BKNÄ: Inter­view Johan­nes Stein­hart: „Schlag in die Magengrube“

25.09.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Johan­nes Stein­hart, Vize­prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer und Bun­des­ku­ri­en­ob­mann der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte, spricht im Inter­view über ein Video, das für viel Empö­rung inner­halb der Ärz­te­schaft gesorgt hat.
Sascha Bunda

Viel Auf­re­gung ent­stand zuletzt rund um eine Gruß­bot­schaft von Gesund­heits­mi­nis­ter Rudolf Anscho­ber, in der Apo­the­ken als oft erste Anlauf­stelle für kranke Men­schen genannt wur­den. Das sei vor allem in der Lock­down-Phase deut­lich gewor­den, als – Zitat des Minis­ters: „viele Ordi­na­tio­nen geschlos­sen waren oder redu­zierte Öff­nungs­zei­ten hat­ten“. Auch bei der Bun­des­ku­rie nie­der­ge­las­sene Ärzte, die schon län­ger gegen diese Falsch­in­for­ma­tio­nen ankämpft, sorgte das für Bestürzung.

Was war Ihre Reak­tion, als Sie die­ses Video zum ers­ten Mal gese­hen haben? Diese Äuße­run­gen des Gesund­heits­mi­nis­ters haben mich zutiefst ent­täuscht und ver­är­gert. Wenn Sie so wol­len, war es ein Schlag in die Magen­grube. Füh­ren wir uns die Situa­tion wäh­rend des Lock­down vor Augen: Ärzte hal­ten sich an die Vor­ga­ben des Minis­ters und sor­gen wäh­rend der Pan­de­mie unter höchs­tem per­sön­li­chen Ein­satz dafür, dass ihre Ordi­na­tio­nen offen­blei­ben. Und das unter schwie­ri­gen Rah­men­be­din­gun­gen, denn, zur Erin­ne­rung; Es gab, zumin­dest am Anfang, keine aus­rei­chende Ver­sor­gung mit Schutz­aus­rüs­tung, die bei einer infek­tiö­sen Erkran­kung wie COVID-19 aber Grund­vor­aus­set­zung ist. 90 Pro­zent der Haus­ärzte, sowie die für die Akut­fall- und Not­ver­sor­gung nöti­gen Fach­arzt- und Wahl­arz­tor­di­na­tio­nen, haben den­noch geöff­net. Sie ver­wen­den ihre eige­nen Mit­tel und Erspar­nisse, um die Ordi­na­tio­nen zu adap­tie­ren. Sie neh­men durch den Pati­en­ten­rück­gang um bis zu 90 Pro­zent mas­sive finan­zi­elle Ein­brü­che in Kauf und zei­gen dabei vol­les Enga­ge­ment. Ärzte mit Haus­apo­theke stel­len teil­weise die Medi­ka­mente für ihre Pati­en­ten per­sön­lich zu. Und für all das gibt es im Gegen­satz zu unse­ren Nach­bar­län­dern kei­nen Dank, son­dern im Gegen­teil sogar noch Kri­tik. Das hat zurecht für Empö­rung in der Ärz­te­schaft gesorgt. Ich habe für diese unrich­tige Dar­stel­lung der Situa­tion umge­hend den Minis­ter zu einer Ent­schul­di­gung aufgefordert.

Was sagen Sie zur Kri­tik an den redu­zier­ten Öff­nungs­zei­ten? Im Gegen­satz zu den behaup­te­ten „vie­len geschlos­se­nen Ordi­na­tio­nen“ gab es die ver­kürz­ten Öff­nungs­zei­ten tat­säch­lich. Das hatte aber aus­schließ­lich Effi­zi­enz­gründe. Was der Minis­ter hier lei­der nicht erwähnt hat, ist, dass die ver­kürz­ten Öff­nungs­zei­ten durch mehr Tele­fo­nor­di­na­tion mehr als wett­ge­macht wur­den. Die­ser Fokus auf Tele­me­di­zin hat sich als äußerst vor­aus­schau­end erwie­sen, weil dadurch die Ordi­na­tio­nen geschützt wer­den konn­ten. Das alles hat dazu bei­getra­gen, dass uns Situa­tio­nen wie in Ita­lien oder Spa­nien und Ordi­na­tio­nen als Virus-Umschlag­plätze erspart geblie­ben sind.

Wel­che Rolle spielt es für Sie, dass diese Aus­sa­gen in einer Gruß­bot­schaft an die Apo­the­ker gefal­len sind? Diese Miss­ach­tung der ärzt­li­chen Leis­tung hätte in jedem ande­ren Zusam­men­hang genauso geschmerzt. Was aber in die­sem spe­zi­el­len Kon­text natür­lich auf­fällt, ist das fort­ge­setzte öffent­li­che Aus­spie­len von Ärz­ten gegen Apo­the­ker. Wer die beste Ver­sor­gung für die Pati­en­ten im Sinn hat, sollte so etwas unbe­dingt vermeiden.

Noch zum Thema Aus­gleichs­zah­lun­gen: Wie beur­tei­len Sie die Ein­stel­lung der Kas­sen, die der­zeit mit der Regie­rung über finan­zi­elle Unter­stüt­zung ver­han­deln? Sei­tens der Öster­rei­chi­schen Gesund­heits­kasse scheint man sich auf die Posi­tion zurück­zu­zie­hen, dass die Ärzte durch die Locke­rung der Deckel ihren Ver­lust ohne­hin selbst ein­ar­bei­ten wür­den. Abge­se­hen davon, dass das für einen Ver­trags­part­ner eine Ein­stel­lung ist, die für sich selbst spricht – nicht ein­mal das Finanz­mi­nis­te­rium, das schluss­end­lich für die Finan­zie­rung ver­ant­wort­lich ist, glaubt diese Pro­gnose. Wie­der ein­mal hat man es bei schö­nen Wor­ten bewen­den las­sen, statt Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men. Immer noch fehlt es am Bewusst­sein, dass ein star­ker und leis­tungs­fä­hi­ger nie­der­ge­las­se­ner Bereich, der den ers­ten Ansprech­part­ner für Pati­en­ten ver­kör­pert, im kom­men­den Herbst ent­schei­dend sein wird. Wir erwar­ten uns vom Gesund­heits­mi­nis­ter hier unein­ge­schränkte Unter­stüt­zung, dass diese Finan­zie­rung gelingt. Mit Apo­the­ken alleine wer­den wir eine zweite Welle sicher nicht meistern. 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 18 /​25.09.2020