Ärztenachwuchs: Seltene Spezies

10.09.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Wissenschaftsminister Heinz Faßmann möchte die Allgemeinmedizin sowohl an den Medizinischen Universitäten als auch in der post-promotionellen Ausbildung stärken. Die Bundeskurie der angestellten Ärzte fordert eine unkomplizierte Finanzierung der Lehrpraxis.
Sophie Niedenzu

Sie werden gesucht, sind gefragt – und doch vielerorts noch zu rar: Allgemeinmediziner. Den Ärztenachwuchs näher an die Allgemeinmedizin zu bringen, wird auch im Ministerratsvortrag „Uni-Med-Impuls 2030“ von Heinz Faßmann, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, betont. Laut diesem sollen einerseits entsprechende Professuren, andererseits auch curriculare Maßnahmen umgesetzt werden, um die Allgemeinmedizin an den Medizinischen Universitäten zu stärken. In der post-promotionellen Ausbildungsphase sowie in der beruflichen Ausbildung und Praxis von Ärzten bedürfe es „zusätzlicher Maßnahmen und Anstrengungen“. Das sei besonders wichtig, sagt Harald Mayer, Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte der Österreichischen Ärztekammer (BKAÄ): „Wir haben einfach derzeit zu wenig Nachwuchs in der Allgemeinmedizin, benötigen ihn aber dringend, um Patienten wohnortnah ohne längere Wartezeiten zu betreuen, denn Allgemeinmediziner leisten auch einen wesentlichen Beitrag, um die Spitäler zu entlasten.“ Das Fundament sei eine qualitativ hochwertige allgemeinmedizinische Ausbildung.

Ein fixer und wesentlicher Bestandteil ist darin auch die Lehrpraxis. „Ärzte in Ausbildung sollen nicht nur den Betrieb in den Spitälern kennen, sondern auch in den Ordinationen, um ein umfassendes Wissen aufzubauen“, sagt Mayer. Aus diesem Grund fordert die BKAÄ in einer Resolution dazu auf, die allgemeinmedizinische Lehrpraxis auf finanziell stabile Beine zu stellen. Es müsse eine unkomplizierte Finanzierung geben, um bürokratische Hürden abzubauen. Was den Ärztenachwuchs angeht, sei neben einer umfassenden und praxisnahen Ausbildung auch noch die Planbarkeit. „Für Ärzte in Ausbildung sollten Dienstverträge für die gesamte Ausbildungsdauer abgeschlossen werden, denn zu einer attraktiven Ausbildung gehört auch, dass diese planbar ist“, sagt Turnusärztevertreter Daniel von Langen. Verträge, die kürzer angesetzt seien, seien durchaus auch Faktoren, warum zukünftige Ärzte nach Abschluss ihres Medizinstudiums in Österreich ihre Ausbildung im Ausland absolvieren, ist er überzeugt.

Qualität vor Quantität

Laut dem Papier von Faßmann sollen die Medizin-Anfängerstudienplätze von derzeit 1.680 auf bis zu 1.900 ausgebaut werden. Damit wird die von den Landeshauptleuten am Ende des Vorjahres geforderte „deutliche Aufstockung“ nicht umgesetzt. „Der nun geplante leichte Ausbau anstatt der ursprünglich nicht durchdachten und vielfach kritisierten geforderten Erhöhung auf 3.000 Studienplätze ist klar zu begrüßen“, sagt Mayer. Die Politik habe erkannt, dass die alleinige Zahl der Studienplätze nicht die Lösung aller Probleme im Gesundheitssystem sei. Denn um die Patientenversorgung auf dem hohen Niveau weiterhin zu garantieren, sei nicht die Absolventenzahl, sondern die Zahl jener Mediziner relevant, die nach ihrem Studium in Österreich ärztlich tätig sind und nicht auf Dauer ins Ausland gehen. „Wichtig sind sowohl die Qualität in der Arztausbildung, als auch die Arbeitsbedingungen und die Zukunftsperspektiven für den Ärztenachwuchs in Österreich“, ergänzt von Langen.

Erfreut zeigen sich die Spitalsärztevertreter auch darüber, dass Faßmann plane, die Bereiche Public Health, Epidemiologie und Infektiologie auszubauen und interuniversitäre Kooperationen zu stärken. „Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig auch die Forschung in diesen Bereichen ist“, betonen Mayer und von Langen. Die Maßnahmen sollen laut Bildungsministerium spätestens in den kommenden Leistungsvereinbarungen, die die Jahre 2022 bis 2024 umfassen, verankert werden.


Die Resolution im Wortlaut

Die BKAÄ fordert zur Attraktivierung der Allgemeinmedizin eine unkomplizierte und umfassende Finanzierung der allgemeinmedizinischen Lehrpraxis. Es ist wichtig, dass die zukünftigen Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner (auch) dort ausgebildet werden, wo sie zukünftig arbeiten sollen. Komplizierte Förderungskriterien werden das Angebot an Lehrpraxen eher reduzieren und dazu führen, dass sich junge Menschen seltener für die AM entscheiden (können).

Darüber hinaus fordert die BKAÄ, dass Dienstverträge für die gesamte Ausbildungsdauer abgeschlossen werden, um so den jungen Kolleginnen und Kollegen eine Karriereplanung (zumindest während der Ausbildung) zu ermöglichen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2020