BKNÄ zum Regierungsprogramm: „Regierungsprogramm allzu oft unkonkret“

25.01.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Die Qualität der Ankündigungen wird an ihrer Umsetzung zu messen sein, sagt Johannes Steinhart, Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte im Interview.

Sind Sie mit der Tendenz des türkis-grünen Gesundheitsprogramms zufrieden?
Das Programm greift zum Teil Forderungen der Ärztekammer auf, beinhaltet aber auch Potenzial für politische Kontroversen, und bleibt allzu oft unkonkret. Die Qualität der Ankündigungen wird an ihrer Umsetzung zu messen sein. Erfreulich klingt zum Beispiel, dass die Gesundheitsversorgung „nachhaltig finanziell abgesichert sein“ soll, und das Bekenntnis zum „Ausbau der flächendeckenden wohnortnahen Versorgung“. Hoffentlich wird das diesmal auch umgesetzt. Für eine wichtige Voraussetzung dafür, nämlich mehr ärztliche Hausapotheken, fehlt leider der politische Wille. Zur angekündig ten Förderung von PVE ist zu sagen, dass nur ein Miteinander von herkömmlichen Arztpraxen, Gruppenpraxen und PVE ein solides Fundament der niedergelassenen Versorgung sein kann.

Die Regierung will den Arztberuf attraktiver machen.
Dass es endlich den Facharzt für Allgemeinmedizin geben wird, ist positiv. Eine „Erweiterung der Vertragsarztmodelle zur Erleichterung der Niederlassung im ländlichen Raum“ wird von uns begrüßt, die Umsetzung sollte im Rahmen der Gesamtverträge erfolgen. Auch die Facharztoffensive inkl. Facharztzentren entspricht unseren Forderungen, auch wenn explizit nur Pädiatrie, Kinderpsychiatrie und Augenheilkunde genannt werden, was zu kurz greift. Generell ist zu fordern, dass bei diesen Projekten die Finanzierung über die Kassen und Länder sichergestellt ist.

Wird ausreichend entschlossen gegen den Ärztemangel vorgegangen?
Die angekündigte „Evaluierung der Zugangsbestimmungen zum Medizinstudium“, Landarztstipendien und ähnliches und die „kontinuierliche Ausweitung“ von Medizinstudienplätzen sind grundsätzlich sinnvolle Schritte. Die vorgesehene Finanzierung des KPJ gehört dringend umgesetzt, wobei die Umsetzung mit einer Ausweitung der Lehrpraxisförderung verbunden sein muss. Insgesamt wird es darum gehen, Ärzte durch attraktive Arbeitsbedingungen in Österreich zu halten.

Die Regierung äußert sich sehr positiv zu E-Health. Ein bisher heikles Thema.
Zu den administrativen Aspekten von E-Health wie E-Impfpass, E-Rezept, E-Befund, E-Transportschein und E-Medikation sind als klare Bedingungen ein hohes Maß an technischer Ausgereiftheit und eine gute Benutzerfreundlichkeit bei gleichzeitigem Datenschutz zu fordern. Dazu müssen die Projekte zuerst mit den Ärzten aufgestellt und die Finanzierung geklärt werden, erst dann ist die IT-Industrie mit der Umsetzung zu beauftragen. Die vorgesehene Umsetzung telemedizinischer Behandlungen ist prinzipiell sinnvoll. Zur „Weiterentwicklung der E-Card als Schlüssel für papierlose Prozesse“ fehlt eine strukturierte E-Health-Strategie, die unter Einbindung der Ärzteschaft erarbeitet werden muss. Und das Vorantreiben der Digitalisierung in Forschung, Diagnose und Behandlung bedarf noch vieler Vorarbeiten.

Wie äußert sich die Regierung zum Thema Sozialversicherungen?
Nur in ein paar Zeilen, was überrascht. Immerhin gibt es ein Bekenntnis zur Selbstverwaltung der SV. Dass es keine Ausweitung von Selbstbehalten für Arztbesuche im ASVG geben soll, ist positiv. Die Regierung wünscht sich auch eine unabhängige Qualitätssicherung. Diese gibt es im niedergelassenen Bereich in Form der ÖQMED bereits. Für die Spitäler fehlt so ein System und es ist sicherlich ein sinnvoller Schritt, eines zu etablieren.

Weitere aus Ihrer Sicht positive Ankündigungen?

Die Etablierung von Anreizsystemen für gesundheitsfördernde Maßnahmen und die Teilnahme an Präventionsprogrammen ist sinnvoll, wenn die Finanzierung gesichert ist und die ärztliche Expertise berücksichtigt wird. Es ist auch erfreulich, dass Parallelexporten von Apotheken der Kampf angesagt werden soll. Ein Thema aus einem anderen Bereich ist die angekündigte Abschaffung der unechten USt.-Befreiung bei Vermietungen an Ärzte, die wir schon lange fordern.

Und weitere Kritikpunkte?
Bei der angekündigten Stärkung der Bundeszielsteuerung ist einmal mehr keine Einbeziehung der Ärzteschaft vorgesehen. Unbefriedigend ist die Unklarheit bei Finanzierungsfragen: Es muss einfach mehr Geld ins Gesundheitssystem, zumindest müsste Österreich anteilig mit Deutschland gleichziehen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.1.2020