USA: Stop AIDS

10.09.2019 | Politik


Donald Trump will die Verbreitung des Aids-Virus in den USA stoppen. Sein Ziel: Bis 2030 soll sich fast niemand mehr mit der Krankheit anstecken. Experten bezweifeln, dass das gelingen kann, da die 1,1 Millionen HIV-Infizierten und die Risikopersonen nur mit großem Aufwand zu erreichen sind.

Nora Schmitt-Sausen

Donald Trump träumt denselben Traum wie sein Vorgänger Barack Obama – zumindest mit Blick auf das Aids-Virus. Der Republikaner möchte HIV in den USA in wenigen Jahren eliminieren. Genau diese Vision einer „Aids-freien Generation“ hatte einst auch sein Vorgänger entworfen. „Wissenschaftliche Erkenntnisse machen einen einst sehr entfernten Traum zum Greifen nahe“, sagte der amtierende US-Präsident Anfang dieses Jahres bei seiner Rede zur Lage der Nation.

Die Ankündigung überraschte viele. Trump war bis dato nicht als Kämpfer im Einsatz gegen die Immunschwächekrankheit aufgefallen. Vielmehr hatte er wichtige HIV-Experten aus seinem Umfeld entlassen und mehrfach angedroht, Budgets für den Kampf gegen das Virus zu kürzen. Doch seine formulierten Ziele gehen nun weit über die Ansätze hinaus, die seine Vorgänger im Kampf gegen Aids/HIV wählten. Trumps „Ending the HIV Epidemic: A Plan for America“ sieht vor, die HIV-Epidemie in den USA innerhalb der kommenden zehn Jahre zu beenden. Die Zwischenschritte: Neuinfektionen sollen in fünf Jahren um 75 Prozent zurückgehen und um 90 Prozent bis zum Jahr 2030.

Im Fokus der Bemühungen stehen 48 von landesweit 3.000 US-amerikanischen Gemeinden, in denen mehr als die Hälfte aller 40.000 Neuinfektionen im Jahr auftritt. Diagnose, Therapie und Prävention sollen dort verstärkt werden, um so die Übertragung des Virus zu vermeiden. Vor allem soll ein breiterer Zugang zu Medikamenten gewährleistet werden, die Menschen davor schützen, sich mit dem Virus anzustecken. Soweit, so gut.

Aus medizinischer Sicht gilt die Strategie als stimmig. Doch an der Realisierbarkeit des Vorhabens gibt es Zweifel. Risiko-Personen müssen aufwändig identifiziert, behandelt und kontinuierlich mit Medikamenten versorgt werden. Doch diejenigen, die 40 Jahre nach dem erstmaligen Auftreten der Krankheit als Risikopersonen gelten, sind nur schwierig zu erreichen. Es sind häufig die Ärmsten der Armen: viele schlecht situierte, oft homosexuelle Afro-Amerikaner, Latinos, Drogenabhängige und Obdachlose. Viele leben in nur schwer zugänglichen Stadtvierteln oder in entlegenen ländlichen Regionen und bewegen sich nicht selten außerhalb des Versorgungssystems. Klar wird die Dimension der Aufgabe allein dadurch: Einer von zwei Amerikanern, der neu mit HIV diagnostiziert wird, trägt das Virus bereits seit mindestens drei Jahren unerkannt mit sich.

Enormer Aufwand

Der enorme strukturelle und finanzielle Aufwand, der mit der Strategie von Trump verbunden sei, benötige weit mehr als jene finanziellen Mittel, die von der Regierung für den Kampf gegen AIDS bereitgestellt wurden, analysierte kürzlich die New York Times. Dies sind bislang 20 Millionen Dollar jährlich plus 291 Millionen Dollar, die Trump zusätzlich für sein Vorhaben bereitstellen will. Problematisch ist auch, dass die Kosten für das einzige Medikament, das in den USA zur HIV-Prävention zugelassen ist, bei 20.000 Dollar pro Kopf pro Jahr liegen.

An dieser schwierigen Umsetzung ändert wohl auch „eine der größten Spenden eines Pharmakonzerns in der Geschichte der USA“ nichts, wie Gesundheitsminister Alex M. Azar vor wenigen Wochen verkündete. Der Hersteller des Medikaments zur HIV-Prävention hat sich verpflichtet, genug Arzneien zu spenden, um bis zum Jahr 2030 jährlich 200.000 unversicherte Risikopersonen zu behandeln – darunter auch Bewohner der 48 identifizierten Fokus-Regionen der Trump‘schen AIDS-Strategie. „Diese Zusage zu sichern, ist ein zentraler Schritt bei den Bemühungen der Trump-Regierung, die Instrumente zu nutzen, die wir in der Prävention und der Therapie verfügen, um die HIV-Epidemie in Amerika bis 2030 zu beenden“, sagte Azar. Trump habe den Deal persönlich mit ausverhandelt, heißt es.

Doch es gab nicht nur positive Reaktionen. Vor allem deshalb, weil kritische Stimmen sagen, das Unternehmen könne weit mehr tun, wenn es schlicht den Preis für das Medikament senke. In Europa etwa kostete es nur einige hundert Dollar im Monat.

Dennoch: Nur wenige Monate nach der Vorstellung von „Ending the HIV Epidemic: A Plan for America“ gibt es weitere Indizien dafür, dass der Wunsch, das Zeitalter von Aids zu beenden, für die Regierung mehr ist als eine Worthülse. Auf der National HIV Prevention Conference in Washington D.C. im Frühjahr dieses Jahres machte Gesundheitsminister Azar deutlich, dass die Regierung im Zusammenhang mit ihrer AIDS-Strategie Nadel-Austauschprogramme für Drogenabhängige unterstütze – ein Ansatz, der von den Republikanern traditionell seit vielen Jahren massiv abgelehnt wird. „Die Belege, dass gezielte Eingriffe an dieser Stelle im Sinne der öffentlichen Gesundheit sind, sind stark“, formulierte Azar. „Und die Unterstützung von Gemeinden beim Verwenden dieser Tools bedeutet weniger Infektionen und gesünderes Leben für unsere amerikanischen Mitbürger.“

Obamas Traum von der „Aids-freien Generation“ ist noch nicht in Erfüllung gegangen. Trumps Bemühungen stehen erst am Anfang.


Amerikas Kampf gegen HIV/AIDS

Die USA nehmen beim Kampf gegen das AIDS-Virus weltweit eine Vorreiterrolle ein. Es waren die Vereinigten Staaten, die die Erkrankung Anfang der 1980er Jahre in das Licht der Weltöffentlichkeit gerückt hatten. In den Folgejahren investierte das Land Hunderte Millionen US-Dollar in die Erforschung, Aufklärung und Behandlung von und über AIDS. Forscher konzipierten neuartige Verhütungsmethoden und Testverfahren, arbeiteten an Impfstoffen und entwickelten Medikamente, die heute die Krankheit beherrschbar machen. Der wissenschaftliche Einsatz der Amerikaner im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit ist bis heute ungebrochen.

Die Aktivitäten Amerikas haben einen guten Grund. Die USA waren von der Immunschwächekrankheit überaus stark getroffen. Präsident Bill Clinton sah im Virus eine „Gefahr für die nationale Sicherheit“. In einigen Jahren der 1980er und 1990er Jahre starben in den USA mehr Menschen an AIDS als an anderen Krankheiten. Im Jahr 1990 beklagte das Land bereits 100.000 AIDS-Tote; im Jahr 1995 führten die Vereinigten Staaten in ihren Datenbanken eine halbe Million HIV-Infizierte.

Die Bemühungen von Politik und Medizin zeigten erst in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre Wirkung: 1996 begann die Zahl der Neu-Infektionen erstmals seit Ausbruch der Krankheit zu sinken; 1997 sank die HIV-Sterberate in den USA um 47 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zurückzuführen war dies vor allem auf ein neues aggressives Therapieverfahren.

Barack Obama sorgte in den USA für eine historische Veränderung im Kampf gegen das Virus. Der Demokrat stellte im Jahr 2010 eine nationale AIDS-Strategie vor, ein Novum in der Geschichte der USA. 2015 legte der Demokrat die Strategie neu auf – mit einer Vision bis 2020. Die Regierung Obama konzentrierte sich vor allem darauf, den Zugang zur Versorgung für Risikopersonen und HIV-Infizierte zu verbessern. Eine besondere Rolle spielte dabei die umstrittene Gesundheitsreform des Demokraten. Alle Amerikaner zwischen 15 und 65 Jahren können sich seither einem AIDS-Test unterziehen – als kostenfreie Präventivleistung. HIV-Infizierte erhalten Zugang zur Gesundheitsversorgung, da die Versicherer sie nicht mehr wegen Vorerkrankung ablehnen können, wie dies gängige Praxis vor der Gesundheitsreform war.

Trotz aller Verbesserungen hat HIV/AIDS in den USA nach wie vor eine immense Dimension: Mehr als 700.000 Amerikaner sind seit 1981 an der Immunschwächekrankheit gestorben. Die Zahl der Neuinfektionen ist zwar zurückgegangen; stagniert aber seit einigen Jahren bei schätzungsweise 40.000 pro Jahr.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2019