Colitis ulcerosa: Sekundärmanifestation möglich

10.11.2020 | Medizin


Ebenso wie bei M. Crohn kommen bei der Behandlung der Colitis ulcerosa Immunsuppressiva zum Einsatz; die Erstlinientherapie stellen jedoch Biologika dar.  Ist ein chirurgischer Eingriff erforderlich, kann es trotz Kolektomie zur sekundären Manifestation der Erkrankung in anderen Organen wie Haut, Leber oder Augen kommen.
Laura Scherber

Ebenso wie bei Morbus Crohn gibt es auch bei Colitis ulcerosa entsprechende Warnhinweise, die auf einen schwereren Verlauf hindeuten: extensiver Befall (Pancolitis), fehlende CRP-Erhöhung bei der Erstmanifestation, Kortisonbedarf. „Diese Patienten muss man frühzeitig in eine gute Remission bringen, da sie ein höheres Risiko für schwerere Entzündungen, einen schwereren chronischen Verlauf und auch ein höheres Karzinomrisiko haben“, unterstreicht Univ. Prof. Harald Vogelsang von der Universitätsklinik für Innere Medizin III am Wiener AKH. Die Ziele sind daher, Durchfälle und blutigen Stuhl zu verhindern, normale CRP- und Calprotectin-Konzentrationen sowie eine vollständige Remission in der Koloskopie. Dabei verfolgt man hier – ebenso wie auch bei M. Crohn – den Grundsatz, bei mehr als zwei Schüben innerhalb von sechs Monaten mit der Immunsuppression zu beginnen. Zwar werden auch hier Azathioprin und 6-Mercaptopurin weiterhin eingesetzt, jedoch stehen die Biologika Infliximab, Adalimumab, Golimumab und Vedolizumab als Erstlinientherapien im Vordergrund. Kortison dürfe auf keinen Fall länger als acht bis zwölf Wochen gegeben werden, allerdings nicht wegen der potentiellen Nebenwirkungen. „Es geht vielmehr darum, dass die Entzündung, wenn dauernd Kortisonbedarf besteht, nicht abgeheilt ist, was zu morphologischen Veränderungen des Dickdarms und irgendwann zur Funktionsunfähigkeit führen kann“, resümiert der Experte.

Der Einsatz der Lokaltherapie bei Colitis ulcerosa richtet sich danach, ob eine Pancolitis, eine linksseitige Colitis und/oder eine Proktitis vorliegt. Bei der Proktitis ulcerosa, bei der nur das Rektum befallen ist, kommen Mesalazin-Zäpfchen zum Einsatz. Im Gegensatz zu Morbus Crohn wirken Mesalazine bei Colitis ulcerosa „hervorragend“ (Vogelsang), wenn sie frühzeitig eingesetzt werden. Kombinationen mit oralen Mesalazinen kommen ebenfalls zur Anwendung. Bei der linksseitigen Colitis werden vor allem orale Mesalazine mit Mesalazin-Klysmen kombiniert. Im Rahmen der Pancolitis werden diese Klysmen hingegen eher additiv bei akuten Schüben mit leichten bis moderaten Verläufen eingesetzt. Ist das gesamte Kolon befallen mit schweren Schüben, blutigen Stühlen und erhöhtem CRP, ist eine Immunsuppression indiziert.

Meist mehrzeitige Operationen

Ein chirurgischer Eingriff ist erforderlich, wenn akute Komplikationen bei einer schweren Colitis auftreten, es zu Blutungen kommt, die Patienten toxisch werden oder die konservative Behandlung nicht wirkt, nicht vertragen wird und auch dann, wenn der Betroffene einen chirurgischen Eingriff wünscht. „Essentiell ist es, den Betroffenen früh über den Krankheitsverlauf zu informieren, ihn einzubinden und auch regelmäßig Kontakt mit ihm zu halten“, betont Herbst. „Momentaufnahmen reichen hier nicht aus“. Eine lebensbedrohliche Situation ist das toxische Megakolon, das bei Versagen der konservativen Therapie mittels Kolektomie behoben wird. Durch die defekte Darmschleimhaut gelangen Toxine ungehindert aus dem Darm in den Körper; durch die Lähmung der Darmmuskulatur kann das Kolon im Extremfall reißen.

Bei einer Akutoperation wird das gesamte Kolon – vom terminalen Ileum bis inklusive Sigma – entfernt (Kolektomie). Die Patienten bekommen dann ein endständiges Ileostoma. Das Rektum wird nicht entfernt und nach Notwendigkeit mit Zäpfchen oder Kysmen in der weiteren Phase behandelt. Allerdings bleibt das Rektum laut Herbst in den meisten Fällen leider nicht langfristig erhalten, da es in der Regel am meisten betroffen ist. Trotz der Entfernung des Kolons kann es zur sekundären Manifestation der Erkrankung in anderen Organen wie Haut, Leber oder Augen kommen. Bei der akuten Kolektomie erhalten die Betroffenen nicht unmittelbar einen ileoanalen Pouch, sondern werden nach der notwendigen Erholung – frühestens nach drei Monaten – neuerlich operiert. „Das endständige Ileostoma ist natürlich am unbeliebtesten, weil die Veränderung im Körperbild am größten ist“, führt Herbst aus. Für den ileoanalen Pouch, also der am Analkanal anastomisierten Reservoir-Konstruktion, werden mehrere Operationen benötigt, um das langfristig größte Risiko, die Fistelbildung, bestmöglich zu verhindern. Muss bei Patienten in seltenen Fällen der Sphinkter aufgrund eines Rektum-Karzinoms komplett entfernt werden, kann aus dem Ileostoma ein Kock-Pouch gebildet werden.

Bei der akuten Indikation gibt es drei Operationen zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten: 1) die Kolektomie, 2) die Entfernung des Rektums, Pouch-Anlage und protektives Ileostoma sowie 3) den Verschluss des Ileostoma. Diese Vorgangsweise ist Herbst zufolge mit einigen Vorteilen assoziiert:

  • Die Kolektomie löst das Akutproblem und vermeidet einen komplexen Beckeneingriff;
  • Durch Erhalt des Rektums wird das bei Männern höhere Risiko für Verletzung der vegetativen Nerven und konsekutive Beeinträchtigung der Harnblasenfunktion sowie der Potenz reduziert;
  • da sich bei einem Teil der Patienten herausstellt, dass die Diagnose aufgrund der Biopsie in der Koloskopie falsch war und anstelle der Colitis ulcerosa ein Morbus Crohn vorliegt, löst man diese differentialdiagnostische Schwierigkeit.

Die Ileumpouch-Operation wird elektiv und zweizeitig (unter Stomaschutz) durchgeführt.

Am häufigsten: iIeoanaler Pouch

„90 Prozent aller Patienten, die einen ileoanalen Pouch erhalten, haben diesen auch noch nach zehn Jahren. Außerdem sind die Erfolgsaussichten bei Jungen ebenso gut wie die bei Betagten“, berichtet Herbst. Hat jemand vor der Operation einen klinisch normalen Schließmuskel, sollte er mit dem Pouch gut zurechtkommen. Wichtig ist, auf eine umfangreichere Analhygiene und Hautpflege zu achten, da die höhere Menge von Gallensäuren und Proteasen im maximal breiigen Stuhl die dünne Haut im Analbereich angreift. Gleichzeitig wissen viele Betroffene, welche Nahrung nicht so gut vertragen wird. Mit einem Pouch sind vier bis sechs Entleerungen innerhalb von 24 Stunden üblich, was eine deutliche Reduktion im Vergleich zur aktiven Colitis ulcerosa mit häufig zehn bis 20 Darmentleerungen pro Tag darstellt. Dennoch benötigen einige Betroffene zusätzliche Medikamente zur Verlangsamung der Darmtätigkeit. „Es besteht immer ein großer Vorbehalt bezüglich Loperamid“, weiß Herbst. Allerdings spreche nichts dagegen, Loperamid bei Bedarf einzusetzen, da es mit einer moderaten Dosis die Stuhlfrequenz um ein bis drei Entleerungen pro 24 Stunden reduziere. Eine generelle Komplikation stellt die Pouchitis dar. Diese schubartigen Entzündungen im Pouch treten meist nur einmal in den ersten ein bis zwei Jahren nach der Operation auf. Bei einem sehr kleinen Teil – etwa fünf Prozent von denen, die einen Pouch bekommen und eine Entzündung entwickeln – wird die Pouchitis chronisch und muss wie die ursprüngliche Colitis ulcerosa behandelt werden.

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2020