Spitalskonzepte: Modern und innovativ

10.10.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Dänemark hat beim Umbau seiner Spitäler auf eine patienten- und zukunftszentrierte Architektur und digitale Anwendungen gesetzt, in Deutschland werden atmosphärische Elemente in der Delirprävention verwendet: Der Gesundheitskongress des Westens gab einige Einblicke in innovative Spitalskonzepte.
Sophie Niedenzu

Ästhetik. Sinn. Funktionalität. Das waren Schlagworte, die beim Gesundheitskongress des Westens in Köln fielen, nämlich im Zusammenhang damit, wie Spitäler der Zukunft aussehen. Wie lässt sich ein Krankenhaus modernisieren? Welche Herausforderungen gilt es zu bewältigen mit Blick auf Demografie, Ressourcenmangel, Digitalisierung und Nachhaltigkeit? Welche Konzepte gibt es in Spitälern, medizinisch State-of-the-Art zu sein, bei gleichzeitiger Effizienz in der Arbeit und optimaler Patientenversorgung?

Es sei ein zu enger Blickwinkel, wenn Konzepte immer nur augrund von Finanzierung, Rationalisierung und Kostensenkung entstünden, betonte Bernd Mühlbauer. Er lehrt Betriebswirtschaftslehre an der Westfälischen Hochschule, sein Schwerpunkt ist Management im Gesundheitswesen. Innovationen im Spitalswesen würden mit der Architektur der Häuser beginnen. Das heißt: unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit sinnvolle Materialien zu wählen, Wege und Prozesse zu optimieren, eine gesundheitsfördernde Innen- und Außengestaltung mit Hilfe von Grünflächen umzusetzen und die Zufriedenheit nicht nur bei Patienten und Angehörigen, sondern auch bei den Mitarbeitern mit einem Gesamtprojekt zu erhöhen. Welchen Einfluss hat die Gestaltung der Patientenzimmer auf den Heilungsprozess? Wir wirkt sich ein Gesamtkonzept auch auf die Mitarbeiter aus? In seinen einleitenden Worten verwies Mühlbauer etwa auf Studien, die gezeigt haben, dass die Verweildauer im Krankenhaus sich unter anderem dadurch verkürze, wenn Patienten einen Blick ins Grüne haben oder die Räume gute Lichtverhältnisse bieten. Innovationen in Krankenhäusern würden nicht nur dem Patienten zugutekommen, sondern auch helfen, dass sich Mitarbeiter mit dem Arbeitsplatz besser identifizieren. Damit ließe sich auch zu große Personalfluktuation vermeiden, betonte Mühlbauer.

Healing Architecture

Das Spitalswesen umfangreich reformiert hat Dänemark. Ziel der Reform war eine Zentralisierung durch den Bau von sogenannten „Superkrankenhäusern“, die medizinische Spezialversorgung bieten. Die Anzahl der Krankenhäuser in Dänemark wurde deutlich reduziert, neben sieben Superkrankenhäusern dienen noch manche als Untereinheiten in der Grundversorgung. Viele Patienten werden ambulant behandelt, jene, die stationär aufgenommen werden, erhalten ein Einzelzimmer. Das gilt als Standard für alle Patienten. Der Bau dieser Superkrankenhäuser kostet Dänemark zwischen einer halben bis einer Milliarde Euro, insgesamt hat das Land 5,4 Milliarden Euro bereitgestellt. So wurde das Uniklinikum Aarhus in seiner Größe mehr als verdoppelt, gebaut sei es wie eine Stadt, in deren Zentrum sich ein Park befindet: „In der Umsetzung wurde hier auf eine Healing Architecture als zentraler Bestandteil der Strategie für Effizienz Wert gelegt“, erzählt der Architekt Julian Weyer. Im Fokus stünden patientenzentriertes Denken und zukunftsgerichtete Flexibilität. Es seien Pavillonstrukturen umgesetzt worden – mit kurzen Wegen durch viele dezentrale Eingänge neben dem Haupteingang. Damit hätten Patienten einen rascheren Zugang zu den spezialisierten Einheiten. Die Bauweise der einzelnen Bereiche lasse eine flexible Verwendung zu: Patientenabschnitte haben den gleichen Querschnitt wie OP-Abschnitte, zudem sind alle Bereich mit Tageslicht versorgt: „Damit können die Bereiche wandern und alle sind potentiell zukünftige Primärbereiche“, sagt Weyer.

Die Organisation der großen Krankenhäuser wird digital unterstützt: So lokalisiert ein digitales Bettenmanagement freie Betten, steuert die Reinigung und Desinfektion sowie Wartungsprozesse. Auch Materialflüsse, tatsächlich benötigte Hilfsmittel oder medizintechnische Systeme werden digital analysiert. Die Ergebnisse fließen in die Kapazitätsplanung und Bevorratung mit ein. Bei Eintreffen eines Patienten sind die im Rettungswagen aufgenommenen diagnostischen Paramater bereits in der Klinik registriert und die behandelnden Ärzte in der Notaufnahme informiert. Insgesamt spielt die Digitalisierung im Spitalskonzept in Dänemark eine große Rolle. So wurde dort vor bereits 17 Jahren die elektronische Patientenakte umgesetzt.

Diese ist auch in Österreich Thema. Denn seit Jahren fordert die Österreichische Ärztekammer ein zuverlässiges elektronisches Befundübermittlungs- und archivierungssystem. Eines, das für Ärzte benutzerfreundlich ist und die Arbeit erleichtert. „e-Health-Anwendungen sind generell zu begrüßen, wenn sie auf den Arbeitsablauf der Ärzte Rücksicht nehmen und zeitsparend sind“, sagt Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Digitale Anwendungen müssten sowohl für den Arbeitsablauf als auch für die Versorgung der Patienten Vorteile bieten, ohne dabei zu mehr Bürokratie zu führen. Wichtig sei zudem, dass die Ärzteschaft eingebunden werde, wenn es um die Digitalisierung in der Medizin geht: „Das medizinische Personal weiß am besten, welche Arbeitsprozesse digital unterstützt werden können und welche nicht“, sagt Mayer. Man dürfe bei der Digitalisierung nicht vergessen, dass es sich um Gesundheitsdaten handle: „Gerade diese Daten sind besonders heikel und im Visier von Cyberkriminellen, die sich in medizinische Geräte oder Krankenhausinformationssysteme hacken“, gibt Mayer zu bedenken. Hohe Bandbreiten würden es möglich machen, riesige Datenbestände in kurzer Zeit zu stehlen und zu durchsuchen, wenn diese nicht gesichert seien.

Keine Angst vor Innovationen

Während Dänemark auf Großprojekte setzt, ganze Krankenhäuser neu baut und modernisiert, sind innovative Konzepte auch in kleineren Einheiten erfolgreich, wie Marc Achilles, Anästhesist und ärztlicher Direktor am Marien-Hospital im nordrhein-westfälischen Wesel am Kongress berichtete. Atmosphärische Aspekte auf medizinischer Basis werden dort in der Delirprävention angewendet. Es sei bekannt, dass Stress und Desorientierung bei Patienten zu einer kognitiven Dysfunktion führen, die Dauer des Krankenhausaufenthaltes erhöhe sich durch ein Delir, ebenso die Sterblichkeit. Im Sinne der Delirprävention und einer schnellen Regeneration nach einer Operation setzt Achilles auf drei Komponenten: eine Lichttherapie für den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus, umsichtige Medikation und Lärmreduktion. Ein artifizieller Himmel mit LEDs unterstützt den zirkadianen Rhythmus und Alarme durch die medizinischen Geräte würden nach außen geleitet werden und seien so im Patientenzimmer nicht hörbar. Mit wenig Aufwand könnten so Innovationen die Intensivmedizin revolutionieren und den Stress bei Patienten im Sinne einer Delirprävention minimieren.

Deutschland hat vor kurzem einen Krankenhauszukunftsfonds beschlossen, um Anreize zu schaffen, Krankenhäuser moderner und digitaler zu gestalten. Der Fonds soll als Investitionsschub dienen, um Notfallkapazitäten nachzurüsten und Abläufe in Kliniken zu verbessern – etwa die digitale Vernetzung auf den Stationen oder auch die elektronische Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen. Zudem plant Deutschland, den generellen Stand der Digitalisierung in den Kliniken in den nächsten Jahren zu evaluieren. Auch in Österreich müsse darüber nachgedacht werden, Spitäler zu modernisieren, betont Mayer. Neben den Arbeitsbedingungen sei es wichtig, keine Angst vor Innovationen zu haben und sich Konzepte zu überlegen, die nicht nur das Patientenwohl, sondern auch das Wohl der Spitalsmitarbeiter erhöhen.

Wohnortnahe Versorgung

Der Ausbau der ambulanten Versorgung, wie sie etwa in Dänemark umgesetzt wurde, steht auch in Österreich auf der Agenda. So haben die Gesundheitsökonomen Maria Hofmarcher und Christopher Singhuber jüngst gefordert, die ambulante Versorgung durch mehr Kassenverträge auszubauen und Anreize für eine breite Primärversorgung zu schaffen. Die wohnortnahe Versorgung durch niedergelassene Ärzte und der Ausbau der Primärversorgung sind im Regierungsprogramm verankert. „Wenn die wohnortnahe Versorgung sichergestellt ist, können sich Spitäler wieder auf ihre Kernaufgabe konzentrieren“, sagt Mayer. Es müsse die Balance gelingen, dass Patienten – außer zu Notfällen – einen Allgemeinmediziner oder Facharzt konsultieren, anstatt in die Ambulanz zu kommen, aber gleichzeitig ihre Gesundheit nicht vernachlässigen. „Es sollte niemand wegen eines Zeckenbisses oder Halsweh in der Ambulanz landen, gleichzeitig dürfen aber Symptome von ernsthaften Erkrankungen nicht ignoriert werden, wie etwa von einem Herzinfarkt“, sagt Mayer. Für das optimale Gesundheitssystem sei es daher sinnvoll, dass österreichweit freiberufliche Ärzte in Behandlungseinheiten vor oder in den Spitälern arbeiten, wie das etwa im Burgenland der Fall sei.

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2020