BKAÄ: COVID-Station: Gemeinsam statt einsam

15.12.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK, Coronavirus


Freiwillig auf einer COVID-Station zu arbeiten, sei selbstverständlich. Die Mehrbelastung sei inhomogen, das Wesentliche sei ein funktionierendes Team: Ein Assistenzarzt erzählt von seinen Erfahrungen.
Sophie Niedenzu

Man wächst als Team zusammen. Und der Anspruch an die Selbstständigkeit des Assistenzarztes ist stark gestiegen. Das ist das Resümee eines Assistenzarztes (Name der Redaktion bekannt), der sowohl im Frühjahr als auch aktuell auf einer COVID­19­Intensivstation in Österreich arbeitet. Fachliche Ergänzungen und der interdisziplinäre Austausch zwischen der Inneren Medizin, der Anästhesie und weiteren Fächern mit Intensivstationen würden den aktuellen Alltag prägen, es gebe auch teilweise Diskrepanzen in Therapieregimen. „Ich bin regelmäßig vor Probleme gestellt, die herausfordernd sind, aber mich persönlich und fachlich auch voranbringen“, erzählt er.

An der Patientenversorgung von COVID­19­Erkrankten mitzuwirken, sei wichtig und das COVID­Team sei verglichen mit dem Frühjahr besser organisiert und strukturiert. Es gebe deutlich mehr Informationen und Behandlungsstrukturen, aufgrund der laufenden Forschung käme viel Neues dazu, das müsse erst einmal verarbeitet und im Hinblick auf laufende Therapiekonzepte evaluiert werden. Das ärztliche Personal habe sich freiwillig für die Versorgung an der COVID­Station entschieden „Selbstverständlich stellt man sich der Herausforderung“, sagt der Assistenzarzt. Leider sei es von der Verwaltung her schwieriger: „Man hat zwar den Eindruck, dass ein Bettenplan mit Eskalationsszenarien entworfen, aber nicht darüber nachgedacht wurde, wer im Ernstfall dann dort arbeiten soll“, schildert der Intensivmediziner. Geräteeinschulungen würden immer wieder etwas untergehen, das Personal müsse besonders flexibel sein und binnen Tagen bisher unbekannte Arbeiten an einem bisher unbekannten Ort mit einem unbekannten Team an einem kritisch Kranken erlernen – das gelte sowohl für das ärztliche, als auch für das pflegerische Personal.

Triage erst auf Intensivstation

Grundsätzlich ist die Mehrbelastung beim Personal seiner Erfahrung nach sehr inhomogen, denn nicht jeder könne auf der COVID­Station arbeiten, nicht immer sei zudem ein fachkundiger Oberarzt vor Ort: „Kritische Situationen müssen also frühzeitig erkannt werden, um rechtzeitig Unterstützung einzuholen.“ Anders als im Frühjahr sei nun genug Schutzmaterial vorhanden. Wichtig sei, vorausschauend und eng mit der Pflege zusammen zu arbeiten. Es sei grundsätzlich anspruchsvoll, sich ein Bild eines Patienten aus der Distanz, nur mit den Werten am Monitor zu machen: „Wir müssen Ressourcen sparen und stehen daher nicht immer direkt neben der Beatmungsmaschine“, erzählt der Arzt in intensivmedizinischer Ausbildung. Ansonsten unkomplizierte Tätigkeiten wie das Legen von intravenösen oder arteriellen Kathetern sei mit Schutzkleidung erschwert. Verglichen mit dem Frühjahr gebe es mehr sterbende Patienten. Seiner Erfahrung nach sind diese durchschnittlich älter, haben Vorerkrankungen und bakterielle Superinfektionen. Aufgrund des Besuchsverbots müssten Angehörige aus der Ferne regelmäßig informiert werden: „Viele haben keine Vorstellung davon, was intensivmedizinische Behandlung bedeutet. Die Angehörigen sind dankbar, aber auch verzweifelt, ängstlich und reagieren manchmal auch mit Unverständnis“, erzählt er. In einzelnen Situationen käme bei Therapierückzug auch der Vorwurf, dass man den Angehörigen „wegtriagiert“, um Platz für einen anderen zu haben: „Soweit sind wir zum Glück nicht.“ Die Triage an sich sei weiterhin ein Problem, denn momentan würde diese in seinem Spital erst auf der Intensivstation durchgeführt: „Wir arbeiten häufig erst dort heraus, wie krank der Patient tatsächlich ist“, erzählt er aus seinem Arbeitsalltag.

Deutlich höhere Arbeitszeiten

Ein großes Thema ist die Arbeitszeit in den Spitälern: „Wir haben bei uns deutlich mehr 24­Stunden­Dienste als üblich, uns fehlt angesichts der Belastung auch die Erholungszeit“, sagt er. Es fehle auch die Perspektive, wie die Mehrarbeit bis zum Ende des Durchrechnungszeitraums ausgeglichen werden könne: „Planbar ist momentan wenig, weil wir deutlich häufiger und kurzfristiger Dienste angeordnet bekommen.“ Wichtig sei die private Unterstützung, denn von Dienstgeberseite käme nicht viel: „Die psychische Beanspruchung ist schon hoch. Sei es, weil man mit Angehörigen über Therapiebeschränkungen reden müsse, sei es, weil man an Entscheidungen beteiligt sei, wenn lebenserhaltende Maßnahmen beendet würden: „Es besteht schon die Gefahr, abzustumpfen. Jeder muss für sich selbst eine Lösung finden, mit dieser Situation umzugehen. Der gegenseitig stärkende Teamgeist ist aber eine wesentliche Stütze“, sagt er.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2020