Blutproben aus dem Jahr 2019 mit mehr als 100 Teilen des Corona-Virus. Eine Vielzahl der T-Zellen reagierte sowohl auf das neue als auch auf andere humane Corona-Viren; am stärksten jedoch auf das Spike-Protein von SARS-CoV-2. APA/Science

Alternativer Doping-Nachweis

Neuseeländische Forscher von der Otago-Universität in Dunedin entwickelten einen Test, der bei Verdacht auf Doping nicht nach einem Marker, sondern nach Veränderungen in den Zellen, die durch Steroide verursacht werden, sucht. Man habe einen anderen Zugang gesucht, bei dem man die Struktur der Substanz vorab nicht kennen müsse, erklärt Projektleiterin Alison Heather. Die Wissenschafter sehen ihre Entwicklung als Durchbruch im Kampf gegen Doping mit Designer-Drogen. Nun hofft Heather auf Anerkennung des Tests durch die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), damit er bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking zum Einsatz kommen kann. APA

Corona-Krise verstärkt Essstörungen

Patienten mit Anorexie, Bulimie oder Binge-Eating-Störung erlebten durch den Lockdown eine Verschlechterung ihrer Symptome. Das ergab eine Online-Befragung von 510 niederländischen und 511 US-amerikanischen Betroffenen, durchgeführt von einem Forscherteam u.a. vom Karolinska Institut in Stockholm und der University of North Carolina at Chapel Hill. Der Fragebogen beinhaltete sowohl quantitative Messungen als auch Freitext-Antworten. Patienten mit Anorexia nervosa berichteten von vermehrten Einschränkungen. Patienten mit Bulimia nervosa und Binge-Eating-Störung gaben an, dass der Drang nach und die Perioden der Essattacken zunahmen. Insgesamt gaben die Betroffenen eine Zunahme von Ängsten an. Jene, die früher Essstörungen hatten, fürchteten sich vermehrt vor einem Rückfall. Als positive Effekte durch die Pandemie werden unter anderem eine stärkere Bindung zur Familie, mehr Zeit für Selbstfürsorge und eine gesteigerte Motivation, gesund zu bleiben, genannt. International Journal of Eating Disorders

Hepatitis C: Algorithmus erleichtert Nachbetreuung

Eine neue Methode zur nicht-invasiven Risikoabschätzung nach Heilung einer Hepatitis C hat ein Forscherteam der MedUni Wien um Georg Semmler entwickelt. Der Algorithmus misst den Schweregrad des Pfortaderdrucks sowie die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen wie Aszites oder Blutungen aus Ösophagusvarizen. Der Algorithmus basiert auf einem Ultraschall-Verfahren, das die Lebersteifigkeit prüft, und einem Bluttest. Damit sollen belastende Kontrolluntersuchungen reduziert und Hochrisikopatienten, die engmaschige Betreuung brauchen, identifiziert werden. Durch die bessere Risikoeinschätzung kann bei einem Großteil der Patienten Entwarnung gegeben werden. APA/MedUni Wien

Erste US-Patientin mit Gesichtstransplantation ist tot

Da wegen Schussverletzungen Nase und Gaumen fehlten, wurde 2008 bei einer US-Amerikanerin in Cleveland eine großflächige Gesichtstransplantation durchgeführt. Im Alter von 57 ist sie nun gestorben. Damit gilt sie als die am längsten lebende Patientin nach einem derartigen Eingriff. Die Operation, bei der sie das Gesicht einer toten Spenderin erhielt, dauerte 22 Stunden. 80 Prozent ihres Gewebes – Haut, Knochen, Muskeln, Nerven, Blutgefäße und Zähne – wurden ersetzt. Weltweit haben sich bislang vier Menschen eine Gesichtstransplantation unterzogen; erstmals erfolgte sie bei einer Französin im Jahr 2005. APA

Corona-Virus: Mund-Nasen-Schutz ist besser als Klarsichtvisier

Klarsichtvisiere sind keine gleichwertige Alternative zum Mund-Nasen-Schutz. Sie sollten lediglich dann zum Einsatz kommen, wenn aus medizinischen Gründen kein Mund-Nasen-Schutz getragen werden kann, heißt es in einer Stellungnahme der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin, ebenso auch wie in einer des US-amerikanischen Center for Disease Control (CDC). Klarsichtvisiere bilden zwar eine mechanische Barriere für größere Tröpfchen; schwebefähige Kleinst-Partikel gelangen aber ungehindert an die Umgebung. Des Weiteren wird die Atemluft lediglich umgelenkt, die Filtrationswirkung der Atem-Aerosole der Maske fehlt. Lediglich beim Schutz der Augenbindehaut sind Klarsichtvisiere gegenüber dem Mund-Nasen-Schutz im Vorteil. APA

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2020