Spitäler: Entlasten statt belasten

15.07.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Modelle und Ideen gibt es viele, wie Patienten optimal versorgt werden können, dabei aber gleichzeitig auch die Ambulanzen und damit die Spitalsärzte entlastet werden können. Ein Blick nach Sachsen.
Sophie Niedenzu

Es seien zwar viele, aber aufgrund des Ansturms bereits zu wenige: Die Patientenservicenummer 116117 verfüge in Sachsen über 50 Leitungen, die dem hohen Andrang aber nicht entsprechen würden. So lautet das Resümee von Erik Bodendieck, Präsident der sächsischen Landesärztekammer. Grundsätzlich funktioniere das Triagemodell durch die Hotline, an deren Leitungsende medizinisch geschultes Personal abhebe und ein Arzt jedenfalls in der Nähe verfügbar sei, sehr gut. Und die sogenannte „Nummer mit den Elfen“ kann vieles: Als Terminservicestelle vermittelt sie Patienten Facharzttermine. Sachsen gilt hier als Vorreiter, mittlerweile ist die Terminvermittlung deutschlandweit etabliert. An den Randzeiten hingegen koordiniert die Telefonhotline den ärztlichen Bereitschaftsdienst. „Unser primäres Ziel ist, die Notaufnahmen tatsächlich dauerhaft zu entlasten“, sagt Bodendieck. Dazu gehören neben der Hotline 116117 auch Arztpraxen, die den Krankenhäusern vorgelagert sind. In der sächsischen Stadt Wurzen sei bereits seit 1992 eine kleine Sprechstundenpraxis beim Krankenhaus angesiedelt. „Es hat schon immer eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus und den niedergelassenen Ärzten gegeben und das Modell ist den Patienten hinlänglich bekannt“, erzählt er. Die allgemeine Akzeptanz sei allerdings nicht immer so hoch gewesen: „Als ich im Rahmen der Jahreshauptversammlung des Hartmannbundes vor 24 Jahren das Modell präsentiert habe, bin ich fast mit faulen Tomaten von der Bühne gejagt worden“, erinnert sich Bodendieck. Heute werde das System jedoch in den höchsten Tönen gelobt: „Der massive Gegenwind ist gewichen und jene Kollegen, die in so einem Modell arbeiten, sind damit sehr zufrieden.“ Noch würden die Evaluierungen fehlen, aber: „Wir haben den Eindruck, dass die Triage die Notaufnahmen entlastet, genaue Zahlen erwarten wir uns in den nächsten ein, zwei Jahren“, sagt er.

Sachsen gelte zwar als Vorreiter, doch auch dort seien die vorgelagerten Notfallpraxen nicht in allen Krankenhäusern etabliert. Das sei laut Bodendieck aber auch nicht notwendig, nicht zuletzt aufgrund der in Sachsen gut aufgestellten Krankenhausstruktur. „Das anreizorientierte Abrechnungssystem führt aber auch dazu, dass Krankenhausträger die Patienten auch in der Notaufnahme benötigen, weil sie dann in weiterer Folge oft auch stationär aufgenommen werden und so Betten belegt werden“, sagt Bodendieck.  Das sei die zweite Seite der Medaille: „Dieser ökonomische Druck mit dem Abrechnungssystem geht zulasten der Spitalsärzte. Wir müssen hier insgesamt auch an anderen Schrauben drehen, um die Patientenströme zu lenken.“ Eine weitere Entlastung der Spitalsärzte sei durch die auch in Deutschland vieldiskutierte Übertragung von Aufgaben an nichtärztliche Berufe möglich. „Um nichtärztlichen Fachberufen mehr Kompetenzen zu geben, ist aber auch eine tiefgründigere Ausbildung notwendig“, betont Bodendieck.

Grundlage allen Übels

Auch die Österreichische Ärztekammer plädiert schon seit längerem für vorgelagerte allgemeinmedizinische Akutordinationen und mehr freiberufliche Strukturen in bzw. in der Nähe von Kliniken. „Das funktioniert regional sehr gut, doch wir benötigen diese Triage vor den Ambulanzen flächendeckend in ganz Österreich“, sagt Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Wie in anderen Ländern sei das Ziel, auch in Österreich die Ambulanzen zu entlasten. Neben vorgelagerten Strukturen sei auch zu überlegen, die Gesundheitshotline 1450 weiter auszubauen. „Dazu gehört aber auch eine Qualitätssicherung, eine entsprechende Schulung der Mitarbeiter und Transparenz darüber, auf welcher Basis Entscheidungen getroffen werden“, sagt der ÖÄK-Vizepräsident.

Letztendlich gehe es in der Frage, wie Patienten optimal versorgt werden, auch darum, die knappen Ressourcen bestmöglich zu nutzen. Die Umfragen unter Spitalsärzten bestätigen, dass neben dem wachsenden Zeitdruck und den steigenden Ambulanzfällen die knappen Personalressourcen zu den am stärksten wahrgenommenen, gravierenden Problemen zählen. „Die Reduktion der Arbeitszeiten war seit Jahren überfällig, aber das Personal wurde nicht entsprechend aufgestockt“, kritisiert Mayer: „Es ist doch vollkommen klar, dass mehr Ärzte notwendig sind, um das Leistungsniveau beibehalten zu können, wenn jeder Spitalsarzt weniger arbeitet.“ Mit dem Mangel an medizinischem Personal kämpft nicht nur Österreich: „Die Grundlage allen Übels ist das personelle Problem,“ bestätigt auch Bodendieck.
 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2020