Patientenversorgung in Corona-Zeiten: Ausnahmezustand im Spital

25.04.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK, Coronavirus

Eigene Corona-Einheiten, angepasste Dienstpläne, andere Abeitsabläufe: In den Spitälern ist flexibles und rasches Handeln an der Tagesordnung.
Sophie Niedenzu

Ressourcen schonend zu arbeiten bei gleichzeitig maximalem Schutz der Patienten und des Spitalspersonals: Um dieses Ziel zu erreichen, wurden weitreichende Maßnahmen gesetzt: „Das Spitalspersonal leistet derzeit enormes, um alle Patienten in der gewohnt hohen Qualität zu versorgen, sowohl COVID-19-Patienten, als auch alle anderen Patienten, die derzeit ebenfalls auf die medizinische Versorgung angewiesen sind“, betont Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Obmann der Bundeskurie angestellte Ärzte. Es gelte, die Spitäler bestmöglich zu schützen, um auch Ausfälle zu vermeiden. Die getroffenen Vorkehrungen sind umfassend: Besucher sind bis auf wenige Ausnahmen verboten, die Eingänge mit Schleusen und Kontrollen ausgestattet, Dienstpläne flexibel und schnell umstrukturiert und eigene Corona-Abteilungen und Schwerpunktkrankenhäuser gegründet worden. (siehe Interview: Eiko Meister)

Eines davon ist das LK Hollabrunn, das zu einem COVID-19-Schwerpunktkrankenhaus umfunktioniert wurde. Rasch seien Schleusen und Isolierstationen errichtet worden und Patienten ohne COVID-19-Infektion entlassen oder in andere Spitäler transferiert worden, schildert Catharina Lehner, die dort Ärztin in allgemeinmedizinischer Ausbildung ist. Bis auf die Psychiatrie behandeln alle Abteilungen im Krankenhaus ausschließlich Patienten, die mit dem Coronavirus infiziert oder Verdachtsfälle sind. Die Situation sei für das gesamte Team durch die Arbeit im Hochrisiko-Bereich herausfordernd: „Wir geben alle unser Bestes für die Patienten, gleichzeitig müssen wir aber auch unsere Kollegen und unsere Familien vor Ansteckung schützen“, sagt Lehner. Der Alltag habe sich seit der Umstrukturierung massiv verändert: „Das f.ngt bei Sicherheitskontrollen beim Haupteingang an und geht bis zur Sitzordnung beim Mittagessen.“

Die Arbeit sei insgesamt schwieriger planbar geworden, rund um die Betreuung von Corona-Patienten würden sich ständig neue Fragen ergeben. „Die Übergaben dauern deutlich länger, weil wir dabei immer wieder über Verbesserungsmöglichkeiten im Arbeitsablauf diskutieren. Auch in der Arbeit mit den Patienten hat sich vieles geändert: Patientenkontakt wird so kurz wie möglich gehalten“, erzählt sie. Schutzausrüstung sei am LK Hollabrun derzeit (Stand 7. April) ausreichend vorhanden, ebenso die Beatmungsgeräte. „Ausschlaggebend sind aber nicht unbedingt die Maschinen, sondern die Ärzte und das Pflegepersonal, die diese Geräte bedienen. Dieser Faktor Mensch bei der Behandlung von Corona-Patienten kommt für mich in der Öffentlichkeit zu kurz“, sagt Lehner. Es sei wichtig, dass die Erholungsphasen eingehalten werden, betont auch Mayer: „Die Regeneration darf nicht vergessen werden. Das Spitalspersonal leistet hervorragende Arbeit, aber es darf weder physisch noch psychisch ausbrennen.“ Insbesondere nicht, wenn nun durch das schrittweise Wiederhochfahren der Spitäler der Rückstau an verschobenen Operationen abgebaut werden müsse.

Arztausbildung: Fristen ausgesetzt

In vielen Spitälern, so auch am LK Hollabrunn, wurden die Dienstpl.ne umgestellt, 12-Stunden-Diensträder eingeführt und Teams neu zusammengestellt: „Es wurden beispielsweise Turnuskollegen aus dem Gegenfach wieder zurückbeordert“, erzählt Lehner. Die Ausbildung junger Ärzte in Corona-Zeiten ist derzeit für viele Spitäler eine zusätzliche Herausforderung. Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden daher sämtliche Fristen im Zusammenhang mit der ärztlichen Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der ärztlichen Berufsausübung für die Dauer der Pandemie ausgesetzt. Für Ärzte in Ausbildung hei.t das konkret: Es gibt w.hrend der Pandemie keine Fristen bei der Erfüllung der erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten (KEF-RZ-V) – die Inhalte sollten aber gut dokumentiert werden. „Als Turnusärztin sehe ich die Situation zweischneidig. Einerseits lerne ich viel aus der Arbeit im Hochrisikobereich und kann Erfahrungen sammeln, die ein normaler Krankenhausalltag nicht bietet. Andererseits kommt dadurch aber die Vertiefung in den Fachbereichen für mich manchmal zu kurz, für Fragen abseits von Corona bleibt manchmal zu wenig Zeit“, sagt Lehner. Für ihre Ausbildung sei an sich geplant, in zwei Monaten auf die Urologie am LK Korneuburg zu wechseln und anschließend mit der Lehrpraxis zu beginnen, aber: „Heute kann leider niemand sagen, wie die Situation in den Krankenhäusern in zwei Monaten sein wird und ob dieser Wechsel machbar sein wird.“

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2020