BKNÄ: Telemedizin – Neue Möglichkeiten

10.04.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK

Vielerorts sorgte die rasche Einführung des Krisenpakets durch die österreichische Gesundheitskasse für Verwunderung. Binnen Tagen standen unter anderem telefonische Medikamentenverordnung, telefonische Krankschreibung und die Möglichkeit für telemedizinische Krankenbehandlung zur Verfügung. Warum war das nun so rasch möglich und zuvor nicht?

Hier müsse man natürlich aufpassen, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, sagt Johannes Steinhart, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte: „Es wäre ein Wunder, wenn ein Projekt, das uns schon über Jahre begleitet, plötzlich binnen drei Tagen fertig wäre. Wir müssen uns vor Augen halten, dass das zum Teil ein reiner Notbehelf über die E-Medikation ist, der in seiner Funktionalität und seiner technischen Möglichkeit nicht für den Dauereinsatz geeignet ist.“

Zudem stehe die Pilotphase für das E-Rezept vor der Tür – ursprünglich war diese für den Sommer 2020 geplant. „Das wird dann die große Lösung, die für diesen Zweck ausgerichtet ist – die elektronische Darstellung der Abwicklung und Abrechnung aller Kassenrezepte, die im Idealfall allen Beteiligten Vorteile bringen wird“, sagt Steinhart. Für den akuten Zweck, nämlich den Kontakt zu Patienten in den Ordinationen und so das Infektionsrisiko für Ärzte zu minimieren, seien die Tools absolut geeignet gewesen. „Die Zusammenarbeit mit den Kassen und den Sozialpartnern hat hier ausgezeichnet funktioniert. Dafür möchte ich allen Beteiligten meinen Dank aussprechen.“

Darüber hinaus hätte die Ärzteschaft einmal mehr bewiesen, dass sie keine Technikverweigerin ist, unterstreicht Steinhart. „Wenn die Rahmenbedingungen fair sind und die Ärztekammer frühzeitig eingebunden wird, stehen wir nicht an, Projekte mit engem Zeithorizont und hohem Erfolgsdruck umzusetzen. Wie nicht anders zu erwarten, haben die Kolleginnen und Kollegen rasch die Möglichkeiten erkannt und umgesetzt. Dadurch konnte die Sicherheit erheblich erhöht und viel Potenzial freigespielt werden.“ Dietmar Bayer, Präsident der ÖGTelemed und Vizepräsident der steirischen Ärztekammer, sieht in der Krisenzeit eine große Chance für die Telemedizin. In einem Interview sprach er von einem „positiven Brandbeschleuniger hin zu einer moderneren Medizin.“ Auch im neuen einheitlichen Leistungskatalog der Bundeskurie niedergelassene Ärzte gebe es einige telemedizinische Leistungen, sagt Bayer. So würden etwa Befundbesprechung oder Teledermatologie erprobt. Nach der Krise müsse ausgiebig evaluiert werden, für Bayer ist aber bereits klar: „Ich bin mir sicher, dass wir eine Ver.nderung im System erfahren. Das ist jetzt ein Transformationsprozess.“

Kein Schritt zurück

Derselben Meinung ist auch Artur Wechselberger, Präsident der Tiroler Ärztekammer. „Dass Telemedizin funktioniert, hat man schon vor der SARS-Epidemie gewusst. Es gab aber noch große Hemmnisse bei den Fragen: Wird die Krankenkasse das bezahlen? Welche Leistungen werden bezahlt? Wie kommt der Patient zu seinem Rezept, zur Krankmeldung?“ Nachdem diese Hürden überwunden wurden, sei der Erfolg sicher: „Die Praktikabilität ist so groß, dass auch nach der Krise niemand auf die Idee kommen wird, wieder einen Schritt zurück zu gehen“, ist Wechselberger überzeugt – im Gegenteil: „Die Akzeptanz in der Bevölkerung und die Verlässlichkeit der Technik werden ansteigen, sodass sich weitere Möglichkeiten bieten.“ Etwa, dass Patienten mit elektronischen Hilfsmitteln wie Wearables selbst Daten erheben und diese dann elektronisch zum Arzt gelangen. „Wichtig ist aber auf jeden Fall, dass diese Modelle so in den Praxisbetrieb eingebaut werden, dass sie nicht stören, sondern unterstützen“, betont Wechselberger. In seiner Ordination setzt er bereits auf die „virtuelle Sprechstunde“: Der Patient erhält dabei bei der Terminvereinbarung einen Code per SMS oder E-Mail und kommt damit via Handy oder PC in ein virtuelles Wartezimmer, wo er zur vereinbarten Zeit aufgerufen – oder in diesem Fall angerufen wird. Nach dem Gespr.ch kann das Rezept elektronisch übersendet werden – der Patient kann es in einer Apotheke seiner Wahl mit der E-Card einlösen. „Diese virtuelle Abbildung des derzeitigen Vorgangs bringt Allen Vorteile“, sagt Wechselberger.

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2020