Standpunkt Harald Mayer: Krise als Chance nutzen

10.06.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK

© Gregor Zeitler

In den vergangenen Wochen ist im Gesundheitsbereich kein Stein auf dem anderen geblieben. Termine und Operationen wurden verschoben, elektronische Rezepte erstellt. Ärzte haben ihre Patienten telefonisch beraten, Dienstpläne von Spitalspersonal, gesamte Abteilungen und Krankenhauseinheiten wurden umstrukturiert und Ambulanzen tatsächlich nur mehr im Notfall von Patienten aufgesucht. Es gibt einige Punkte, die für die Zukunft beibehalten werden sollten. Wir können aus der Pandemie lernen und wir sollten nicht wieder in das übliche Fahrwasser zurückkehren. Die Krise hat uns gezeigt, wie wir schonend mit der ärztlichen Ressource umgehen können.

Das ist ein Balanceakt. Patienten haben sich in den vergangenen Monaten weniger von Ärzten untersuchen lassen. Ein Beispiel: Im März hat sich die Anzahl der in österreichischen Spitälern mit Herzinfarkt aufgenommenen Patienten um rund 40 Prozent verringert. Es ist möglich, dass die Zahl der Herzinfarkte heuer tatsächlich gesunken ist. Doch es kann auch ein Hinweis darauf sein, dass manche Patienten Symptome nicht wahrhaben wollten, um nicht während einer Pandemie einen Arzt zu brauchen oder ins Spital zu müssen. Vielleicht aus Angst, aber vielleicht auch mit dem Motiv, das Gesundheitssystem in diesen Zeiten nicht belasten zu wollen. Doch auch während einer Pandemie sind Spitalsärzte für die Patienten da. Egal, ob Tag oder Nacht, ob unter der Woche oder an Sonn- und Feiertagen: Die Versorgung in den Spitälern war durchgehend garantiert. Jeder Patient, der Hilfe benötigt, hat sie und wird sie im Spital erhalten. Denn jeder Patient wird versorgt.

Die wesentliche Frage ist vielmehr eine Frage der Verteilung. Wie soll die ärztliche Ressource sinnvoll verwendet werden? Wichtig ist eine möglichst wohnortnahe Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, so niederschwellig wie möglich. Ein Stufensystem für Patienten ist ein Konzept, das sowohl den Patienten, als auch den Ärzten zugutekommt. Denn nicht jeder Patient muss sofort ins Spital kommen. Das ist für Patienten angesichts der Wartezeiten nicht zufriedenstellend und für Spitalsärzte bedeutet es eine Arbeitsverdichtung, die nicht notwendig wäre. Telefonische Beratungen, wie sie in den vergangenen Wochen praktiziert wurden, sollten auch in Zukunft möglich sein, auch eine Gesundheitsnummer wie 1450 trägt ihren Teil zum Gesamtsystem bei. Es gilt, schonend mit der ärztlichen Ressource umzugehen.

Dr. Harald Mayer
3. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2020