BKNÄ: Leitender Notarzt: Den Ernstfall proben

25.03.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die taktische Medizin bildete den Schwerpunkt einer Einsatzübung, in der die Arbeitsabläufe zwischen den Einsatzkräften nach einem simulierten Amoklauf durchgespielt wurden.

An den Wänden und am Boden klebt Blut. Eine Frau sitzt blut-überströmt am Boden, ein Messer ragt aus ihrem Oberschenkel. Weitere Personen liegen verletzt am Boden. Schüsse ertönen. Hilfe schreie werden lauter, als die ersten Einsatzkräfte eintreffen. Die vermeintlich blutigen Szenen spielten sich an der Sigmund-Freud-Universität (SFU) in Wien Ende Februar ab. Das Blut war Kunstblut, die Verletzten simuliert. Hintergrund war eine Einsatzübung, die den Abschluss des Refresher-Kurses für Leitende Notärzte (LNA) der Österreichischen Akademie der Ärzte bildete. Ziel der Weiterbildung ist es, praktische Fertigkeiten der medizinischen Einsatzleistung direkt in einer Einsatzübung zu erproben und die Kenntnis der Strukturen und Arbeitsabläufe jener Organisationen, mit denen der Leitende Notarzt zusammenarbeitet, zu vertiefen. Dabei wird auf die regionalen Strukturen abhängig vom jeweiligen Ort des Refresher-Kurses eingegangen.

Das heurige Übungsszenario, das mit Hilfe von 20 freiwilligen Figuranten durchgeführt wurde, entstand auf Basis der Empfehlung des Einsatzkommandos Cobra des Bundesministeriums für Inneres. Damit wurden die einzelnen Einsatzabläufe durchgespielt. Für Leitende Notärzte war besonders die not-fallmedizinische Versorgung während einer taktischen Lage von besonderem Interesse. Die an der Einsatzübung beteiligten Organisationen setzten die jeweils individuellen Übungsziele in gemeinsamer Abstimmung fest, um die optimale Nutzung der Ressourcen zu gewährleisten und den Lerneffekt zu maximieren. Im Fokus lag die Zusammenarbeit zwischen leitenden Notärzten, Polizei, Berufsfeuerwehr und Berufsrettung im Rahmen der Bergung und Versorgung von Verletzten unter taktischen Einsatzbedingungen, wie sie bei Terror- und Amoksituationen höchste Priorität haben. So musste das EKO Cobra in einem ersten Schritt den Amokläufer lokalisieren und neutralisieren, um weitere Verletzte zu verhindern. Anschließend mussten die Verletzten gesichtet und aus der sogenannten „heißen“ und „warmen Zone“ evakuiert werden. Ersteres bedeutet eine unmittelbare Tätereinwirkung mit hoher Gefahr, zweiteres keine akute Gefahr, aber eine mögliche wiederkehrende Bedrohung.

Im Ernstfall ist der Ablauf und die Zusammenarbeit unter den Einsatzkräften entscheidend. So darf die Übergabe eines Verletzten an zivile Rettungskräfte aus Sicherheitsgründen erst am Über-gang von der warmen zur kalten Zone stattfinden. Daher führte die Cobra in der Einsatzübung eine erste Triage im Rahmen einer taktischen Verwundetenversorgung durch. Anschließend wurden die Verletzten mit Unterstützung der Berufsfeuerwehr, die aufgrund eines ausgelösten Brandmelders als Erster vor Ort war, in den Versorgungsbereich der Berufsrettung in die „kalte Zone“, einem gesicherten Bereich, transportiert. Dort erfolgte die Versorgung der simulierten Opfer durch die Berufsrettung und leitende Notärzte. „Die Zusammenarbeit zwischen den eingesetzten Kräften von Landespolizeidirektion, Wiener Berufsfeuerwehr und Berufsrettung, dem EKO Cobra und den leitenden Notärzten hat vorbildlich funktioniert“, zeigte sich Adolf Schinnerl, wissenschaftlicher Leiter des LNA Refresher-Kurses der Österreichischen Akademie der Ärzte, sichtlich zufrieden.

Für die Ausübung einer leitenden notärztlichen Tätigkeit sowie die ärztliche Leitung von Rettungsdiensten muss ein von der Österreichischen Ärztekammer anerkannter Weiterbildungslehrgang mit theoretischen und praktischen Inhalten im Gesamtausmaß von zu-mindest 60 Unterrichtseinheiten zu je mindestens 45 Minuten besucht werden, der mit einer Prüfung abzuschließen ist. Voraussetzung ist eine zumindest dreijährige Tätigkeit als Notarzt im Rahmen eines organisierten Notarztdienstes oder eine zumindest gleich lange Ausübung einer notärztlichen Tätigkeit in einer Krankenanstalt. Darüber hinaus muss eine gültige Berechtigung als Notarzt vorliegen.

Der LNA-Lehrgang wurde von Bernd Mayer begründet, dem für sein Engagement das Goldene Ehrenzeichen der ÖÄK verliehen wurde. Im Kurskonzept des LNA-Refreshers werden praktische Skills der medizinischen Einsatzleitung in einer Einsatzübung erprobt. Die Teilnehmer werden teilweise direkt eingebunden oder können als Beobachter teilnehmen.


Weitere Informationen zum Lehrgang sowie dem LNA-Refresher:
https://www.meindfp.at/va/lna

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2020