Arztausbildung: Qualität gefährdet

10.11.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Derzeit entscheidet die Österreichische Ärztekammer vor einem fachlich medizinischen Hintergrund darüber, wo und wie viele Ärzte in den einzelnen Abteilungen ausgebildet werden. Doch nun droht die Demontage dieses Erfolgssystems: Über die Vergabe einer Ausbildungsstelle könnte in Zukunft die Bezirksverwaltungsbehörde entscheiden.

Wie viele Ärzte in Ausbildung kann eine Abteilung gleichzeitig aufnehmen? Ist das notwendige Personal vorhanden, das sich den auszubildenden Ärzten widmen kann? Wie hoch sind die Leistungszahlen? Sind diese in einem Bereich, um eine qualitativ hochwertige Arztausbildung zu garantieren und dem Ärztenachwuchs die Möglichkeit zu geben, Erfahrungen zu sammeln und Wissen anzureichern? Ist das Ausbildungskonzept in der Praxis umsetzbar?

Das alles sind Fragen, die im Vorfeld von der Österreichischen Ärztekammer geklärt werden, bevor eine Ausbildungsstelle von ihr bewilligt wird. Ziel ist, die Qualität für den Ärztenachwuchs zu sichern. Voraussetzung für die Einordnung und der Antragsbearbeitung ist eine jahrelange fachliche Erfahrung, basierend auf medizinischem Verständnis. Dazu gehört auch das Wissen, welche Sonderfächer welche medizinischen Schwerpunkte besonders stark benötigen, damit der Ärztenachwuchs die besten Voraussetzungen für eine adäquate Ausbildung erhält.

Seit vielen Jahren liegt die Kompetenz über die Ausbildung bei der Österreichischen Ärztekammer, fachlich medizinisch geführt, eingebettet in einer soliden administrativen Infrastruktur. Nun droht eine Ärztegesetznovelle, durch die diese Kompetenz von der Österreichischen Ärztekammer auf die Bundesländer verschoben werden könnte. Das bedeutet konkret: Über die Vergabe einer Ausbildungsstelle soll statt der Österreichischen Ärztekammer mit ihrer fachlich kompetenten Infrastruktur die jeweilige Bezirksverwaltungsbehörde entscheiden. Diese verfügt aber derzeit nicht über das entsprechende Personal, das zudem auch fachlich versiert sein müsste, um die Anträge der Spitäler richtig einordnen und prüfen zu können, bevor eine Ausbildungsstelle genehmigt wird. Das birgt das Risiko, dass jedes Bundesland seine eigene Struktur aufbaut und möglicherweise unterschiedlich entscheidet, kritisiert die Österreichische Ärztekammer. Steuermittel würden eingesetzt werden, um neunmal in Österreich parallele Strukturen aufzubauen, die derzeit zentral für ganz Österreich bei der ÖÄK seit Jahren bestehen. Damit verbunden ist die Gefahr, dass inhomogene Rechtsprechungen oder auch politisch motivierte Entscheidungen getroffen werden.

Stärken statt schwächen

Derzeit garantiert die ÖÄK im übertragenen Wirkungsbereich einen österreichweit einheitlichen Vollzug. Damit wird die Qualität der Ausbildung und Patientenversorgung österreichweit nach den gleichen Kriterien bewertet. „Wir wollen in Österreich keinen Fleckerlteppich in der Ausbildung, das können wir uns nicht leisten“, sagt Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Kurienobmann der angestellten Ärzte und verweist einmal mehr auf die konstant hohe Zahl jener, die in Österreich ihr Medizinstudium absolvieren, aber dann nicht ärztlich tätig sind. „Unsere aktuelle Umfrage unter auszubildenden Ärzten hat einmal mehr deutlich gezeigt, dass eine qualitativ hochwertige Ausbildung entscheidend dafür ist, ob unsere Ärzte in Österreich bleiben oder ins Ausland gehen“, sagt er (siehe Seite 10). Bei der Umfrage haben 87 Prozent angegeben, grundsätzlich bereit zu sein, für eine bessere Ausbildung ins Ausland zu gehen. Für Daniel von Langen, Obmann der Bundessektion Turnusärzte, sei die Situation derzeit „absurd“: „Anstatt die Qualität in der Ausbildung erhöhen zu wollen, damit junge Ärzte auch gerne hier arbeiten, wird nun versucht, die Genehmigung von Ausbildungsstellen, die bislang medizinisch kompetent geführt wird, in die Hände von Verwaltungsbehörden zu geben.“ Die Ausbildung müsse für Ärzte aus dem In- und Ausland attraktiv bleiben: „Der Ausbildungsstandort Österreich muss gestärkt und nicht geschwächt werden“, sagt von Langen. Zudem verweist er auf eine fehlende Qualitätskontrolle, die politisch unabhängig erfolgen solle: „Es geht hier um eine rein fachliche Einschätzung darüber, ob ein Spital Ärzte ausbilden darf oder nicht“, betont er. Krankenanstalten würden zumeist von den Bundesländern betrieben, damit sei keine Trennung der Eigentümerschaft von Krankenanstalten und behördlich anerkennender Stelle gegeben, die notwendig sei, um die Qualität der ärztlichen Ausbildung zu sichern. „Diese Diskussion gerade jetzt zu führen ist grotesk. Derzeit sind die Bezirksverwaltungsbehörden Corona-bedingt überlastet und man überlegt ernsthaft, ihnen noch zusätzliche Arbeit zu geben, bei der sie sich nicht auskennen“, sagt Mayer. (sni)

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2020