Gesundheitshotline 1450: Über Nacht geboren

15.12.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Die ursprüngliche Funktion der Gesundheitshotline ist durch die Pandemie überschattet worden. Aus der Not heraus wurde 1450 in Tirol rasch adaptiert und der Service digitalisiert.
Sophie Niedenzu

Sie soll Patienten beraten und die Spitäler entlasten: Die Gesundheitshotline 1450 hat ihren Ursprung in Südafrika und wurde anschließend in den USA weiterentwickelt, berichtet Markus Lechner von der Landessanitätsdirektion Tirol: „Es wurde ein Abfrage­Algorithmus entwickelt, der auch einem sehr strengen Qualitätsmanagement­System unterworfen ist. Diese Fragen-Checklisten sind genauestens einzuhalten, ein Abweichen davon ist als Verstoß gegen die Richtlinien zu werten”, erzählt er. Die Kunst sei, das richtige Protokoll zu Beginn des Telefonats auszuwählen, da der Algorithmus sonst in eine falsche Richtung weiterführe: „Da die Idee aus einem anderen Kontinent stammt, kann es leicht passieren, dass bei fieberhaften Infekten die Abfrage in einem Malariaverdacht endet und bei fehlender Anamnese ein neues Protokoll gewählt werden muss.“ Das sei eine der Problemstellungen bei der „Austrifizierung“ der Protokolle, zudem gebe es Unschärfen in der Übersetzung. „Die völlig unterschiedliche Gesundheitslandschaft Österreichs im Vergleich zu jener der USA schlägt sich in der eingeschränkten Palette an Point­of­Care­Optionen nieder”, sagt Lechner. Neben diesen technischen habe es auch personelle Herausforderungen gegeben, die qualifizierten Mitarbeiter zu rekrutieren und einzuschulen: „Bildschirm statt Patient – das ist gerade in medizinischen Berufen sehr gewöhnungsbedürftig.“  Grundsätzlich wird 1450 von jedem Bundesland selbst organisiert. In Tirol ist sie der Leitstelle zugeordnet.

Personell und technisch aufgerüstet

Sechs Monate jung war die Gesundheitshotline in Tirol. Dann kam SARS­CoV­2. 1450 wurde zur Drehscheibe für die Indizierung von Verdachtsfällen und Zuweisungen zu Testeinrichtungen, teilweise gingen täglich mehr als 15.000 Anrufe ein. Die Gesundheitsberatung im eigentlichen Sinne wird zumindest in Tirol nur sehr marginal in Anspruch genommen: Tagesabhängig seien die Anfragen im einstelligen Bereich, schildert Lechner. Über Nacht wurde die Gesundheitshotline zur Corona­Hotline. Sie musste personell und technisch adaptiert werden, um die Wartezeiten unter 20 Sekunden zu drücken. Das fachlich qualifizierte Personal sei mit angelerntem freiwilligen Personal und Assistenzsoldaten für eine „Vortriage“ aufgestockt worden. Und in der Not schritt die Digitalisierung schneller voran: Es wurde ein eigenes Webportal entwickelt, um größere Gruppen aus Risikobereichen einmelden zu können. Dieses kann auch von der Öffentlichkeit benutzt werden: Jeder kann Kontakt­ oder Verdachtsmeldungen selbst eingeben. Damit wurde 1450 entlastet. Ein weiterer Vorteil: „Über das Webtool haben wir sehr valide Daten, etwa die korrekte Schreibweise des Namens“, erzählt Lechner. Eine dritte Möglichkeit sei die Erweiterung der telefonischen Abklärung mithilfe eines sogenannten Interactive Voice Response (IVR), einem Sprachdialogsystem. Damit führen Anrufer teil­ oder vollautomatisierte Dialoge: „Sollte sich dabei ein Verdacht auf eine SARS­CoV­2­Infektion ergeben, so wird am Ende das Gespräch von einem Mitarbeiter übernommen“, sagt Lechner.

Digitale Erweiterungen

Eine österreichweite Evaluierung von 1450 sei als Resümee nach Abflauen oder Ende der Pandemie wünschenswert, sagt Lechner. Eine Weiterentwicklung, vor allem in Hinblick auf die Digitalisierung, sei von mehreren Faktoren abhängig: zum einen von der Positionierung von 1450 in den Strukturen der Bundesländer mit den jeweils unterschiedlichen Kompetenzen. So sei beispielsweise in Tirol 1450 ohne Behördenaufgaben ausgestattet. Damit verbunden ist laut Lechner auch die unterschiedliche Verfügbarkeit von digitalen Systemen wie EMS oder ZMR. „Es wäre auch vorstellbar, eine digitale Anbindung an Krankenhäusern zu etablieren, um Patienten so im Vorfeld bereits anzumelden. Es darf ja nicht vergessen werden, dass 1450 unter anderem dazu dienen sollte, die Spitalsambulanzen zu entlasten“, sagt Lechner. „In diesem Kontext wäre auch zu überlegen, ob der Ambulanzbesuch außerhalb der Normdienstzeiten nur über 1450 ermöglicht werden könnte, um die Bagatellerkrankungen von den Häusern fernzuhalten.“ Vorstellbar sei auch eine digitale Erweiterung im Sinne einer Videoschaltung für eine bessere Einschätzung des Gesundheitszustandes des Patienten. Ein Comeback von 1450 als Gesundheitshotline hält Lechner für möglich, aber: „Die Grundkompetenz von 1450 sollte wieder neu an die Bevölkerung kommuniziert werden – derzeit ist es einfach die Corona­Hotline“.

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2020