Interview Josef Riedler: Ärzte in Ausbildung: „Respektvolle Supervision“

25.02.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die Kinder- und Jugendheilkunde am Kardinal Schwarzenberg Klinikum schnitt in der aktuellen ÖÄK-Ausbildungsevaluierung bei der allgemeinmedizinischen Ausbildung sehr gut ab. Ihr Abteilungsleiter, Josef Riedler, spricht über Commitment, Herausforderungen und Schwerpunkte in der Arztausbildung.

Wenn Sie an Ihre eigene Ärzteausbildung zurückdenken – worin bestehen die Unterschiede zu heute?

Bereits im Medizinstudium bestanden große Unterschiede, vor allem in der fehlenden praktischen/klinischen Ausbildung in früheren Jahren. Das Konzept des KPJ ist sicherlich eine sehr geeignete Methode, Studenten auf den praktischen medizinischen Alltag vorzubereiten. In der postpromotionellen Ärzteausbildung habe ich meine Kenntnisse und Fertigkeiten fast ausschließlich durch „learning by doing“ erworben. Dies hat sich in der neuen Ärzteausbildung erfreulich verbessert. Jetzt werden mehr und mehr Methoden wie praxisrelevantes und strukturiertes bedside teaching gefordert und es gibt die Möglichkeit für den Auszubildenden, sich unter persönlicher 1:1 Supervision in einer Lehrpraxis auf die spätere Arbeit vorzubereiten. Ich selber habe aufgrund meiner breiten allgemeinmedizinischen Ausbildung vor der pädiatrischen Facharztausbildung einen sehr guten Überblick über alle medizinischen Fächer erhalten.

Welche thematischen Schwerpunkte in der Pädiatrie sind Ihnen für zukünftige Allgemeinmediziner ein Anliegen?

Die Pädiatrie ist inzwischen ein sehr großes und umfassendes Fach geworden. Daher gilt es für Allgemeinmediziner, den Überblick zu bewahren. Ein detailliertes spezifisches Fachwissen ist nicht zwingend notwendig. Mehr Wert lege ich in der Ausbildung auf das ganzheitliche Management häufig vorkommender akuter und chronischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Zusätzlich sollten sich die angehenden Allgemeinmediziner rechtzeitig mit Impffragen und Präventionsaspekten, wie Verhinderung von Bewegungsmangel und Adipositas auseinandersetzen. Zudem brauchen sie ein umfassendes Verständnis für die Psychosomatik bei Kindern und Jugendlichen.

Welche Herausforderungen in der Ausbildung gibt es, bezogen auf Ihr Fach?

Die größte Herausforderung besteht darin, in nur drei Monaten Ausbildungszeit – was leider für unser großes Fach viel zu kurz ist – die wesentlichen kurativen und präventiven Aspekte für eine optimale Betreuung von Kindern und Jugendlichen zu erlernen. Auch wird der angehende Allgemeinmediziner erkennen müssen, dass Kinder – durchaus anders als Erwachsene – mit den Methoden der Organmedizin nicht optimal betreut sind, sondern in ihrer physischen, psychischen und sozialen Gesamtheit gesehen werden müssen.

Stichwort Missbrauch der Ärzte in Ausbildung zur Systemerhaltung: Hat sich die Situation verbessert?

Wir Abteilungsleiter haben die Verpflichtung, Ärzte in Ausbildung als Lernende anzusehen und sie für ihre spätere Arbeit in der Praxis vorzubereiten. Das beinhaltet, dass sie nicht mit Administration überschütten werden. Ich hoffe, dass dies mit der neuen ÄAO 2015 besser wird. Wir haben eine Dokumentationsassistentin, allerdings nur in der Kernarbeitszeit. Das gesamte Mittelbauteam unterstützt die Ärzte in Ausbildung zur Allgemeinmedizin bei administrativen Aufgaben, wie Arztbriefe, Dateneingabe und Codierungen.

Worauf legen Sie in der allgemeinmedizinischen Ausbildung besonderen Wert?

Angehende Allgemeinmediziner brauchen in ihrer Ausbildung eine persönliche Betreuung mit respektvoller Supervision und häufigem Feedback durch Mentoren. Es geht um die Vermittlung von praxisrelevanter Patientenversorgung, um einheitliche Supervisionen durch Fachärzte, die Etablierung von allgemeingültigen und im Facharztteam akzeptierten schriftlichen Behandlungspfaden und Behandlungsrichtlinien. Wichtig ist ein persönlich gelebtes Commitment des Abteilungsleiters zur Ausbildung, der Fokus auf selbständige Arbeit in der Ambulanz und persönliche Mitarbeitergespräche mit Festlegung der Lernziele. Mehrere dieser genannten Maßnahmen wurden auf Grund der regelmäßigen Abteilungsevaluationen bei uns verändert und verbessert.

Was sollte in der allgemeinmedizinischen Ausbildung verbessert werden?

Die Zeit in der Lehrpraxis soll auf zumindest 12 Monate erhöht werden. Der Umgang mit digitalen Medien, Telemedizin, Datenvernetzung und künstlicher Intelligenz sollte in der Ausbildung vermittelt werden. Ethische Aspekte dürfen nicht zu kurz kommen und sollten strukturiert gelehrt werden. ◉

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2020