Porträt Annette Runge: Award für Prüfung

15.07.2019 | Politik


Annette Runge hat als erste Kandidatin aus dem deutschsprachigen Raum die beste Europäische Facharztprüfung für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde abgelegt und hat dafür kürzlich am Internationalen HNO-Kongress in Brüssel den Klaus-Albegger-Award erhalten.

Ursula Jungmeier-Scholz

Als erstes habe ich mir gedacht: Das war ein teurer Ausflug nach London“, erzählt Annette Runge rückblickend von ihrer spontanen Reaktion auf den schriftlichen Teil der Europäischen HNO-Facharztprüfung. Die gebürtige Deutsche, die ihre Facharztausbildung an der Innsbrucker Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde beendet hat und seither in Tirol lebt und arbeitet, war sich nach dem ersten schriftlichen Teil nicht einmal sicher, ob sie die Prüfung überhaupt erfolgreich bestanden hatte. „Hundert Multiple Choice-Fragen auf hohem Niveau. Viele Antworten musste ich logisch herleiten. Da war ich mir zunächst nicht sicher, ob sie auch korrekt waren.“ Aber besonders durch diese eigenständige Kombinationsleistung konnte die 34-Jährige wohl letztlich brillieren.

Bestleistung in Wien

„Bei der mündlichen Prüfung in Wien hatte ich sofort ein gutes Gefühl. Es hat richtig Spaß gemacht, die Fälle zu diskutieren. Aber dass es zur Bestleistung gereicht hat, habe ich auch nach diesem Part nicht geahnt und war richtig gerührt, als Dozent Luxenberger und Professor Albegger auf mich zukamen und mir gratulierten.“ Dass der mündliche Teil dieser erst vor fünf Jahren ins Leben gerufenen Europäischen Facharztprüfung stets in Österreich stattfindet, resultiert aus der Verbindung zum emeritierten Salzburger HNO-Professor Klaus Albegger, der auch Namensgeber für den Preis ist. Als erster Chairman hatte er wesentlichen Anteil daran, dass die Europäische Facharztprüfung für HNO ins Leben gerufen wurde, weshalb die mündliche Prüfung bisher auch immer nur in Wien stattgefunden hat. Die bisherigen Preisträger stammten aus Griechenland, Singapur und Indien; die Anziehungskraft der international anerkannten Prüfung wirkt also weit über Europa hinaus.

Leidenschaft Forschung

Internationale Kooperationen haben für Runge nicht nur deshalb einen hohen Stellenwert, weil sie gerne reist und auch beruflich mobil ist, wie ihr Werdegang von Leipzig über Rüsselsheim nach Innsbruck beweist. Sondern auch, weil ihre Leidenschaft neben der klinischen Arbeit der Forschung gilt. Aktuell befasst sie sich mit Analysen des Sekrets bei kindlichen Paukenergüssen und dessen möglicher chronischer Virusinfektion.

Neben dem wissenschaftlichen Interesse in Kombination mit dem Wunsch, eine
möglichst gute Klinikerin zu sein, kommt derzeit auch keine Niederlassung in Frage. „Da würden mir im Moment einfach die Forschungsmöglichkeiten fehlen. Außerdem möchte ich meine operative und fachliche Kompetenz so weit ausbauen, dass ich auch an einem Haus der Maximalversorgung eigenständig alle Routine- und Notfälle einschätzen und behandeln kann. Hierfür haben wir an der Universitäts-HNO-Klinik optimale Bedingungen. Außerdem haben wir ein tolles ärztliches und pflegerisches Team mit einem hohen Maß an Erfahrung und Fachwissen. Die technische Ausstattung im Haus ist auf dem neuesten Stand, sodass wir unsere Patienten immer State of the Art behandeln können.“

Kleines, feines Arbeiten

Nach dem Abitur am Goethe-Gymnasium im thüringischen Gera (unterbrochen durch einen USA-Aufenthalt in McDonough/Georgia) stand der Entschluss fest, Humanmedizin zu studieren. Am Ende des ersten Studienjahres in Leipzig war der Präparierkurs zu absolvieren. „Der Bereich Kopf-Hals-Gehirn war mit Abstand der spannendste. Später habe ich an der HNO-Klinik des Universitätsklinikums Freiburg famuliert. Da wusste ich gleich, was ich später machen möchte. Die Arbeit mit den kleinen, feinen Instrumenten und die Möglichkeit, Patienten jeden Alters zu behandeln, hat mir sehr gefallen.“ Ihr praktisches Jahr absolvierte die reisefreudige Jungärztin in Singapur und Zürich; ihre Dissertation über die Genauigkeit der menschlichen Hand im Vergleich zum Mikromanipulator in der Ohrchirurgie schrieb sie in Leipzig. Sie fand eine Ausbildungsstelle in Rüsselsheim am städtischen Krankenhaus – aber nach viereinhalb Jahren führte sie die Sehnsucht nach den vielfältigeren Aufgabengebieten in einer Universitätsklinik schließlich nach Innsbruck.

Benefit Berge

„Nach langer Suche habe ich zufällig von der Stelle in Innsbruck erfahren und mich ganz knapp vor Ende der Ausschreibungsfrist noch beworben“, erzählt die Ärztin. Dass in Tirol die von ihr geliebten Berge direkt vor der Haustür stehen, war ein zusätzlicher Benefit, der Runges Freizeitgestaltung seither maßgeblich beeinflusst. Erst als Studentin hat sie Skifahren gelernt; jetzt kommt sie regelmäßig dazu. In den Sommermonaten klettert sie und geht laufen. Wenn dann noch Zeit bleibt, spielt sie Violine, gerne auch als Hochzeitsgeschenk für ihre Freunde in der Heimat.

Auch dem hiesigen Gesundheitssystem steht sie positiv gegenüber: „Durch ein gutes Personal-Patienten-Verhältnis können wir neben der reinen Therapie der Erkrankung auch auf soziale Aspekte wie zum Beispiel die Versorgung daheim eingehen. Ich finde es auch beruhigend, im Bereitschaftsdienst nicht allein im Haus zu sein. Es kommt regelmäßig vor, dass dringende Fälle gleichzeitig behandelt werden müssen. Das wäre ohne die ständige Anwesenheit eines Fach- oder Oberarztes nicht zu gewährleisten.“

„Beste Karriere-Voraussetzungen“

Die junge Kollegin beschreibt sich als sehr selbstkritisch und ehrgeizig, hilfsbereit und freundlich. Die hohen Ansprüche an sich selbst und der große Ehrgeiz haben sie dort hingeführt, wo sie heute ist: ins europäische Spitzenfeld der jungen HNO-Ärzte.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2019