BKNÄ: SOS Wahlärzte

10.05.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Die Situation von Wahlärzten in der Covid-19-Krise erreicht existenzbedrohende Ausmaße. Durch schwindende Einkünfte steht vielen „das Wasser bis zum Hals“.

Momen Radi

Im Zusammenhang mit der aktuellen Covid-19-Krise hat es niemals einen gesetzlichen Schließungsauftrag für Wahlarztordinationen gegeben. Es ist also davon auszugehen, dass es politisch gewünscht war und ist, dass auch Wahlärzte während dieser Krise stets ihre Versorgungsleistung erbringen sollen, so wie sie es vor der Krise getan haben und auch nach ihr tun werden. Und wie es auch tatsächlich geschehen ist. Ich spreche in diesem Zusammenhang ausschließlich von hauptberuflichen Wahlärzten, denn nur diese sind in ihrer Tätigkeit von einer einzigen Einnahmequelle, nämlich der Bezahlung durch die Patienten, abhängig, und damit dem vollen wirtschaftlichen Risiko einer freiberuflichen Tätigkeit ausgesetzt. Immerhin gibt es in Österreich heute etwa 11.000 Wahlärzte, im Vergleich zu etwa 8.000 Kassenärzten. Da offensichtlich alle Wahlärzte vor der Krise überleben konnten, ist es wohl auch keine Frage, dass unser Versorgungspotential nicht nur groß ist, sondern sehr offensichtlich von vielen Bewohnern dieses Landes auch erwünscht ist und erfolgreich finanziert wird. Es stellt sich allerdings die Frage, ob Wahlärzte diese Versorgungsleistung auch nach der Krise noch erbringen können. Denn die Einschränkung auf Notfallleistungen hat ihre Einkünfte derart massiv reduziert, dass Wahlarztordinationen beim Andauern der Beschränkungen in Überlebensnot gebracht werden. Insbesondere, da gerade im Wahlarztbereich viele Leistungen im Vorsorgebereich wie zum Beispiel Gesundenuntersuchungen oder Vorsorgekoloskopien erbracht werden, welche eben zurzeit ausgesetzt sind beziehungsweise waren.

Dazu kommt, dass im Gegensatz zu den Kassenärzten, die im Detail noch zu verhandelnde Kompensationszahlungen von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) bekommen sollen, den Wahlärzten bei bestehender Direktabrechnung mit ihren Patienten – die jetzt großteils ob der Einschränkungen wegfallen – innerhalb kürzester Zeit das Wasser bis zum Hals stehen wird. Dennoch haben die meisten Wahlärzte ihre Ordinationen geöffnet und unterstützen das System hinsichtlich der Entlastung der Spitäler sowohl in den Ordinationen als auch als Epidemieärzte im Sinne der Amtshilfe so gut sie können. Wir Wahlärzte sind daher demselben Risiko einer Ansteckungsgefahr mit Covid-19 ausgesetzt wie Kassenärzte, bei gleichem Manko bezüglich fehlender Schutzausrüstung und fehlender Information über bekannte infizierte Patienten, und stehen trotzdem zur Verfügung. Trotz aufopfernder wahlärztlicher Systemleistung im Sinne der Pandemieversorgung unter vollem wirtschaftlichem, aber auch gesundheitlichem Risiko laufen derzeit finanzielle Entlastungsgespräche nur auf Ebene der Kassenordinationen, denen man, trotz einer halbjährlich gesicherten Finanzierung durch die Kasse, danach zumindest finanzielle Teilzahlungen aus dem ÖGK-Topf verspricht.

Unterstützung unabdingbar

Wenn nach der Krise die Versorgungstätigkeit aus dem Wahlarztbereich weitergehen soll, dann ist es unabdingbar, dass auch finanzielle Unterstützung für das Überleben der hauptberuflichen Wahlarztordinationen vorgesehen ist und auch gesondert behandelt wird. Nicht ohne guten Grund haben zunehmend mehr Patienten in den vergangenen Jahren trotz bestehendem sozialem Versicherungsschutz eine Wahlarztversorgung in Anspruch genommen, weil sie eine solche wünschen und damit offensichtlich auch zufrieden sind. Diese Wähler haben im Gesundheitsbereich viel Geld in die Versorgung durch Wahlärzte investiert, und so dem österreichischen Sozialversicherungssystem dabei geholfen, dementsprechend auf ihre Kosten zu sparen. Die Gesundheitspolitik sollte uns Wahlärzte also gerecht behandeln und nicht im Regen stehen lassen. Viele Wahlarztordinationen könnten ansonsten nach der Krise nicht mehr zur Verfügung stehen.

Momen Radi ist Facharzt für Innere Medizin und Arzt für Allgemeinmedizin in Innsbruck sowie Leiter des Wahlarztreferates der Österreichischen Ärztekammer.

 

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2020