Standpunkt Herwig Lindner: Wertschätzung

25.05.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK

© Bernhard Noll

„Helden der Pandemie“ – so werden die im Gesundheitswesen Tätigen nun oft bezeichnet. Für viele Ärztinnen und Ärzte ist diese Begrifflichkeit fast befremdlich. Wir sehen uns nicht als Helden, wir erfüllen verantwortungsvoll und engagiert unseren Job.

Wir konnten in Österreich die Zahl der Verstorbenen vergleichsweise niedrig halten. Das ist vor allem dem couragierten Einsatz der Kolleginnen und Kollegen in den Spitälern und im niedergelassenen Bereich zu verdanken.

Es ist nun an der Zeit, die Situation ungeschminkt zu betrachten. Der über zehn Wochen dauernde Ausnahmezustand im Gesundheitswesen war für viele von uns kräftezehrend. Neben schwierigen Einsätzen in Schutzkleidung und der ständigen Gefahr, selbst zum Überträger werden zu können und damit Patientinnen und Patienten zu gefährden, wurden auch Dienstpläne umstrukturiert. Während einige Kolleginnen und Kollegen im Spital an vorderster Front gearbeitet haben, wurden andere nach Hause geschickt. Nachtdienste wurden gestrichen und weniger Sondergebühren ausbezahlt. Neben dem finanziellen Verlust stellt sich zudem die Frage, wie sich der kontinuierliche Abbau der verschobenen Operationen zukünftig auf die Arbeitsbelastung und Arbeitsdichte auswirken wird.

Ärztinnen und Ärzte schränkten zum Schutz von Personal und Patienten die Ordinationstätigkeit ein, Hausärzte übernahmen telemedizinische Aufgaben. Viele waren auch als Epidemieärzte, die SARS-CoV-Infizierte zu Hause betreuten, aktiv. Wahlärzte mussten ihre Tätigkeit zum Teil aufgrund von Frequenzeinbrüchen komplett einstellen. Während die ÖGK für die Kassenärzte Unterstützung zugesagt hat, fühlt sich niemand für Wahlärzte zuständig. Mieten, Gehälter für Angestellte und Kredite für Praxisgründungen und medizinische Infrastruktur laufen aber weiter. Dem steht nur ein unzureichendes oder gar kein Einkommen gegenüber.

Wir sprechen schon darüber und fügen hinzu: All die Ärztinnen und Ärzte, aber auch andere Gesundheitsberufe, die zusammenhalten, um die SARS- CoV-2-Krise zu bewältigen, die ihre Patienten versorgen, unter oft schwierigen Bedingungen, sind die Heldinnen und Helden dieser Pandemie.

Alle Ärztinnen und Ärzte, die auch während der Corona-Krise die Patientenversorgung auf ihre Weise, jedenfalls aber unter widrigen Bedingungen, aufrechterhalten haben, haben als wichtigste Leistungsträger in der Gesundheitsversorgung neben der ideellen auch eine finanzielle Anerkennung verdient. Keinesfalls dürfen sie unter Verlusten leiden. Jene, die existentiell gefährdet sind, müssen vom Staat aufgefangen werden. Unsere Gesundheitsversorgung muss stark bleiben, um auch für zukünftige Herausforderungen gewappnet zu sein.

Dr. Herwig Lindner
1. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2020