Porträt Peter Patzak: Malerei mit Regie

10.11.2019 | Politik


Zwei Meister ihrer Art – ein Künstler und ein Gefäßchirurg – haben zueinandergefunden: Peter Patzak und Priv. Doz. Afshin Assadian. Was die beiden über ihre alliterierenden Initialen hinaus miteinander verbindet? Ein im Verlagshaus der Ärzte erschienenes Sachbuch über die Gefäße im menschlichen Körper.

Ursula Scholz

Multitalent Peter Patzak ist nicht nur Maler, Regisseur, Autor, Produzent, emeritierter Institutsvorstand und Regieprofessor der Wiener Filmakademie, sondern auch eine Ikone für Generationen. Fast kein österreichisches Leben ist ohne Kottans Ermittlungen ausgekommen. Mit jener anarchistischen Parodie des Kriminalgenres, erreichte der Sohn eines Majors der Polizei sieben Jahre lang ein breites Publikum und sicherte sich einen Platz im kollektiven Gedächtnis der Österreicherinnen und Österreicher. Patzaks Experimentalfilme – wie jener über den Philosophen Jakob Johann von Uexküll und seine Umwelttheorie – oder seine Malerei sind jedoch nur einem auserwählten Kreis bekannt.

Auch der Gefäßchirurg Priv. Doz. Afshin Assadian lernte Patzak zunächst über die Kottan-Filme kennen. „Für mich ist der Mann eine Legende. Mit Kottan hat er so etwas Ur-Wienerisches geschaffen …“, schwärmt er. Als Facharzt begegnete Assadian schließlich auch dem privaten Menschen Peter Patzak – und in weiterer Folge seiner Malerei, die ihn zur Bitte um ein Cover für sein Buch bewogen hat.

Zunächst allerdings ersuchte Assadian den prominenten Patienten um ein Vorwort zu seinem Buch über die menschlichen Gefäße. Patzak möge die Leser aus seiner Perspektive zu mehr Rücksicht auf die eigene Gesundheit motivieren. Dafür sei er besonders geeignet, weil er ein beliebtes Vorbild für Generationen sei, so die Überlegung von Assadian. Patzak hingegen ist ein Mensch jenseits der berufsimmanenten Prävention und kein typischer Repräsentant der maßvollen Vernunft. Eher einer, der drei Leben parallel leben könnte, weil er über so viel Inspiration und Motivation verfügt. Es entstand Vertrauen zwischen den beiden Meistern ihres Faches – und so kam es, dass nun sowohl ein Vorwort von Peter Patzak als auch eine malerische Neuinterpretation und künstlerische Anreicherung einer CT-Angiographie eines Aortenaneurysmas das Buch „Gefäße: Wie sie gesund bleiben – wie sie gesund werden“ von Assadian bereichern, das im Verlagshaus der Ärzte erscheint und ab sofort erhältlich ist.

Ambivalenz Anatomie

Nur ja nichts Zeichnerisch-Anatomisches hatte Patzak im Sinn, als er sich zur Gestaltung des Covers bereit erklärte. Auch wenn ihn die Anatomie immer schon interessiert hat: „Sie ist der Ursprungsort meiner Strukturen, der Auslöser jener Bilder, die man in sich trägt, ohne sie zu orten.“ Auch meint Patzak auf Nachfrage, wenn er jemals daran gedacht hätte, Arzt zu werden, wäre er wohl Anatom geworden.

Letztlich inspirierte ihn eine von Assadian zugesandte CT-Angiographie zu seinem Buchcover: „Ich hatte als erste Idee so etwas wie die frühen Jackson Pollock-Zeichnungen im Kopf. Aber als ich diese Aufnahme gesehen habe, wusste ich, in welches malerische Umfeld ich genau dieses Bild setzen wollte.“ Nun rahmt eine „scripturale Struktur“, wie Patzak selbst formuliert, die durchaus Teil eines durchbluteten Organismus sein könnte, das zentrale Bild des Aneurysmas und verleiht ihm eine eigene Dynamik.

Steter Zweifel

Für Peter Patzak, der 1945 in Wien geboren und primär durch seine vielfältige und auch im Ausland erfolgreiche Regietätigkeit bekannt geworden war, gehörte das Malen schon früh untrennbar zu seiner Persönlichkeit. „Mit 17 hatte ich meine erste Ausstellung in einer Galerie in der Biberstraße unter der Patronanz von Albert Paris Gütersloh. Damals war ich schon mit jeder Sekunde meines Seins der Malerei verschrieben“, erzählt er von seinen Anfängen. Trotzdem hat er neben Malerei auch Psychologie und Kunstgeschichte studiert. „Fantastisch-surreal“ sei sein Stil der frühen Phase gewesen, beschreibt er rückblickend. Die Lasurtechnik, die er bereits damals favorisierte, zieht sich seither durch die Jahrzehnte seines künstlerischen Schaffens; das Malen in Schichten ebenso wie das Spiel mit Verbergen oder Preisgeben der Geheimnisse unter der Oberfläche. Aber auch die aufwendige Vorbereitung eines Bildes und das stete Hinterfragen der Inhalte seiner Werke begleiten ihn seit seinen Jugendjahren. „Ich kann nicht wie andere Künstler ins Atelier gehen und spontan loslegen. Bevor ich zu malen beginne, recherchiere ich im Vorfeld lange, was genau die Aufgabe dieses Bildes für mich ist. Der Betrachter muss das nicht wissen. Aber ich kann es nur malen, wenn ich das weiß.“

Neben der Anfangsphase stellt auch die Endphase eines Bildes für Patzak eine Herausforderung dar. „Für mich ist es immer wieder ein schwieriger Moment, zu entscheiden, wann ein Bild wirklich fertig und präsentierbar ist. Ich tendiere stets zum Weitermachen, was nicht ungefährlich ist, weil man ein Bild auch zu Tode malen kann.“

Über viele Jahre konnte Patzak am besten nachts malen. Mit der Magie der Dunkelheit hatte diese Gewohnheit jedoch wenig zu tun: „Nachts gemalt habe ich vor allem in jener Zeit, in der ich filmisch sehr aktiv war“, erklärt er ganz pragmatisch. „Außerdem läutet dann auch kein störendes Telefon.“ Er brauche im Gegensatz zu anderen Künstlern nicht so viel Licht im Atelier. Dass das nächtliche Malen an die Stelle des Schlafens trat, nahm er gelassen. „Ich habe mich bildnerisch regeneriert.“

Seit er sich 2013 von der Filmakademie zurückgezogen hat, verbringt Peter Patzak mittlerweile aber auch wieder viele Tage in seinem Atelier, das gerade umgebaut wird.

Zwischen Film und Malerei sieht Patzak eine logische Verbindung: „Man richtet ja jede Phase einer Szene als Bild ein – und nicht gleich die ganze Szene.“ Aber auch zwischen der Arbeit eines Regisseurs und eines Chirurgen zieht er Parallelen: „Der Film bietet eine ganz andere Form der Kommunikation als ein malerischer Prozess. Man ist umgeben von Menschen, die Hand in Hand arbeiten und dabei Hochleistung erbringen.“ In der Abgeschiedenheit des Maler-Ateliers hingegen gehe man nach innen und gelange an den Punkt totaler Ehrlichkeit. „Ist man nicht zufrieden mit dem Ergebnis, kann man niemandem anderen die Schuld dafür zuschieben.“

Immer noch Raum

Die Meinung anderer zu seinen Werken beeinflusst in manchen Fällen auch seinen eigenen Zugang. „Ich mag ein paar Bilder, weil die anderen sie mögen.“ Ein Beispiel dafür ist ein Selbstportrait aus dem Jahr 1961, das schon bei seiner ersten Ausstellung gezeigt wurde. „Ein paar Kenner sind sehr angetan davon und es gefällt auch mir selbst mit den Jahren immer besser“, erzählt er. Ob Peter Patzak das eine, lang ersehnte, aber noch nicht gemalte Bild in sich trägt? „So konkret, wie das Ihre Frage impliziert, nicht“, antwortet er. „Aber ich komme nie zur Ruhe, weil ich zwischen Erreichtem und Erträumten immer noch Raum sehe.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2019