FSME: Unspezifische Symptome

25.03.2020 | Medizin

Nur jeder 300. Zeckenstich führt tatsächlich zu einer klinisch relevanten Infektion. Besonders im Kindesalter kann sich eine FSME-Infektion als unspezifische Virusinfektion mit den  Symptomen einer Sommergrippe präsentieren.

Aufgrund der hohen Durchimpfungsrate hat die die Inzidenz der FSME Frühsommer-Meningoenzephalitis in Österreich in den letzten Jahrzehnten abgenommen. So ist vergangenes Jahr die Zahl der FSME-Erkrankungen mit 108 akquirierten und hospitalisierten Fällen im Vergleich zu den Vorjahren wieder leicht gesunken. 2018 bleibt mit 154 FSME-Betroffenen in Österreich weiter das „Rekordjahr“. Der Vergleich mit den Nachbarländern zeigt ein ähn-liches Bild: Deutschland meldete 440 Fälle (584 im Jahr 2018) und die Schweiz 263 (376 im Jahr 2018). Fluktuationen wie 2018 sind typisch für die FSME. Ursachen sind zum Teil sozioökonomische, klimatische oder Umweltveränderungen, die die Viruszirkulation oder die Reproduktion von Zecken und anderen Wirten beeinflussen sowie zu einem erhöhten Expositionsrisiko führen können.

Weltweit werden jährlich zwischen 10.000 und 12.000 FSME-Fälle registriert. FSME-Endemiegebiete sind in Mitteleuropa Österreich, Polen, die Tschechische und die Slowakische Re-publik; in Nordeuropa die baltischen Staaten, Süd-, Mittelschweden, die Südküste Norwegens und Finnlands und Teile Dänemarks (sporadisch auf Seeland, endemisch auf der Insel Bornholm) und im europäischen Teil Russlands sowie in Südosteuropa in Ungarn, Kroatien, Slowenien und Albanien. Von geringerer Bedeutung sind Vorkommen in Frankreich (El-sass), Italien (Trentino) und Griechenland (Einzelfälle). Bis-her wurde angenommen, dass auf der Iberischen Halbinsel, im Vereinigten Königreich und in den Benelux-Ländern kein  FSME-Risiko besteht. Neuesten Entwicklungen zufolge breitet sich das Endemiegebiet langsam Richtung Norden aus. Das Europäische Zentrum für Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) weist für das Jahr 2016 insgesamt 2.674 bestätigte FSME-Fälle in 25 europäischen Ländern aus. Je nach Land und Region kommt das Virus dabei unterschiedlich häufig vor. Die Datenlage ist jedoch nicht in jedem Land eindeutig. Bisher hat man angenommen, dass mehrheitlich nur die großen weiblichen Zecken FSME-Viren in sich tragen. Inzwischen wurden auch die kleinen Nymphen als Überträger identifiziert. Möglicherweise könnte dies auch bei Männchen der Fall sein. In den endemischen Gebieten sind etwa ein bis drei Prozent der Zecken Träger des FSME-Virus. Doch jeder Stich dieser Gruppe überträgt das Virus unmittelbar auf den Menschen. Im Gegensatz zur Borreliose, bei der die Übertragung im Zeitraum zwischen 24 und 36 Stunden erfolgt, denn Borrelien müssen aus dem Zeckendarm kommend über den Zeckenspeichel inokuliert werden.

Nur etwa ein Drittel aller FSME-Infektionen wird je-doch klinisch manifest; folglich führt nur jeder 300. Zeckenstich tatsächlich zu einer klinisch relevanten Infektion. Im Jahr 2019 war der jüngste Patient sechs Monate alt, der älteste 89 Jahre. Zwei Todesfälle wurden registriert. Die Betroffenen waren über 70 Jahre alt und starben an einer Meningoenzephalitis/Enzepha-lomyelitis. Wie in den Jahren zuvor war mit 54,6 Prozent mehr als die Hälfte der FSME-Patienten älter als 50 Jahre (n= 59); 13,9 Prozent (n=15) Kinder unter 15 Jahren. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 waren es 18,2 Prozent und im Jahr 2017 mit 17,2 Prozent etwas weniger. Daten zum Schweregrad der Erkrankung liegen bei 102 der 108 FSME-Fällen vor: 49 Patienten hatten einen leichteren Verlauf. Bei 53 Patienten trat eine schwerere ZNS-Symptomatik (Meningoenzephalitis, Meningo-myelitis, Meningoradikulitis) auf. Nahezu zwei Drittel (n=33; 62,3 Prozent) waren älter als 50 Jahre. Bei den Kindern gab es sechs Fälle von einer Meningoenzepha-litis (n=5) oder Enzephalomyelitis (n=1). Insgesamt entwickelten sechs Patienten die schwersten FSME-Verlaufsformen, Enzephalomyelitis beziehungsweise Enzephaloradikulitis. Angaben zu nicht erkannten FSME-Infektionen gibt es nicht, da sich besonders im Kindesalter eine Infektion oft als unspezifische Virusinfektion mit den Symptomen einer Sommergrippe präsentiert. Damit ist auch eine Schätzung nicht möglich.

Die Inkubationszeit beträgt acht bis zehn Tage, kann sich aber bis zu drei Wochen ausdehnen. Beim Großteil der Patienten verläuft die Infektion inapparent. Die Manifestation mit grippeähnlichen Symptomen lässt nicht sofort auf eine FSME-Erkrankung schließen. Grundsätzlich ist das Virus in dieser Phase jedoch bereits mittels Polymerase-Ketten-Reaktion-Test (PCR-Test) nachzuweisen. Typisch ist der biphasische Krankheitsverlauf. Bei 10 Prozent der Patienten mit grippaler Symptomatik folgt nach einer kurzen Zeit der Besserung von etwa ein bis drei Wochen eine zweite Erkrankungsphase nun mit neurologischer Beteiligung. Die Verteilung von neurologischen Krankheitsbildern ist wie folgt: aseptische Meningitis bei 50 Prozent der Patienten, Meningoenzephalitis bei etwa 40 Prozent, Meningoenzephalomyelitis bei etwa 10 Prozent. In etwa ein bis zwei Prozent der FSME-Fälle mit neurologischer Symptomatik verläuft letal. Etwa zwei Drittel der Patienten, bei denen eine neurologische Komplikation im Rahmen der FSME auftritt, tragen Langzeitschäden davon auch trotz Neurorehabilitation. Grund ist eine irreversible Zerstörung der Nervenzellen. Bei Kindern verläuft die Infektion meist deutlich harmloser als bei Älteren. Die Regenerationsfähigkeit ist im Kindesalter wesentlich besser als bei älteren Patienten. Aber aus Studien ist bekannt, dass auch bei Kindern kognitive Defizite zurückbleiben können. Es zeigt sich somit, dass bei dieser Bevölkerungsgruppe ein erhöhter Motivationsbedarf für die Impfung besteht, dies auch vor dem Hintergrund, dass die Impfintervalle ab einem Alter von 60 Jahren nur noch drei Jahre betragen. In diesem Jahr sollten sich somit aus der Gruppe 60+ all jene impfen lassen, die das letzte Mal 2015 geimpft wurden.

Kinder auffällig oft betroffen

Neben der Gruppe der älteren Menschen gilt es auch im Hinblick auf Kinder weiterhin wachsam zu sein. Auffällig oft waren diesmal auch Kinder unter 15 Jahre betroffen (17 Prozent). Nur 40 Prozent der unter Dreijährigen sind nach aktuellem Stand geimpft, obwohl es spezielle und gut verträgliche Kinder-Impfstoffe gibt. Der Impf-plan Österreich empfiehlt die Impfung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Vorübergehende Rötungen und Schwellungen an der Impfstelle oder Fieber sind meist harmlose und auch normale Redaktionen des Immunsystems. Generell gilt die FSME-Impfung als eine der am besten untersuchten Impfungen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2020