Ärzte in Ausbildung: „Viel selbst entscheiden“

25.05.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Die Innere Medizin im Krankenhaus Oberndorf wird von angehenden Fachärzten sehr gut bewertet. Fordern, fördern und eine empathische Ausbildung seien der Schlüssel zum Erfolg, erzählt der Abteilungsleiter Christian Datz.

Sophie Niedenzu

Was ist Ihr Erfolgsrezept für das sehr gute Feedback? Ich freue mich irrsinnig über diesen Zuspruch, der in Zeiten zunehmender Anspruchshaltungen nicht selbstverständlich ist. Ganz im Sinne des Oberndorfer Ökonomen und Philosophen Leopold Kohr, der den Begriff „Small is beautiful“ geprägt hat, arbeiten wir in einem Krankenhaus mit überschaubarer Größe, in einem familiären Umfeld mit maximaler Flexibilität und exzellenter interdisziplinärer Kooperation. Wir betreiben die Ausbildung mit großer Empathie und sehen sie nicht als Belastung, sondern als tatsächlichen Auftrag. Dazu gehört auch eine flache Hierarchie, ein wertschätzender Umgang und die Bereitschaft, von den Jungen zu lernen.

Was gehört zu einer guten Arztausbildung dazu? Nur nett zu sein ist natürlich zu wenig, man muss Qualität fördern und fordern. Wir arbeiten mit einer „kontrollierten Eigenverantwortung“, analog zu der von Fußballtrainer Otto Rehhagel geprägter „kontrollierten Offensive“. Die Jungärzte werden nicht pausenlos an der Hand geführt, sondern dürfen nach Rücksprache medizinisch viel selbst entscheiden.  Zudem haben wir regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen und Journal Clubs. Unsere Assistenzärzte sind in einer fixen Rotation für die unterschiedlichen Funktionsbereiche eingebunden. Wir sind außerdem als Lehrkrankenhaus der medizinischen Privatuniversität Salzburg klinisch wissenschaftlich sehr aktiv, und publizieren unter Einbindung der jungen Ärzte – es besteht natürlich kein Zwang, aber die Möglichkeit. Der Ärztenachwuchs kommt sehr gerne und über Dissertationsbetreuungen und KPJ-Studierende ist sozusagen für „Nachschub“ gesorgt.

Welche Herausforderungen gibt es in der fachärztlichen Ausbildung? Es ist herausfordernd, die Ausbildungsempathie aufrecht zu erhalten, wenn man weiß, dass Ärzte in Ausbildung seit der Ausbildungsreform kürzer im Haus sind. Die neue Ausbildung führt zu einer schnelleren Spezialisierung. In unserem Spezialgebiet, der Gastroenterologie und Hepatologie, haben Assistenzärzte die Gewissheit, dass sie klinische Methoden wie Ultraschall-Untersuchungen und Endoskopien sehr gut erlernen können, da wir davon viele durchführen. Wichtig ist allerdings, immer eine ganzheitliche Sicht auf die Medizin zu forcieren. Für die Zukunft wird es schwierig werden, wenn wir die Spezialisierung zu sehr vorantreiben, die Patienten von Spezialist zu Spezialist wandern, das möglicherweise banale Grundproblem aber nicht mehr erkannt wird.

Was unterscheidet Ihre Generation von der heutigen? Unsere Anspruchshaltung war geringer ausgeprägt. Ich erinnere mich noch, als wir als Studenten bei einer Lebertransplantation dabei sein durften, allerdings mit großer Ehrfurcht so weit im Eck stehen mussten, dass wir überhaupt nichts mitbekommen haben. Und niemand hätte sich getraut zu sagen: Was ist das für eine Famulatur, wenn wir nichts lernen dürfen? Das Selbstbewusstsein der heutigen Generation, die Ausbildungsqualität entsprechend einzufordern, finde ich sehr gut.

Wenn Sie an Ihre eigene Ärzteausbildung zurückdenken – was hat sich geändert? Es gab nur wenige internistische Subdisziplinen und die konnte man häufig nur an Unikliniken vertiefend erlernen. Ich habe mir das damals mit Hospitationen an Unikliniken und einem Forschungsaufenthalt am Londoner King‘s College Hospital selbst organisiert. Ich erinnere mich auch an vier Tage dauernde Dienste. Dadurch hat man natürlich mehr Zeit am Patienten verbracht und sehr viel gelernt. Besonders familienfreundlich war es aber nicht und wäre so heute nicht mehr vorstellbar. Eine wesentliche Verbesserung ist der Einsatz neuer Medien. Wir Älteren lernen hier von den Jungen. Ein Unterschied zu heute besteht auch darin, dass man sich die Fachdisziplin aufgrund fehlender Ausbildungsstellen kaum aussuchen konnte. Ich wollte eigentlich Gynäkologe werden, habe dann aber ein Angebot für die Innere Medizin angenommen, da ich nach fast fünf Jahren nicht mehr länger Turnusarzt sein wollte. Und so wurde ich mit großer Leidenschaft Internist und Gastroenterologe. Wenn man Freude und Spaß an der Medizin hat, ist es vielleicht gar nicht so entscheidend, für welches Fach man sich letztlich entscheidet.
 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2020