Coro­na­vi­rus: Das Gesund­heits­sys­tem auf dem Prüfstand

10.04.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK, Coronavirus

Her­vor­ra­gende Leis­tun­gen der Ärz­te­schaft, gute Zusam­men­ar­beit mit der Regie­rung und Maßnahmen,um rasch stei­gende Coro­na­vi­rus-Infek­tio­nen zu ver­mei­den – ein Zwi­schen­be­richt.
Sascha Bunda, Sophie Niedenzu

Es sind viele Ein­schrän­kun­gen im all­täg­li­chen Leben, die die Bevöl­ke­rung in Öster­reich der­zeit durch­macht: „Es ist beein­dru­ckend, wie sehr sich der überwiegende Teil an die Maß­nah­men hält, denn das Coro­na­vi­rus stellt nicht nur unsere Gesell­schaft, son­dern auch das Gesund­heits­sys­tem auf die Probe“, sagt ÖÄK-Prä­si­dent Tho­mas Sze­ke­res. Das erklärte Ziel sei es, Pati­en­ten und sämt­li­che Mit­ar­bei­ter im Gesund­heits­we­sen, ob nun im Spi­tal oder in der Ordi­na­tion, zu schützen, ebenso jene, die im öffent­li­chen Dienst tätig sind, wie etwa in den Super­märk­ten oder Apo­the­ken. „Unsere Ärzte leis­ten hier Außer­or­dent­li­ches, und dafür möchte ich mich bedan­ken“, sagt Sze­ke­res. Bei­spiele für den Ein­satz der Ärz­te­schaft gebe es viele. So seien Ärzte, die freie Res­sour­cen hät­ten, der­zeit als Epi­de­mie­ärzte tätig oder würden sich beim Ärz­te­funk­dienst in Wien enga­gie­ren. Johan­nes Stein­hart, ÖÄK-Vize­prä­si­dent und Bun­des­ku­ri­en­ob­mann der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte, zollte der Ärz­te­schaft eben­falls höchs­tes Lob: „Die Kri­sen­zeit beweist uns, wie rasch, fle­xi­bel und enga­giert Ärzte arbei­ten. Jeder gibt sein Bes­tes, um die Gesund­heits­ver­sor­gung in Öster­reich sta­bil zu halten.“

Auch in den Spi­tä­lern sei der Zusam­men­halt groß und Maß­nah­men getrof­fen wor­den, um eine Aus­brei­tung m.glichst ein­zu­däm­men, betont Harald Mayer, ÖÄK-Vize­prä­si­dent und Obmann der Bun­des­ku­rie der ange­stell­ten Ärzte. Wich­tig sei, dass die Teams in Spi­tä­lern, abhän­gig vom Fach und der Abtei­lungs­größe, mög­lichst lang zusam­men­ar­bei­ten würden und sich dann gegen­sei­tig geblockt ablö­sen, um infek­ti­ons­be­dingte Total­aus­fälle von Abtei­lun­gen zu ver­mei­den. „Wenn also ein Team auf­grund von Coro­na­vi­rus­in­fek­tio­nen und Qua­ran­tä­ne­maß­nah­men aus­fällt, dann kann ein ande­res sofort ein­sprin­gen und den Abtei­lungs­be­trieb so auf­recht­erhal­ten“, sagt Mayer. Damit lie­ßen sich teil­weise oder voll­stän­dige Schlie­ßun­gen von Abtei­lun­gen ver­mei­den, da immer ein ande­res Team ein­sprin­gen könne, bis die Qua­ran­täne bzw. die Erkran­kung aus­ge­stan­den sei. Zudem lobte er die Vor­sichts­maß­nah­men, wie etwa Zugangs­kon­trol­len in Spi­tä­lern, Besuchs­ver­bote, bis auf jene im pal­lia­tiv­me­di­zi­ni­schen Bereich und auf Kin­der­sta­tio­nen, das Ver­schie­ben von nicht aku­ten Ope­ra­tio­nen und die redu­zierte Anzahl an Über­wei­sun­gen in die Spitäler.

Unbürokratische Lösun­gen

Gerade in sol­chen Zei­ten seien die Leis­tun­gen der Ärz­te­schaft beson­ders her­vor­zu­he­ben und Pati­en­ten und Ärzte maximal zu schützen. „Es wur­den schon einige unbürokratische L.sungen im Sinne der Men­schen erar­bei­tet. Doch das reicht noch nicht: Ärzte gehö­ren geschützt – und zwar jetzt und nicht nach­dem die Pan­de­mie vor­bei ist“, betont Sze­ke­res. Auch Stein­hart bedankte sich bei den Mit­ar­bei­tern der Ärz­te­kam­mern sowie den ande­ren Betei­lig­ten für ihren Ein­satz für rasche Ma.nahmen, um Ordi­na­tio­nen best­mög­lich zu schützen – sei es durch gemein­same Aktio­nen bei der Bereit­stel­lung von Schutzausrüstung oder bei der tele­fo­ni­schen Krank­schrei­bung. „Doch es bedarf noch vie­ler wei­te­rer Anstren­gun­gen sei­tens der öffent­li­chen Hand, um Ärz­tin­nen und Ärzte gesund­heit­lich und finan­zi­ell best­mög­lich geschützt und unterstützt durch die Krise zu führen.“ Ebenso seien die Stei­ge­rung der Tes­tun­gen, ins­be­son­dere für das Spi­tals­per­so­nal „wich­tige Ma.nahmen“, ergänzt Mayer. Man müsse alles tun, um Total­aus­fälle in Spi­tä­lern zu ver­mei­den, die für inten­siv­me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gung eine Schlüsselposition innehätten.

Umso bemer­kens­wer­ter sei es, dass von man­chen Sei­ten, etwa von ein­zel­nen Pati­en­ten­an­wäl­ten, aus­schließ­lich unbe­rech­tigte und recht­lich unhalt­bare Angriffe auf die Ärz­te­schaft kämen. „Die öster­rei­chi­schen Ärzte sind in der der­zei­ti­gen Krise mehr denn je gefor­dert, einer­seits um die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung auf­recht zu erhal­ten, ande­rer­seits natürlich auch, um die Pan­de­mie zu bekämp­fen“, sagt Sze­ke­res. Auch Stein­hart zeigt sich sehr irri­tiert, dass selbst in einer sol­chen Kri­sen­zeit, in der fast alle Betei­lig­ten gemein­sam Höchst­leistungen zur Auf­recht­erhal­tung einer funk­tio­nie­ren­den Gesund­heits­ver­sor­gung erbrach­ten, es einige nicht las­sen konn­ten, sich auf Kos­ten ande­rer zu pro­fi­lie­ren. „Einige Wort­mel­dun­gen in die­ser Zeit waren ein­deu­tig mehr als ent­behr­lich. Wir würden uns wirk­lich wünschen, dass künftig in sol­chen Situa­tio­nen mehr Soli­da­ri­tät herrscht und weni­ger ahnungs­lose und fal­sche Schuld­zu­wei­sun­gen ven­ti­liert wer­den.“ Mayer plä­dierte in die­sem Zusam­men­hang für Auf­klä­rung und Beru­hi­gung und kri­ti­sierte unqua­li­fi­zierte Angriffe gegen die Ärzteschaft.

Zen­tra­ler Ein­kauf von Schutzkleidung

Beson­ders für die Zukunft sei es wich­tig, genügend Schutzausrüstung recht­zei­tig zur Verfügung zu haben. „Die Ver­sor­gung mit Schutz­klei­dung gehört bun­des­weit gelöst“, sagt Mayer. Es sei zwar mit hohem poli­ti­schen Ein­satz doch noch erreicht wor­den, dass die Schutzausrüstung aus Deutsch­land gelie­fert wurde, ebenso wurde wei­tere Schutzausrüstung aus China ein­ge­flo­gen. Letzt­end­lich müsse lang­fris­tig gedacht und Eigen­pro­duk­tion in Öster­reich for­ciert wer­den, zudem sollte es inner­halb der Euro­päi­schen Union keine Export­ver­bote geben. Stein­hart ergänzt: „Wir benö­ti­gen einen zen­tra­len und frühzeitigen Ein­kauf sowie eine gene­relle Eman­zi­pa­tion von aus­län­di­schen Pro­duk­ti­ons­stät­ten.“ Die Kom­mu­ni­ka­tion müsse ver­bes­sert wer­den, um künftig bei ande­ren Vor­fäl­len die­ser Grö­ßen­ord­nung opti­mal gewapp­net zu sein. „Die Ver­sor­gung der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte mit Schutzausrüstung muss bes­ser funk­tio­nie­ren, sowohl im Kas­sen­be­reich als auch im Bereich der Wahl­ärzte. Schließ­lich sind sie es, die den meis­ten Pati­en­ten­kon­takt haben und daher auch den meis­ten Schutz brau­chen.“ Zudem sollte man einige Regu­la­rien auf ihre Sinn­haf­tig­keit überprüfen, ist Stein­hart überzeugt: „Es gibt einen gewal­ti­gen Erfah­rungs­schatz und Exper­tise bei den erfah­re­nen Ärz­ten, die aber kei­nen Kas­sen­ver­trag mehr haben dürfen. Es muss Über­le­gun­gen geben, wie die­ses wert­volle Wis­sen genutzt wer­den kann, natürlich ohne diese arri­vier­ten Kol­le­gen selbst zu gefährden.“

Zukunfts­ori­en­tiert

Für Mayer habe die aktu­elle Situa­tion zudem noch etwas gezeigt: Näm­lich wie wich­tig das Ver­hal­ten jedes Ein­zel­nen sei: „Wenn jeder auch zukünftig wei­ter­hin daran denkt, prä­ven­tiv zu agie­ren, dann haben wir viel gewon­nen“, sagt der ÖÄK-Vize­prä­si­dent. Dazu gehöre auch, vor­han­dene Impflücken zu schlie­ßen. So könne jeder Ein­zelne mit einer MMR- und Influ­enza- Imp­fung zur Her­den­im­mu­ni­tät bei­tra­gen, um Risi­ko­grup­pen zu schützen und Spi­tä­ler zu ent­las­ten. Auch die t.glichen Hygie­ne­maß­nah­men soll­ten bewusst bei­be­hal­ten wer­den und der Vor­rang für schwer­wie­gende und akute Pati­en­ten­fälle solle wei­ter­hin im Bewusst­sein der Bevöl­ke­rung blei­ben: „Die Spi­tals­am­bu­lan­zen soll­ten auch zukünftig nur mehr für wirk­li­che Not­fälle auf­ge­sucht wer­den“, appel­liert Mayer. Sein Resümee: „Die Situa­tion hat ein­mal mehr gezeigt, dass wir ein gutes Gesund­heits­sys­tem haben, das sich auf zwei Säu­len stützt: Einer­seits haben wir eine wohn­ort­nahe Ver­sor­gung durch nie­der­ge­las­sene Ärzte, ande­rer­seits gut aus­ge­stat­tete Spi­tä­ler, die sich auf ihre Kern­auf­ga­ben kon­zen­trie­ren soll­ten.“ Der Aus­bau der wohn­ort­na­hen Ver­sor­gung und die damit ver­bun­dene Ent­las­tung der Spi­tä­ler fin­det auch Platz im aktu­el­len Regie­rungs­pro­gramm. Auf­grund der der­zei­ti­gen Situa­tion müsse spä­tes­tens jetzt allen klar sein, wie ele­men­tar die Ver­sor­gung im nie­der­ge­las­se­nen Bereich sei, sagt Stein­hart. Die­ser müsse jetzt finan­zi­ell deut­lich gestärkt wer­den. „Wir haben gese­hen, wie wich­tig ein funk­tio­nie­ren­der nie­der­ge­las­se­ner Bereich ist. Hier muss alles getan wer­den, um klaf­fende Versorgungslücken im wohn­ort­na­hen Bereich zu schlie­ßen. Sol­che Lücken kom­men im Ernst­fall deut­lich teu­rer als zeit­ge­rechte Inves­ti­tio­nen. Ein­spa­rungs­ideen gehö­ren spä­tes­tens jetzt in den Mülleimer der Geschichte“, resümiert Steinhart. 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 7 /​10.04.2020