BKNÄ: Interview Johannes Steinhart: Gesundheitskassa „Lässt einiges zu wünschen übrig“

10.02.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Johannes Steinhart, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte analysiert im Interview die Schwachstellen der neuen Gesundheitskasse und schildert, welche Auswirkung auf die Gesundheitsversorgung erwartet.

Es gibt jetzt nicht nur eine neue „Österreichische Gesundheitskasse“, sondern auch eine neue Bundesregierung. Was sind ihre aktuellen Prognosen für die Gesundheitsversorgung?

Überzeugende Anlässe für gehobenen Optimismus drängen sich in diesem Zusammenhang nicht gerade auf. Ob die Österreichische Gesundheitskasse, ein Kernstück der „Kassenreform“ der früheren Bundesregierung, ihre Versprechungen wie eine schlanke Struktur, weniger Bürokratie, eine effizientere Verwaltung und stärkere Patientenzentrierung wahrmachen wird, das bleibt abzuwarten. Angesichts des bürokratischen Giganten, der da wohl im Entstehen ist, habe ich Schwierigkeiten, mir das vorstellen. Und im Gesundheitsteil des Regierungsprogramms wurden zwar viele Forderungen der Ärztekammer übernommen, was uns freut. Allerdings werden dort Fragen der Finanzierung in der Regel nicht einmal gestreift. Das alles lässt aus Ärzte­ und Patientensicht einiges zu wünschen übrig.

Der Reihe nach: Was sind Ihre Vorbehalte gegenüber der neuen Gesundheitskasse?


Erinnern wir uns: Da war von der größten Reform der Zweiten Republik die Rede, Einsparungen in der Verwaltung sollten eine Milliarde Euro in das Gesundheitsbudget spülen. Natürlich steht diese Reform erst am Anfang, aber Medienberichte dazu sind ernüchternd: kostspielige Parallelstrukturen, erstaunliche Budgetüberschreitungen und wenig personelle und inhaltliche Innovation. Bezeichnend ist hier die Aussage der Kassenspitze, an der  hochproblematischen Hausapotheken­Regelung nichts ändern zu wollen. Wer so denkt, der beschleunigt Hausärzte­Mangel und Versorgungs Defizite auf dem Land. Und dazu kommt wohl ein Hang zum Zentralismus, der Schlimmes befürchten lässt.

Inwiefern?

Vor einem Sozialversicherungs­Monolithen, der seine immense Verhandlungsmacht konsequent gegenüber Ärzten ausagiert und über örtliche Besonderheiten einfach zentralistisch drüberfährt, wäre mit Nachdruck zu warnen. Entscheidungen, die eine lokale Expertise erfordern, müssen regional getroffen werden: Das gilt zum Beispiel für den Stellenplan, die Vergabe von Kassenstellen und ein dem regionalen Bedarf angepasstes Leistungsspektrum der Kassenärzte. Im heiklen Bereich der Sozialversicherung darf weder nach machtpolitischen noch nach primär finanziellen Gesichtspunkten agiert werden. Problematisch ist hier auch, dass die Regierung die Bundeszielsteuerung ausbauen möchte, allerdings durch Politiker und Sozialversicherer, aber unter Ausschluss der Ärzte. Die ärztliche Expertise ist unverzichtbar, und wir werden uns jedenfalls zu Wort melden.

Erwarten Sie Impulse für eine positive Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung?


Das Regierungsprogramm bietet solche. Da gibt es ein Bekenntnis zum Ausbau der flächendeckenden wohnortnahen Versorgung und zu deren nachhaltiger finanzieller Absicherung. PVE sollen ausgebaut werden. Auch die „gezielte Offensive für Fachärztinnen und Fachärzte“ inklusive Facharztzentren sehen wir positiv, sie entspricht einer unserer Forderungen, ebenso wie den Facharzt für Allgemeinmedizin, der endlich Realität werden soll. Der Wunsch nach einer Weiterentwicklung des Mutter­Kind­Passes zum Eltern­Kind­Pass bis zum 18. Lebensjahr entspricht einer Forderung der Ärztekammer, der geplante Ausbau präventivmedizinischer Maßnahmen ist zu bejahen. Spannend ist die Frage, woher die Kassen das zusätzliche Geld nehmen sollen, dass die Ausbaupläne der Regierung kosten werden. Denn klar ist: Es muss mehr Geld ins Gesundheitssystem, auch um Innovationen zu finanzieren.

Stichwort Innovation: Die Bundeskurie niedergelassene Ärzte hat einen neuen Leistungskatalog erarbeitet.

Ja, wir haben mit allen Fachgruppen und Bundesländern einen völlig neuen, modernen und den realen Behandlungserfordernissen angepassten Leistungskatalog für alle Kassenärzte erarbeitet. Er soll für ganz Österreich gelten, aber auch genug Raum für die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten lassen. Dieser Katalog von Ärzten für Ärzte ist unser Beitrag zur Kassenreform. ◉

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2020