Standpunkt Johannes Steinhart: Verrechnet

10.03.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK

© Gregor Zeitler

Vermutlich würden die meisten Menschen Mathematik nicht unbedingt als eine besonders kreative Angelegenheit einstufen. Doch die jüngsten Wochen und Monate haben uns alle eines Anderen belehrt. Mit viel Kreativität wurde die sogenannte „Patientenmilliarde“ erst herbeigerechnet und nun, da sie im Dickicht der Finanzgebarung der Österreichischen Gesundheitskasse nicht mehr aufzufinden ist, wird errechnet, dass ein Teil ja über Umwege schon geflossen sei und sich der Rest angeblich wegen der Ärztehonorare nicht mehr ausgehe. Während man sich in derart falschen und fahrlässigen Rechenspielen ergeht und bei der sozialen Gesundheitsversorgung weiter einsparen möchte, verbessert sich die ernste Lage im österreichischen Kassensystem natürlich kein Stück. Hauptsache aber, man hat den Schwarzen Peter von sich weggeschoben. Doch die Ärzteschaft wird auf keinen Fall hinnehmen, als Sündenbock die Rechnung für die außer Kontrolle geratenen Fusionskosten und die dazugehörigen Beraterhonorare zu bezahlen. Wer das glaubt, hat sich einmal mehr verrechnet.

Anstatt die Kassentätigkeit hierzulande attraktiver zu machen, wird gleichzeitig noch versucht, den Mangel an Kassenärzten wegzurechnen. Besonders negativ hervorgetan hat sich hier die Gesundheitsplanung in der Steiermark für den Bezirk Liezen mit der Rechnung „3 ist gleich 5“. Drei Ärzte, die in Primärversorgungseinheiten tätig sind, sollen genauso versorgungswirksam wie fünf Einzelordinationen sein. Daher seien im flächenmäßig größten Bezirk Österreichs weniger Planstellen notwendig. So eine Gleichung ist natürlich ein Schlag ins Gesicht aller Ärztinnen und Ärzte mit Einzelordination und würde außerdem die wohnortnahe Versorgung verschlechtern. Ob der speziellen Situation des Bezirks mit seiner weitläufigen Ausbreitung und dem Stellenwert des Wintertourismus Rechnung getragen wurde, ist mehr als fraglich. Das neue Berechnungsmodell hat man jedenfalls still und heimlich wieder zurückgezogen.

Zum Abschluss noch ein Wort in eigener Sache: Ein großer Wissenschaftler, der sein Handwerk und den Umgang mit Zahlen verstanden hat wie kaum ein Zweiter, ist leider viel zu früh von uns gegangen. Professor Leo Chini hat sich nicht nur große Verdienste um die Ärzteschaft erworben, die fehlen werden, auch persönlich ist sein Tod ein schwerer Verlust. Ich spreche seiner Familie und seinen Freunden mein tiefstes Beileid aus.

Dr. Johannes Steinhart
Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2020