Impfungen: Ein Stich, der wirkt

10.11.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken helfen kardiovaskuläre Erkrankungen vorzubeugen. Die ÖKG startet deshalb eine Informationskampagne, um die Durchimpfungsraten zu erhöhen.
Sophie Niedenzu

Es gibt sie die Impfung. Einer der größten medizinischen Durchbrüche, um Krankheiten vorzubeugen. Genutzt wird diese Option allerdings nicht von allen. Nun hat die Österreichische Kardiologische Gesellschaft (ÖKG) eine Informationskampagne mit Unterstützung einer Online-Plattform gestartet, die im Rahmen einer Pressekonferenz präsentiert wurde. „Mit unserer Informationsplattform www.impfenschuetzt.at wollen wir einen wissenschaftlich fundierten Beitrag leisten, um die Impfrate in Österreich zu erhöhen“, sagte ÖKG-Präsident Peter Siostrzonek. Seit jeher würde sich die Kardiologie mit Primärprävention beschäftigen, damit kardiovaskuläre Erkrankungen gar nicht erst auftreten: „Österreich war bisher beim Impfen gegen Grippeviren und Pneumokokken weit zurück im Ländervergleich, wir haben teilweise nur Impfraten zwischen 10 und 20 Prozent. Weil aber der Zusammenhang dieser Infektionen mit Herzerkrankungen eindeutig bewiesen ist, sind Impfungen etwa gleich wichtig wie mit dem Rauchen aufzuhören“, betonte der Kardiologe. Eine Grippe erhöhe das Herzinfarktrisiko um das Sechs- bis Achtfache. In Österreich habe es 2019/20 rund 330.000 Influenzafälle gegeben, brachte Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Abteilung für Impfwesen im Gesundheitsministerium Zahlen aufs Tapet. Im Schnitt würden 15 pro 100.000 Einwohner an Influenza sterben, jedes Jahr gebe es im Schnitt 1.000 Influenza-Todesfälle. Die Impfung sei besonders für Kinder ab dem vollendeten sechsten Lebensmonat zu empfehlen, da diese – anders als bei SARS-CoV-2, Motor der Grippewelle seien und eine Impfung somit auch Erkrankungen in anderen Altersgruppen verhindern würde. Bereits eine 20-prozentige Durchimpfung von Schulkindern gehe mit einem besseren Schutz vor schwerem Verlauf und Tod durch Influenza für über 60-Jährige einher als eine Impfung von 90 Prozent der Senioren.

Vorsorge, nicht Nachsorge

Gerade in Zusammenhang mit der Pandemie sei es notwendig, vorzusorgen. Studien haben gezeigt, dass 40 Prozent weniger Herzinfarkte während der Pandemie behandelt wurden, obwohl SARS-CoV-2 an sich das Risiko erhöhen sollte. „Fachlich ist das nicht zu erklären, wir müssen daher annehmen, dass sich die Patienten aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus nicht ins Spital trauten oder die Schmerzen in der Brust nicht dem Herz, sondern einer Lungenentzündung zugerechnet wurden“, sagte der Innsbrucker Kardiologe Bernhard Metzler. Der Hinweis, dass Patienten grundsätzlich darauf achten sollten, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten und nur die Spitäler und Ärzte aufzusuchen, wenn es unbedingt notwendig war, sei richtig gewesen, ergänzte Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. „In der damaligen Situation war das vielleicht nicht falsch, weil wir zu wenig Schutzausrüstungen hatten, die Ordinationen waren nicht gut vorbereitet, und man wusste aus anderen Ländern, dass Gesundheitseinrichtungen bei der Verbreitung der Pandemie eine große Rolle spielten.“ Inzwischen sei es gelungen, die Ärzte auszurüsten, sowohl die Ordinationen als auch die Spitäler hätten Sicherheitskonzepte. „Man muss deutlich sagen, dass ärztliche Behandlungen wichtig sind, auch für Vorsorge, Routinekontrollen und Nachsorge“, betonte Szekeres. „Wir wollen nicht nur das leisten, was unter dem Begriff ‚Reparaturmedizin‘ bekannt geworden ist – medizinisch erst einzugreifen, wenn schon eine Erkrankung da ist.“ Prävention und Vorsorge seien wichtig, so der ÖÄK-Präsident. Jeder Patient könne sich darauf verlassen, umfassend versorgt zu werden. Ein aufrechter Impfstatus sei ein wichtiger Teil der Präventionsmaßnahmen und jeder Patient, der seine Impflücken schließe, trage dazu bei, mit der ärztlichen Ressource schonend umzugehen. „Vorsorge schützt das Gesundheitssystem. Gerade in dieser Jahreszeit ist es daher essentiell, dass gegen Influenza und Pneumokokken geimpft wird, auch sollte nicht auf die MMR-Impfung vergessen werden“, sagte Szekeres. Grundsätzlich müsse ein Gesundheitssystem auch für Krisenzeiten gewappnet sein: „Ein System herunterzufahren, um Ressourcen freizulegen, mag für kurze Zeit funktionieren, ist aber keine Dauerlösung. Wir müssen an alle Patienten denken. Das heißt: Ausbau der Ressourcen in den Spitälern, mehr Ärzte in der wohnortnahen Grundversorgung“, stellte Szekeres klar.

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2020