Steiermark: Impfdatenbank für die Praxis

10.04.2019 | Politik


Rund 2,3 Millionen Impfungen von steirischen Kindern und Jugendlichen sind in der Datenbank der Wissenschaftlichen Akademie für Vorsorgemedizin in Graz erfasst. So konnte etwa beim Masernausbruch in der Steiermark die Zahl der Personen ohne ausreichenden Impfschutz, die zur postexpositionellen Prophylaxe eingeladen wurden, rasch eingegrenzt werden.
Ulrike Haider-Schwarz

Beim steirischen Impfnetzwerk haben sich einige Hundert niedergelassene Ärzte, Kinderkliniken und Amtsärzte zusammengeschlossen. Sie sammeln Impfinformationen von Kindern ab dem Kleinkindalter. Die dadurch generierten Daten über Impfungen, Impflinge und Impfstoffe werden in der steirischen Impfdatenbank zusammengeführt. Schon 1999 wurde in der Steiermark das Scheckheft für Eltern mit Kindern im Kleinkindalter entwickelt. Zu Beginn der Gratis-Kinderimpfaktion wurden nur Kinder im Kleinkindalter im kostenfreien Impfkonzept berücksichtigt, später auch Kinder im schulpflichtigen Alter bis zu 15 Jahren.

Die Wissenschaftliche Akademie für Vorsorgemedizin (WAVM) ist vom Land Steiermark mit der Administration der Gratis-Kinder-Impfaktion und des Kinder-Vorsorgeprogramms „Mutter-Kind-Informationssystem“ beauftragt. Sie ist mit der Führung der steirischen Impfdatenbank betraut, betreut das Eltern-Kind-Infoservice und administriert das Scheckheft „Gesundheit für Eltern und Kind“.

Aktuell sind in der Impfdatenbank 67.000 der Null- bis Sechsjährigen, 97.000 der Sieben- bis 15-Jährigen sowie 111.000 Eltern und Sorgeberechtigte der bis zu 15-Jährigen erfasst. In Summe sind 2,3 Millionen Impfungen in der Datenbank. „Diese Daten sind ein wichtiges Werkzeug, wie sich Anfang des Jahres beim Masernausbruch in Graz gezeigt hat“, erklärt die Geschäftsführerin der Wissenschaftlichen Akademie für Vorsorgemedizin, Margit Pufitsch-Weber. Nach der Geburt eines Kindes erhalten die Eltern noch im Spital das Scheckheft für die Impfungen mit einer Reihe von personalisierten Bons. Das Scheckheft beinhaltet neben der Impfmeldung für das Kind – als Information für Eltern und allfällige andere Ärzte, die Impfungen vornehmen –, einen Rezeptbon, mit dem der Impfstoff in der Apotheke erworben werden kann sowie den Impfgutschein für Ärztinnen und Ärzte, der für die Dokumentation der Impfung und die Abrechnung des ärztlichen Impfhonorars notwendig ist. Alle Bons und das Impfscheckheft selbst verfügen über einen Barcode, der die Daten dem jeweiligen Impfling, Impfstoff und der Teilimpfung zuordnet. Die mit dem Scheckheft gesammelten Daten werden – sofern die Eltern zustimmen – gesammelt und gespeichert.

Abfrage des Impfstatus

Das wiederum ermöglicht, dass beispielsweise Eltern bestimmte Informationen aus der Datenbank anfordern und so auf Daten zugreifen können, die möglicherweise in der Familie nicht mehr vorhanden sind. Das ist der Fall, wenn etwa der Impfpass verloren geht und der Nachweis über bestimmte Impfungen in der Schule erbracht werden muss. Der Impfstatus kann abgefragt werden; mit Hilfe des Eltern-Kind-Informationsservices werden Eltern über anstehende Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen und die empfohlenen Impfungen informiert. Außerdem haben Ärztinnen und Ärzte, die im steirischen Impfnetzwerk tätig sind und sich registriert haben einen Online-Zugang zur Datenbank. So können sie zum Beispiel gezielte Impfrecherchen durchführen und abfragen, welche Impfungen ein Patient erhalten hat.

Nur Daten über Impfungen zu sammeln, bezeichnet Allgemeinmediziner Michael Adomeit, Obmann der Wissenschaftlichen Akademie für Vorsorgemedizin, als „sinnlos“; vielmehr gehe es darum, Synergien zu nutzen: „Je genauer die Daten geführt werden, umso mehr sinnvolle Verknüpfungen und Synergien können hergestellt werden. So kann zum Beispiel das Recall-System der Mutter-Kind-Pass-Termine mit dem Gratisimpfprogramm verknüpft werden. Das steigert den Wert einer solchen Datenbank und ermöglicht, im Ausbruchsfall rasch und gezielt reagieren zu können.“

Rasche Information bei Krankheitsausbruch

So konnte die Wissenschaftliche Akademie für Vorsorgemedizin beim Masernausbruch Anfang dieses Jahres in der Steiermark der Grazer Kinderklinik rasch Informationen über den Impfstatus jener Personen geben, die mit dem an Masern erkrankten Kind in der Kinderambulanz des Krankenhauses Kontakt gehabt hatten. Adomeit dazu: „Mit der Datenbankabfrage war es möglich, die Zahl der zu kontaktierenden Personen einzugrenzen und nur jene zur postexpositionellen Impfung einzuladen, die über keinen ausreichenden Impfschutz verfügen.“ Damit konnte man wertvolle Zeit sparen und auch den administrativen Aufwand im Hinblick auf die notwendige Kontaktaufnahme bei möglicherweise Betroffenen reduzieren. Auch im niedergelassenen Bereich wurde auf die Datenbankabfrage im Zuge des Masernausbruchs zurückgegriffen: nämlich als eine an Masern erkrankte Person in der Ordination eines niedergelassenen Arztes Kontakt mit anderen Patienten hatte. Auch hier konnten zielgerichtet die betroffenen Personen ermittelt werden.

Abfragen in der Impfdatenbank helfen auch Amtsärzten, die Umgebungsimpfungen durchführen. So konnten beispielsweise die Mitschüler des 16-jährigen an Masern Erkrankten an einer Grazer Schule, die über keinen ausreichenden Impfschutz verfügten, innerhalb kürzester Zeit eruiert werden.

Darüber hinaus ist es mit Hilfe der Datenbank möglich, Durchimpfungsraten regional und auch lokal auszuwerten. Im Zuge des aktuellen Masernausbruchs wurden dabei in einer ersten Tranche jene Schulen informiert, bei denen die Durchimpfungsrate unter 70 Prozent lag. In der zweiten Tranche wurden jene Schulen kontaktiert, bei denen die Durchimpfungsrate zwischen 80 und 90 Prozent war. „Die Zahl der Impfbon-Bögen, die wir danach ausgegeben haben, ist in den letzten Wochen merklich angestiegen. Es wird also viel nachgeimpft“, berichtet Adomeit.

Zusätzlich zur Informationstätigkeit an den Schulen wurden auch im Umkreis von 15 Kilometern alle niedergelassenen Ärzte, die jeweiligen Gemeinden und die Eltern jener Kinder von der Wissenschaftlichen Akademie für Vorsorgemedizin informiert, bei denen nur eine MMR-Impfung dokumentiert war. Nach der breit gestreuten Information geht Adomeit von einem beträchtlichen Anstieg der Impfrate in diesen Regionen aus – was sich vermutlich nach der vollständigen Auswertung auch in den Daten widerspiegeln wird.

e-Impfpass in Pilotregionen

In den Pilotregionen Wien, Niederösterreich und Steiermark wird im kommenden Jahr der elektronische Impfpass eingeführt; ein Jahr danach soll der Impfpass österreichweit ausgerollt werden. Die digitale Dokumentation erfolgt im Rahmen von ELGA; die bereits bestehenden Systeme der Landessanitätsdirektionen der Bundesländer sollen ebenso wie die Wissenschaftliche Akademie für Vorsorgemedizin, die auf mehr als 20 Jahre Erfahrung in diesem Bereich zurückblicken kann, angeschlossen werden. Adomeit dazu: „Es ist wichtig, den Status quo der Steiermark als ‚Golden Standard‘ weiterzuführen. Denn nur valide Daten sichern im Ausbruchsfall die schnelle, qualitätsgesicherte Handlungsfähigkeit.“ Wenn die Daten nicht in ausreichender Menge und Qualität vorhanden seien, könne nicht exakt informiert und zur Impfung motiviert werden.

Damit ein solches Modell technisch und logistisch österreichweit funktioniert, gilt es nach Ansicht von Adomeit, noch einige Herausforderungen zu meistern. Dazu zählt beispielsweise die Heterogenität des Zugangs der Ärzte. So hätten beispielsweise Arbeitsmediziner, Ärzte in Heeresspitälern und auch viele Wahlärzte keinen ELGA-Zugang. Eine weitere Anregung von Adomeit: „Das System muss so aufgebaut sein, dass diese Aufzeichnungen parallel zu ärztlichen Aufzeichnungen möglich sind. Sonst könnten Lücken in den Aufzeichnungen entstehen oder es könnte zu invaliden Daten kommen. „Für den Kollegen muss der Mehrwert klar sichtbar sein und es muss zur Modernisierung des Vorhandenen führen. Ein zusätzlicher bürokratischer Aufwand darf nicht entstehen.“


Recherche in der Impfdatenbank

In der steirischen Impfdatenbank sind insgesamt 2,3 Millionen Impfungen erfasst. Ärztinnen und Ärzte, die im steirischen Impfnetzwerk tätig sind und sich registriert haben, haben online Zugang zur Datenbank. Damit können sie gezielte Recherchen durchführen und abfragen, welche Impfungen ein Patient erhalten hat. Eine Suche ist sowohl über den Namen des Impflings, als auch über Geburtsdatum und Sozialversicherungsnummer möglich. Die Ergebnisse können nach Impfstoffen, Teilimpfungen, Impfdatum und Impfstoffkomponenten gefiltert werden.

Mit Hilfe der Datenbank ist es auch möglich, Durchimpfungsraten regional und auch lokal auszuwerten. So können etwa Impfquoten nach verschiedenen Variablen wie zum Beispiel Wohnregion, Jahrgang, Schulstufe, Geschlecht etc. analysiert werden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2019