BKAÄ zum Regie­rungs­pro­gramm: Spi­tä­ler entlasten

25.01.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Wäh­rend einige Punkte im Regie­rungs­pro­gramm von der Bun­des­ku­rie der ange­stell­ten Ärzte begrüßt wer­den, sto­ßen andere auf Unver­ständ­nis.

Sophie Nie­denzu

„Nach­hal­tige finan­zi­elle Absi­che­rung der hohen Qua­li­tät der Gesund­heits­ver­sor­gung“, „bedarfs­ori­en­tierte Aus­bil­dung von Ärz­ten“ und ein „nie­der­schwel­li­ger Zugang zur best­mög­li­chen medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung mit mög­lichst kur­zen War­te­zei­ten“ – das sind einige Schlag­worte, die im neuen Regie­rungs­pro­gramm zu lesen sind. „Wie man­che der durch­aus posi­ti­ven Regie­rungs­ab­sich­ten tat­säch­lich umge­setzt wer­den, wird sich wei­sen“, sagt Harald Mayer, ÖÄK-Vize­prä­si­dent und Bun­des­ku­ri­en­ob­mann der ange­stell­ten Ärzte. Es sei jeden­falls not­wen­dig, dass die Poli­tik Maß­nah­men umsetze, um auch wei­ter­hin die qua­li­ta­tiv hoch­wer­tige Pati­en­ten­ver­sor­gung zu gewährleisten.

Begrü­ßens­wert sei, so der ÖÄK-Vize­prä­si­dent, dass die Regie­rung unter ande­rem die von der öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer gefor­derte Eta­blie­rung von all­ge­mein­me­di­zi­ni­schen Akutor­di­na­tio­nen vor oder hin­ter den Spi­tä­lern zur vor­ge­la­ger­ten Ver­sor­gung ver­an­kert habe. „Wir müs­sen die Spi­tä­ler drin­gend ent­las­ten, und das ist nur mög­lich, wenn auch ent­spre­chende Ange­bote außer­halb der Spi­tä­ler vor­han­den sind“, sagt Mayer. Der erste Weg eines Pati­en­ten sollte zu einem nie­der­ge­las­se­nen All­ge­mein­me­di­zi­ner oder Fach­arzt füh­ren. Daher sei auch der nun­mehr ihm Regie­rungs­pro­gramm geplante Fach­arzt für All­ge­mein­me­di­zin ein Licht­blick, um den Beruf auf­zu­wer­ten, um dem Haus­arzt-Man­gel ent­ge­gen­zu­steu­ern. „Spi­tals­am­bu­lan­zen soll­ten nur in Not­fäl­len und nur dann auf­ge­sucht wer­den, wenn die Ver­sor­gung nicht durch nie­der­ge­las­sene Ärzte erfol­gen kann, so wie es auch im Kran­ken­an­stal­ten­recht (KAKuG) fest­ge­hal­ten ist“, sagt Mayer. Die Zah­len spre­chen für sich: Zwi­schen 2005 und 2018 stieg die Zahl der Ambu­lanz­fälle um 38 Pro­zent, 2018 wur­den 9.018.416 Am-
bulanz­fälle doku­men­tiert. Die Spi­tä­ler zu ent­las­ten und die Gesund­heits­ver­sor­gung sicher­zu­stel­len, seien rich­tige und not­wen­dige Ziele.

Zeit für Ausbildung

Für Unver­ständ­nis bei Mayer sorgt hin­ge­gen die geplante befris­tete Ver­län­ge­rung des Opt-outs: „Die Arbeits­zei­ten von Spi­tals­ärz­ten, die schon jetzt mit höchs­tem per­sön­li­chen Ein­satz die auf­rechte Ver­sor­gung in Zei­ten des Ärz­te­man­gels garan­tie­ren, zu ver­län­gern, ist aber der völ­lig fal­sche Weg.“ Die Arbeits­zeit­re­duk­tion sei aus gutem Grund umge­setzt wor­den. „Es geht sowohl um den Pati­en­ten­schutz als auch um den Schutz von Ärz­ten vor zu lan­ger Arbeits­zeit. Deren Sicher­heit zu gefähr­den, kann nicht ernst­haft Ziel der Regie­rung sein. Eine Ver­län­ge­rung des Opt-out über Juni 2021 hin­aus ist nicht ver­han­del­bar“, sagt er.

Damit Spi­tä­ler öster­reich­weit ohne Opt-out aus­kom­men, müsse daher das Spi­tals­per­so­nal im ärzt­li­chen Bereich auf­ge­stockt wer­den. Denn nicht zuletzt bedeu­tet eine stei­gende Lebens­er­war­tung auch höhere Pati­en­ten-
zah­len und damit eine wei­tere Arbeits­ver­dich­tung. Das wie­derum ver­schärfe auch die Situa­tion in der Arzt­aus­bil­dung, denn für diese benö­tige es vor allem eines: Zeit. Die Aus­bil­dungs­qua­li­tät sei auch der Schlüs­sel, um Abwan­de­run­gen ins Aus­land zu ver­hin­dern. Sie schwankt jedoch laut der aktu­el­len ÖÄK-Aus­bil­dungs­eva­lu­ie­rung sehr stark: Die Gesamt­be­wer­tun­gen nach Schul­no­ten­sys­tem lie­gen in der Basis­aus­bil­dung zwi­schen 1,20 und 3,22, in der all­ge­mein­me­di­zi­ni­schen Aus­bil­dung zwi­schen 1,00 und 4,25 sowie in der Fach­arzt­aus­bil­dung zwi­schen 1,00 und 4,40 „Neben den vor­bild­li­chen Best-Prac­tice-Bei­spiele gibt es lei­der auch einige schlecht bewer­tete Abtei­lun­gen. Ärzte aus­zu­bil­den ist aber kein Hobby, son­dern eine Ver­pflich­tung gegen­über unse­ren Pati­en­ten“, kri­ti­siert Mayer. Wei­ter­hin skep­tisch sieht er die im Regie­rungs-
pro­gramm fest­ge­schrie­bene „kon­ti­nu­ier­li­che Aus­wei­tung des bestehen­den Ange­bots an Plät­zen für das Medi­zin­stu­dium und die anschlie­ßende Ärz­te­aus­bil­dung“. Laut OECD schlie­ßen pro Jahr hier­zu­lande im Schnitt 14,4 Per­so­nen pro 100.000 Ein­woh­ner ein Medi­zin-Stu­dium ab, also etwas mehr als im OECD-Schnitt (13,1). Eine Erhö­hung der Stu­di­en­ab­sol­ven­ten würde auch mehr Res­sour­cen in der Arzt­aus­bil­dung in den Spi­tä­lern benö­ti­gen. Mayer gibt daher zu beden­ken: „Bereits jetzt haben Ober­ärzte aber keine Zeit, sich aus­schließ­lich der Aus­bil­dung jun­ger Ärzte zu wid­men – wie soll das mit noch mehr Ärz­ten in Aus­bil­dung funk­tio­nie­ren?“ Er appel­liert ein­mal mehr an die neue Regie­rung, „gemein­sam mit der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer die gesund­heits­po­li­ti­schen Her­aus­for­de­run­gen zu lösen.“

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 1–2 /​25.1.2020