Hepa­ti­tis C: Com­pli­ance beein­träch­tigt Therapieerfolg

15.07.2020 | Medizin

Die hohe Muta­ti­ons­fä­hig­keit des Hepa­ti­tis C‑Virus ist der Grund dafür, wieso es trotz viel­fa­cher Ver­su­che bis­her nicht gelun­gen ist, einen Impf­stoff zu ent­wi­ckeln. Wird mit den ver­füg­ba­ren The­ra­pien keine 100-pro­zen­tige Hei­lungs­rate erreicht, liegt es in der Regel an der Com­pli­ance.
Laura Scher­ber

Die aktu­ell ver­füg­ba­ren The­ra­pien haben eine Revo­lu­tion aus­ge­löst und machen eine Inter­fe­ron-The­ra­pie für die Hepa­ti­tis C obso­let“, erklärt Univ. Prof. Heinz Zol­ler von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin I in Inns­bruck. Im Gegen­satz zur Inter­fe­ron-The­ra­pie, die bis vor ein paar Jah­ren The­ra­pie­stan­dard war, seien diese The­ra­pien zu fast 100 Pro­zent wirk­sam, gut ver­träg­lich und sehr neben­wir­kungs­arm, wie Zol­ler wei­ter aus­führt. Müdig­keit sei die ein­zige häu­fi­gere Neben­wir­kung. „Es ist wirk­lich ein­ma­lig in der Medi­zin, dass eine chro­ni­sche Virus­er­kran­kung mit einer kur­zen The­ra­pie kom­plett geheilt wer­den kann“, betont auch Univ. Prof. Peter Ferenci von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin III der Med­Uni Wien. Wird die 100-pro­zen­tige Hei­lungs­rate nicht erreicht, liegt es in der Regel an der Com­pli­ance: wenn Tablet­ten ver­ges­sen wer­den und die The­ra­pie nicht ent­spre­chend ein­ge­hal­ten wird. 

Kein Impf­stoff in Sicht

Die The­ra­pie mit dem NS5B-Poly­me­ra­se­hem­mer Sofos­bu­vir und dem NS5A-Hem­mer Vel­pa­ta­svir erfolgt in Form einer Tablette täg­lich über zwölf Wochen hin­durch. Bei der Kom­bina tion des NS5A-Hem­mers Pib­ren­tas­vir mit dem NS3/4A-Pro­tease-Hem­mer Gle­ca­pre­vir beträgt die The­ra­pie­dauer acht Wochen mit täg­lich drei Tablet­ten. Diese Kom­bi­na­ti­ons­the­ra­pie hat Ferenci zufolge den Nach­teil, dass sie mit vie­len ande­ren Medi­ka­men­ten inter­agiert und bei Per­so­nen mit schwe­rer Leber­zir­rhose wegen der schlech­ten Ver­träg­lich­keit nicht ange­wen­det wer­den darf. „Glecaprevir/​Pibrentasvir hat ein brei­tes Wech­sel­wir­kungs­pro­fil ins­be­son­dere mit Sta­ti­nen“, fügt Zol­ler hinzu. Daher sollte man die Sta­tin-The­ra­pie wäh­rend­des­sen pau­sie­ren. Für die fünf Pro­zent der Pati­en­ten, bei denen die acht- bezie­hungs­weise zwölf­wö­chige The­ra­pie nicht zu einer Hei­lung führe, stünde dem Exper­ten zufolge das Reser­ve­prä­pa­rat Voxi­la­pre­vir in Kom­bi­na­tion mit Sofos­bu­vir und Vel­pa­ta­svir zur Ver­fü­gung. „Mir ist kein ein­zi­ger Pati­ent bekannt, der auch durch die Reser­vet hera­pie nicht geheilt wor­den ist“, resü­miert Zoller.

Wäh­rend für Hepa­ti­tis A- und B‑Viren seit lan­ger Zeit Imp­fun­gen vor­han­den sind, wird es für die Hepa­ti­tis C sobald kei­nen Impf­stoff geben. „Hepa­ti­tis C ist seit 40 Jah­ren bekannt und viele Fir­men haben ver­sucht, einen Impf­stoff her­zu­stel­len, was bis heute aber nicht gelun­gen ist“, berich­tet Ferenci. Der Grund liegt vor allem in der hohen Muta­ti­ons­häu­fig­keit, die bei den bei­den ande­ren Hepa­ti­tis-Viren nicht gege­ben ist. „Das Hepa­ti­tis A‑Virus kann durch das Immun­sys­tem kon­trol­liert wer­den, wes­we­gen es keine chro­ni­schen Ver­läufe gibt“, erklärt Zol­ler. Und wei­ter: „Dadurch ist das Virus auch rela­tiv kon­stant in sei­ner Gene­tik, es wech­selt den Wirt, aber nicht seine eige­nen Eigen­schaf­ten“. Da das Hepa­ti­tis B‑Virus ein DNA-Virus ist, ist es gene­tisch rela­tiv sta­bil. Das Hepa­ti­tis C‑Virus ist hin­ge­gen ein RNA-Virus, ruft chro­ni­sche Infek­tio­nen her­vor, ist hoch varia­bel und ver­än­dert sich stän­dig. „Gleich­zei­tig ist es sehr unwahr­schein­lich, dass es eine Imp­fung geben wird, weil das Virus so gut behan­del­bar ist und das Ziel ist, diese Erkran­kung durch kon­se­quen­tes Scree­ning und The­ra­pie­ren zu eli­mi­nie­ren“, fasst Zol­ler zusam­men. In die­sem Kon­text emp­fiehlt das US-ame­ri­ka­ni­sche Cen­ter for Dise­ase Con­trol and Pre­ven­tion (CDC) ein gene­rel­les Scree­ning für alle Men­schen zwi­schen 18 und 78 Jah­ren. „Und das wäre auch wich­tig für Öster­reich, dass bei einer Gesun­den­un­ter­su­chung statt einer unspe­zi­fi­schen Gamma-GT-Bestim­mung oder zumin­dest zusätz­lich jeder auf Hepa­ti­tis B und C getes­tet wer­den sollte“, so der Experte. Dies betreffe alle Men­schen mit erhöh­ten Leber­wer­ten, mit Tat­toos oder Pier­cings aus einem unre­gu­lier­ten Set­ting, oder die Blut­trans­fu­sio­nen vor 1990 bekom­men haben, sowie Per­so­nen, die jemals intra­ve­nös Dro­gen kon­su­miert haben. Zusätz­lich sei es laut Zol­ler wich­tig, im Rah­men einer ein­fa­chen Blut­un­ter­su­chung auch das Sta­dium der Leber­er­kran­kung zu bestim­men, da dadurch die The­ra­pie­dauer bei man­chen Prä­pa­ra­ten anstatt zwölf 24 Wochen betrage.

Scree­nings und Begleitung

„Jeder Hepa­ti­tis C‑Infizierte sollte auch behan­delt wer­den“, betont Ferenci. Des­halb ist ein ent­spre­chen­des Scree­ning essen­ti­ell. Laut dem Exper­ten gibt es grund­sätz­lich zwei Grup­pen von Hepa­ti­tis C‑Infizierten: zum einen die­je­ni­gen, die sich vor Jahr­zehn­ten durch Blut­trans­fu­sio­nen oder unsi­chere medi­zi­ni­sche Behand­lun­gen infi­ziert haben und bei denen die Erkran­kung im Alter zufäl­lig fest­ge­stellt wird; zum ande­ren die große Gruppe der Dro­gen­kon­su­men­ten, die etwa 85 Pro­zent der Hepa­ti­tis C‑Fälle aus­ma­chen. „Behan­delt man die HCV-infi­zier­ten Dro­gen­süch­ti­gen, schal­tet man ein gro­ßes Kol­lek­tiv aus, das andere anste­cken kann“, unter­streicht Ferenci. Eine dritte Gruppe, die sich aus die­sem Kol­lek­tiv ergibt, sind infi­zierte Gefäng­nis-Insas­sen. Hier­bei handle es sich um ein nicht „unbe­acht­li­ches Pro­blem­feld“ (Ferenci), da diese Infi­zier­ten häu­fig nicht behan­delt wer­den. Das liege an der feh­len­den Kran­ken­ver­si­che­rung, sodass die Jus­tiz für die Kos­ten auf­kom­men müsse. Bei einer kur­zen Haft­strafe werde die­ses Pro­blem daher häu­fig ver­scho­ben, bis die Betrof­fe­nen nach ihrer Haft­strafe selbst einen Arzt auf­su­chen können. 

Zu beden­ken sei außer­dem, „dass selbst eine erfolg­rei­che Behand­lung der Hepa­ti­tis C nicht vor einer Re-Infek­tion schützt“, so Zol­ler. Des­we­gen benö­ti­gen die Betrof­fe­nen ent­spre­chende Beglei­tungs­pro­gramme und sol­len, wenn sie intra­ve­nös Dro­gen kon­su­mie­ren, wie­der­holt getes­tet wer­den. Eine Re-Infek­tion von einem Rezi­div zu unter­schei­den, sei der ein­zige Grund, wes­halb im Rah­men der Hepa­ti­tis C‑Infektion noch der Geno­typ bestimmt werde. Zur Reduk­tion der Re-Infek­ti­ons­rate soll­ten Pati­en­ten auch über die Infek­ti­ons­wege – sau­bere Injek­ti­ons­pra­xis, Iden­ti­fi­zie­rung poten­ti­el­ler Infek­ti­ons­mög­lich­kei­ten – bera­ten wer­den, so Zol­ler. Bei einer Re-Infek­tion kann der Pati­ent mit dem glei­chen Prä­pa­rat noch ein­mal behan­delt wer­den. „Han­delt es sich aber um ein Rezi­div nach erfolg­rei­cher The­ra­pie, muss das the­ra­peu­ti­sche Regime gewech­selt wer­den und eine Resis­tenz­be­stim­mung erfol­gen“, fasst Zol­ler zusammen.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 13–14 /​15.07.2020