ÖÄK-Symposium: Arztberuf im Wandel

10.02.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK

Das diesjährige Symposium widmete sich dem Austausch der Erfahrungen in
Deutschland und Österreich in Bezug auf die Attraktivität von medizinischen  Sonderfächern und die Digitalisierung in der Medizin.
Sascha Bunda, Sophie Niedenzu

 

 

Der Goldstandard bleibt: Der Arzt berät und behandelt den Patienten im persönlichen Gespräch. Eine „ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise  der Befunderhebung, Aufklärung, Beratung und Behandlung sowie  Dokumentation gewahrt wird.“ So sieht es die Rechtsgrundlage in Deutschland vor, berichtete Michael Schulte Westenberg, Hauptgeschäftsführer der Sächsischen Landesärztekammer im Rahmen des diesjährigen Symposiums der Österreichischen Ärztekammer, das sich am ersten Tag mit der Digitalisierung und ihren Auswirkungen befasste. Im Jahr 2018 hat der 121. Deutsche Ärztetag den Weg für ausschließliche Fernbehandlung geebnet.

Digital, das sei vieles, betonte auch Erik Bodendieck, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer und Vorsitzender des Ausschusses „Digitalisierung im Gesundheitswesen“ der Bundesärztekammer. Im Arbeitsalltag hätte man bereits mit Elektronifizierung“ zu tun, etwa durch digitale Verwaltungssysteme in Krankenhäusern und den digitalen Austausch mit Krankenversicherungen. Das Problem sei, dass einzelne Abteilungen durch den freien Markt oft mit unterschiedlichen Software­Systemen arbeiten würden und damit Daten schwierig übertragbar seien. Auch der Bereich Diagnostik und Therapie sei bereits digital: „Wir wenden hier seit Jahren Telemedizin und Digitalisierung an, das fällt uns nur nicht mehr auf“, sagte Bodendieck. Beispiele dafür seien Blutdruckmessgeräte, Blutzuckergeräte oder intelligente Spiegel, die den Gesundheitszustand analysieren. Künstliche Intelligenz sei allerdings noch „Zukunftsmusik“, zudem werfe sie auch ethische Fragen auf. Bodendieck wies in seinem Vortrag auch darauf hin, dass Deutschland laut einer Bertelsmann­Studie in Bezug auf Digitalisierung im Gesundheitswesen in Europa an vorletzter Stelle liegt. Bodendiecks Resümee zur Digitalisierung im Gesundheitsbereich in Deutschland: „Es gibt einen politischen Zeitplan, aber fehlt die Strategie. Es wird zwar an einem großen Telematik-­Netzwerk gebaut, das alle miteinander verbinden soll, aber es benötigt auch Augenmaß: Welchen Nutzen haben wir wovon für die tägliche Praxis?“

Herausforderung ELGA

Was den Arztberuf selbst angeht, sei die digitale Medizin ein Hilfsmittel, besonders in Bezug auf die Gesundheitsprävention. „Wir Ärzte haben uns zu lange nur als Reparateure gesehen, aber wir müssen uns auch auf die Vorsorge achten – und besonders hier dient die digitale Medizin als ein Hilfsmittel“, sagte Bodendieck. Die Digitalisierung in der Medizin sei disruptiv, ändere aber nicht die konkret ärztliche Tätigkeit, ergänzte Karl Forstner, Leiter des ÖÄK­Referats für Telemedizin und Medizinische Informatik. Die Organisation der Versorgung würde sich aber auch durch die Digitalisierung verändern, etwa wenn ein Allgemeinmediziner einen Facharzt telemedizinisch zuschaltet und so dem Patienten weitere Wege erspare. Dietmar Bayer, ÖÄK­Referent für Telemedizin und Medizinische Informatik, berichtete über den aktuellen Stand von ELGA und meinte in Bezug auf Deutschland: „Bitte bremsen Sie Ihre Politik“, appellierte er. Man sei mit Wünschen zur Einführung von Applikationen für ELGA konfrontiert, die im geforderten Tempo nicht umsetzbar seien. Hier sei der „Wunsch der Vater des Gedankens“. So sei etwa der e­Befund wünschenswert, aber es sei äußert schwierig, diesen elektronisch zu warten, zudem sei es unübersichtlich und schwierig, etwas Spezifisches zu finden. „Beim Prestigeprojekt, dem elektronischen Impfpass, wird zu viel hineingepackt, etwa Abrechnungs­ und Statistikdaten – das geht über den reinen Nachweis der vorhandenen Impfungen weit hinaus“, kritisierte er. Die e­Medikation erhöhe in der Theorie die Patientensicherheit und steigere Effektivität und Effizienz, etwa durch vollständige Medikamentenlisten, Verordnung­, Verabreichungs­ und Abgabeprozesse – in der Praxis sei ELGA aber langsam, ermögliche keine gezielte Suche von Schlagworten, zeige keine Verläufe von Laborwerten auf und sei unvollständig, ergänzte Brigitte Steininger, Referentin für Leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung und Standardspitäler der Bundeskurie angestellte Ärzte der ÖÄK. Notwendig seien bessere EDV­Softwarelösungen bei den Krankenhausträgern, eine direkte Übernahme der e­Medikation in die Krankenhaussoftware und e­Fieberkurve sowie die Abschaffung der Opt­out Möglichkeit.

Gegen Kratzer am Image wehren

Am zweiten Tag stand zunächst die Attraktivität von medizinischen Sonderfächern in Deutschland und Österreich im Fokus. Herwig Lindner, ÖÄK-Vizepräsident, betonte in seiner Begrüßung die Wichtigkeit der Attraktivität der ärztlichen Tätigkeit überhaupt. Man befinde sich derzeit in Österreich mitten in einem „Hype der Vernaderung der Ärzteschaft“. Ärzte würden für alles verantwortlich gemacht, was im Gesundheitssystem nicht funktioniert. Wenn ständig am Image gekratzt werde, „dann darf man sich nicht wundern, wenn junge Menschen diesen Beruf nicht ergreifen und lieber etwas Anderes machen“, so Lindner.

Auch Nina Walter, Leiterin der Stabsstelle Qualitätssicherung in der Landesärztekammer Hessen appellierte, sich nicht daran zu beteiligen, den eigenen Beruf schlechtzureden. Die Kollegen seien ja durchaus motiviert: In Hessen zähle man aktuell 38109 Ärzte, Tendenz steigend. „Der Hausärztemangel ist kein neues Thema, es wurde nur noch keine Lösung gefunden. Daher hat sich die Situation verschärft“, analysierte Walter die Lage. Seit 2013 werde jährlich eine Erhebung der Ärzte in Weiterbildung durchgeführt. Was positiv auffällt: Bei der Allgemeinmedizin hatten 2013 noch 79 Prozent der Weiterbildungsbefugten niemanden in Weiterbildung, 2018 waren es nur noch 69 Prozent. Demographisch zeichnen sich Allgemeinmediziner durch ein höheres Durchschnittsalter als die Gesamtzahl aus und sie sind weiblicher: 64 Prozent sind Frauen, während der Gesamtschnitt bei 58 Prozent liegt.

Seit zehn Jahren veranstalte man auch jährlich eine Absolventenbefragung, die etwa Themen wie Studienmotivation und Berufspläne beinhalte und die sich einer Rücklaufquote von um 50 Prozent erfreuen könne. Rund acht Prozent der Befragten gaben dabei an, Allgemeinmediziner werden zu wollen. „Das reicht nicht aus, um den Bedarf zu decken“, so Walter. Diese Quote verändere sich auch nicht. Bei den Berufszielen könne man generell einen Trend hin zur (fachärztlichen) Anstellung verfolgen und der Berufswunsch „Oberarzt“ verliere an Attraktivität. Walter führt dies auf zu viel Bürokratie und zu hohe Belastung zurück.

Jörg Hutter, ÖÄK-Referent für Internationales, stellte danach die Aus- und Weiterbildungsevaluierung in Österreich vor. Optimistisch stimme dabei, dass die Beteiligung anhaltend hoch bleibe und die Zufriedenheit mit der Ausbildung steige. Die neue Ärzte-Ausbildungsordnung 2015 beeinflusse die Gesamtbewertung positiv. Arbeitsfelder für die Zukunft seien eine bessere Sichtbarmachung online und eine bewusstere Konfrontation der Kliniken mit den Ergebnissen der Evaluierung.

„Mangelfach oder Mangelversorgung?“ – diese Frage stellte Gerald Gingold, Vorsitzender der ÖÄK-Ausbildungskommission, in den Fokus seines Vortrages zur Ausbildungsstellensituation in Österreich. Derzeit gebe es mit Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie zwei anerkannte Mangelfächer, es gebe aber noch in einigen anderen Fächer ebenfalls problematische Entwicklungen, die sich wegen der bevorstehenden Pensionierungswelle dramatisch verschärfen könnten, analysierte Gingold. Die Quote der besetzten Ausbildungsstellen in diesen Fächern stimme ebenfalls nicht gerade optimistisch.

Anspruch versus Realität

Zum Abschluss des ÖÄK-Symposiums wurde der aktuelle Stand des eLogbuchs in Deutschland und Österreich thematisiert. Uwe Köhler, Vizepräsident der Sächsischen Landesärztekammer, schilderte die Herausforderungen, die der Grundsatz „Weiterbildung ist Landesrecht“ mit sich bringe. Im Juli 2019 konnte eine Basisversion starten. Derzeit gebe es vor allem noch Probleme in der Diskrepanz zwischen Anspruch und klinischer Realität.

Diese Äußerungen würden ihm „ein Lächeln auf die Lippen zaubern“, meinte Gingold, der den Status quo in Österreich referierte. Schließlich seien die Probleme in Österreich „ganz ähnliche“. Vor allem das Mitdenken von Eventualitäten und zukünftigen Add-ons habe Zeit gekostet, der finale Schritt der Ausschreibung stehe nun aber kurz bevor. ◉

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2020