Radio­lo­gi­sche Ver­sor­gung: Prä­ze­denz­fall Pinzgau?

25.06.2019 | Politik


Schon seit Jah­ren gärt es im Pinz­gau. Die Vor­ge­schichte zur radio­lo­gi­schen Ver­sor­gung ist kom­plex, teil­weise ver­wir­rend und reicht bis ins Jahr 2012 zurück. Die Situa­tion ist inso­fern von Bedeu­tung, weil damit die Ver­sor­gungs­struk­tur von Grund auf in Frage gestellt wird.

Han­ne­lore Nöbauer

Begon­nen hat alles im Jahr 2012, als das Land Salz­burg und die Salz­bur­ger GKK die GÖG (Gesund­heit Öster­reich For­schungs- und Pla­nungs-GmbH) beauf­trag­ten, für den Salz­bur­ger Pinz­gau ein „Ver­sor­gungs­kon­zept“ für den Fach­be­reich Radio­lo­gie aus­zu­ar­bei­ten. Laut gül­ti­gem Stel­len­plan waren im Pinz­gau zwei §2‑Kassenstellen für Radio­lo­gie vor­ge­se­hen: eine in Saal­fel­den, eine in Zell am See. Nach der Prä­sen­ta­tion des GÖG-Berich­tes im Juni 2013 teilte die GKK mit, dass man sich dazu ent­schlos­sen habe, „mit Aus­lau­fen der Ver­träge der bei­den nie­der­ge­las­se­nen Radio­lo­gen diese nicht mehr neu zu beset­zen …, son­dern die Ver­sor­gung in ört­li­che Kran­ken­an­stal­ten zu ver­la­gern …“. Als Haupt­grund für diese Ent­schei­dung wird „die bes­sere Nut­zung der in den Kran­ken­häu­sern ohne­hin vor­han­de­nen tech­ni­schen Infra­struk­tur“ genannt. Außer­dem würde es zu einer nam­haf­ten Kos­ten­er­spar­nis kom­men. „Das Haupt­ar­gu­ment war die Nut­zung von Syn­er­gie­ef­fek­ten“, wie der Prä­si­dent der Ärz­te­kam­mer Salz­burg, Karl Forst­ner, im Gespräch mit der ÖÄZ berich­tet. „Es war von Ein­spa­run­gen von einer Mil­lion Euro im Jahr die Rede.“ 

Prof. Leo Chini vom For­schungs­in­sti­tut für freie Berufe an der Wirt­schafts­uni­ver­si­tät Wien unter­zog den GÖG-Bericht einer Prü­fung – mit dem Resul­tat, dass die Ent­schei­dung der GKK, die Radio­lo­gie-Kas­sen­stel­len nicht mehr neu beset­zen zu wol­len, nur „teil­weise“ dem Ergeb­nis­be­richt der GÖG entspricht.

Nach vie­len Dis­kus­sio­nen stimmte die Salz­bur­ger Ärz­te­kam­mer dem Beschluss der GKK den­noch zäh­ne­knir­schend zu, dass die bei­den Pinz­gauer Radio­lo­gie-Ordi­na­tio­nen nach den Pen­sio­nie­run­gen von Dr. Vog­ler und Dr. Silli vom Stel­len­plan ver­schwin­den. Die GKK ver­kün­dete, dass die radio­lo­gi­sche Ver­sor­gung im Pinz­gau vom Tau­ern­kli­ni­kum über­nom­men werde. Es wurde ver­si­chert, dass es zu kei­ner Ver­schlech­te­rung der Ver­sor­gung kom­men werde. Forst­ner dazu: „Die radio­lo­gi­schen Leis­tun­gen sol­len künf­tig durch Ver­trags­zu­ord­nung zum Kran­ken­haus Zell am See von die­sem erbracht wer­den. Es geht hier also nicht um einen Mei­nungs­un­ter­schied zwi­schen Kam­mer und Sozi­al­ver­si­che­rung über den Bedarf von medi­zi­ni­schen Leis­tun­gen im Grund­sätz­li­chen oder über des­sen Ver­or­tung, son­dern um die Ein­la­ge­rung in ein Spi­tal.“ Die­ses liegt noch dazu etwas außer­halb von Zell am See; in einer Unter­schrif­ten­ak­tion spra­chen sich zahl­rei­che Bür­ger bereits vor Jah­ren für einen Stand­ort in der ehe­ma­li­gen Pra­xis aus.

Keine aus­rei­chende Versorgung 

Die Kli­nik hatte aller­dings jah­re­lang Schwie­rig­kei­ten, die Ver­sor­gung zu über­neh­men. Die nie­der­ge­las­se­nen Ärzte kri­ti­sier­ten, dass das Sys­tem nicht funk­tio­niert, und auch die Bevöl­ke­rung beschwerte sich, vor allem über die lan­gen War­te­zei­ten für Ter­mine und Befunde. Viele Pati­en­ten sind für radio­lo­gi­sche Unter­su­chun­gen in benach­barte Bun­des­län­der gewech­selt; Akut­ter­mine waren rar; auch Vor­sorge-Unter­su­chun­gen wur­den zum Dis­kus­si­ons­punkt. Meh­rere pro­vi­so­ri­sche Lösun­gen wur­den geschaf­fen: So wurde in Zell am See eine radio­lo­gi­sche Pra­xis vor­über­ge­hend von einem Wahl­arzt geführt, der ein befris­te­tes Son­der­ver­rech­nungs-Über­ein­kom­men der Kran­ken­ver­si­che­rung erhielt. Dadurch konn­ten Ver­si­cherte mit E‑card und ohne Selbst­be­halte radio­lo­gi­sche Leis­tun­gen in Anspruch nehmen.

Inzwi­schen hat die Stadt Zell am See die Pra­xis von Dr. Silli erwor­ben; das Tau­ern­kli­ni­kum möchte dort radio­lo­gi­sche Leis­tun­gen anbie­ten. Bis zuletzt war aller­dings unklar, ob die Tau­ern­kli­nik eine Pra­xis für Radio­lo­gie im Stadt­zen­trum über­neh­men und betrei­ben darf, da noch keine Betriebs­stät­ten-Geneh­mi­gung durch das Land vor­lag und die Pra­xis daher nicht durch das Kran­ken­haus, son­dern nur durch einen nie­der­ge­las­se­nen Arzt betrie­ben wer­den muss. Mit die­ser Lösung erhielt das Kran­ken­haus Zell am See eine Über­gangs­frist, inner­halb der es eigene Räum­lich­kei­ten adap­tie­ren oder die ent­spre­chen­den Bewil­li­gun­gen für die ange­kauf­ten Pra­xis­räum­lich­kei­ten ein­ho­len konnte, um die umfas­sende radio­lo­gi­sche Ver­sor­gung sicher­zu­stel­len. Der Ver­trag zwi­schen dem Kran­ken­haus und der Kran­ken­ver­si­che­rung blieb damit auf­recht. Die bereits seit über einem Jahr ange­bo­te­nen radio­lo­gi­schen Leis­tun­gen im Kran­ken­haus Mit­ter­sill und im Sana­to­rium Rit­zen­see blie­ben aufrecht. 

„Man hat durch die Nicht-Nach­be­set­zung der Kas­sen­stelle für Radio­lo­gie in Zell am See die funk­tio­nie­rende radio­lo­gi­sche Ver­sor­gung im Pinz­gau zer­schla­gen. Trotz Zusi­che­run­gen und Beteue­run­gen ist es den Tau­ern­kli­ni­ken in mehr als drei Jah­ren nicht gelun­gen, räum­lich, gerä­te­mä­ßig oder per­so­nell die Vor­aus­set­zun­gen für eine umfas­sende sta­tio­näre und ambu­lante radio­lo­gisch-medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung in Zell am See zu schaf­fen“, so Forst­ner. Nun erlaubt ein Bescheid des Lan­des dem Tau­ern­kli­ni­kum, die ehe­ma­lige Radio­lo­gie­pra­xis von Dr. Silli künf­tig quasi als radio­lo­gi­sche Abtei­lung der Kli­nik zu betreiben.

Ärz­te­kam­mer beein­sprucht Bescheid

Die Ärz­te­kam­mer hat die­sen Bescheid des Lan­des umge­hend beein­sprucht. Eine Betriebs­be­wil­li­gung ist damit noch nicht fix. For­mal geht es um die „Errich­tung einer Kran­ken­an­stalt“. Jetzt muss das Lan­des­ver­wal­tungs­ge­richt ent­schei­den. Forst­ner wei­ter: „Wir als Ärz­te­kam­mer wol­len ver­hin­dern, dass über die Hin­ter­türe nie­der­ge­las­sene Struk­tu­ren zer­schla­gen wer­den.“ Der ursprüng­li­che Beweg­grund erheb­li­cher Ein­spa­run­gen werde kon­ter­ka­riert. „Durch diese Lösung ergibt sich eine funk­tio­nelle Wie­der­her­stel­lung der ursprüng­li­chen radio­lo­gi­schen Ver­sor­gung, nun­mehr aber nicht mehr betrie­ben durch frei­be­ruf­li­che Radio­lo­gen, son­dern durch eine Gesell­schaft im Besitz der Stadt­ge­meinde. Über den Umweg einer vor­geb­li­chen Ein­spa­rung durch Ein­la­ge­rung in ein Kran­ken­haus wird eine frei­be­ruf­li­che Ein­rich­tung ver­staat­licht. Das hat es in Öster­reich in die­ser Form bis­her nicht gegeben.“

Die Ärz­te­kam­mer fürch­tet einen Prä­ze­denz­fall. Im Fall einer rechts­kräf­ti­gen Geneh­mi­gung könnte die­ser Weg bun­des­weit für jede Ordi­na­tion vor­ge­nom­men wer­den. Forst­ner sieht darin eine bun­des­weite fun­da­men­tale Bedro­hung der Gesamt­ver­träge der Lan­des­ärz­te­kam­mern mit der Sozi­al­ver­si­che­rung. Diese Sys­te­ma­tik solle offen­bar grund­sätz­lich gesprengt wer­den. Und wei­ter: „Damit wäre die Geschäfts­grund­lage von Gesamt­ver­trä­gen prin­zi­pi­ell mit Wir­kung für ganz Öster­reich zer­stört.“ Sozi­al­ver­si­che­run­gen könn­ten – wo immer sie wol­len – unter Umge­hung der Stel­len­pläne Plan­stel­len nicht mehr nach­be­set­zen und die Leis­tun­gen in Kran­ken­häu­ser ver­la­gern. Als unmit­tel­bare Folge wären hier Ver­hand­lun­gen über Kas­sen­plan­stel­len im sozi­al­part­ner­schaft­li­chen Zusam­men­wir­ken weit­ge­hend obso­let. „Das kön­nen wir als Stan­des­ver­tre­tung der Ärzte nicht akzep­tie­ren und wer­den alle erfor­der­li­chen Rechts­mit­tel aus­schöp­fen. Wir als Ärz­te­kam­mer wün­schen uns, dass die Pra­xis wei­ter­hin von einem nie­der­ge­las­se­nen Arzt mit Kran­ken­kas­sen­ver­trag betrie­ben wird, egal ob als Ein­zelor­di­na­tion oder Grup­pen­pra­xis, die auch die kas­sen­ra­dio­lo­gi­sche Ver­sor­gung in Saalfelden/​Ritzensee und/​oder Mit­ter­sill über­neh­men könnte“, betont Forstner. 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 12 /​25.06.2019