Inter­view Tho­mas Sze­ke­res: „Soli­dar-Sys­tem bei­be­hal­ten und ausbauen“

10.06.2019 | Politik


Fast zwei Jahre ist Univ. Prof. Tho­mas Sze­ke­res nun Prä­si­dent der ÖÄK. Im ÖÄZ-Gespräch erklärt er, warum man im Gesund­heits­be­reich nicht spa­ren kann, son­dern die Kos­ten stei­gen wer­den müs­sen, wieso die Digi­ta­li­sie­rung nur ein Hilfs­mit­tel ist und die Zuwen­dungs­me­di­zin nie erset­zen kann und auch, warum ohne Frauen die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung nicht auf­recht zu erhal­ten ist. Das Gespräch führte Agnes M. Mühlgassner.

Was bedeu­tet das Schei­tern der Regie­rungs­ko­ali­tion für die Arbeit der ÖÄK? An unse­ren Zie­len und Inhal­ten ändert das nichts. Wir sind bestrebt, ein soli­da­ri­sches Gesund­heits­sys­tem in Öster­reich bei­zu­be­hal­ten und aus­zu­bauen. Die Gesprächs­ba­sis mit dem Minis­te­rium hat es immer gege­ben und die wird es hof­fent­lich auch wei­ter geben. 

Eine der zen­tra­len Akti­vi­tä­ten der ÖÄK war die Umset­zung des Rauch­ver­bots in der Gas­tro­no­mie mit dem sechst-erfolg­reichs­ten Volks­be­geh­ren aller Zei­ten. Wie beur­tei­len Sie die Chance dafür, dass im Par­la­ment nun doch eine Mehr­heit für das Rauch­ver­bot zustande kommt? Rau­chen ist schäd­lich und unge­sund und als Ärz­tin, als Arzt muss man gegen das Rau­chen ein­tre­ten. Ich gehe davon aus, dass es unter den der­zei­ti­gen Rah­men­be­din­gun­gen leich­ter sein wird, die Abge­ord­ne­ten zu moti­vie­ren, ent­spre­chend ihrer Über­zeu­gung abzu­stim­men und nicht nach dem Klub­zwang. Und ich bin über­zeugt, dass dann die Mehr­heit für ein Rauch­ver­bot in der Gas­tro­no­mie sein wird.

Was bedeu­tet das Ende der Koali­tion für die Reform der Sozi­al­ver­si­che­rung? Die Zusam­men­le­gung der Gebiets­kas­sen per se ist ja noch nicht etwas, was zu ver­ur­tei­len wäre. Auch der Gesamt­ver­trag, der für die Ärz­te­schaft essen­ti­ell ist, konnte ins neue Sys­tem mit­über­nom­men wer­den und auch die Wahl­ärzte blei­ben unver­än­dert. Jedoch feh­len noch viele Eck­punkte, die mit einer neuen Kran­ken­kasse noch geklärt wer­den müs­sen. Auf die kommt es an und die sind noch nicht im Detail aus­for­mu­liert. Die Über­le­gung, dass man durch die Fusion ein­spa­ren kann, ist sicher falsch. Unsere Sorge war, dass die Kos­ten für die Fusion nicht aus dem Bud­get bezahlt wer­den, son­dern dass man den Gebiets­kran­ken­kas­sen Geld weg­nimmt. Der damals zustän­dige Minis­ter Blü­mel hat gemeint, dass man nicht vor­hat, bei einer Bei­trags­re­duk­tion die Kran­ken­kas­sen finan­zi­ell schlech­ter zu stel­len. Wir reden hier von 900 Mil­lio­nen Euro im Jahr.

Was erwar­ten Sie sich von die­ser Reform? Wir wün­schen uns einen ein­heit­li­chen Leis­tungs­ka­ta­log und arbei­ten auch schon daran. Das ist wahr­schein­lich wich­ti­ger als die Zusam­men­le­gung der Kran­ken­kas­sen. Es darf auch nicht zu einer Leis­tungs­re­duk­tion kom­men, son­dern zu einem Aus­bau der Leis­tun­gen auf einem gemein­sa­men hohen Niveau öster­reich­weit und das kos­tet Geld. Auch soll­ten nach wie vor Ent­schei­dun­gen auf Bun­des­län­der­ebene getrof­fen wer­den, weil man vor Ort leich­ter ent­schei­den kann, wo es not­wen­dig und sinn­voll ist, einen Kas­sen­arzt inclu­sive sei­nem Leis­tungs­an­ge­bot und der Abgel­tung zu instal­lie­ren, anstatt alles von Wien aus zu dirigieren. 

In Ihrer Antritts­rede als ÖÄK-Prä­si­dent vor zwei Jah­ren haben Sie für Ihre Amts­zeit fol­gende Punkte als zen­tral bezeich­net: die Behe­bung des Ärz­te­man­gels, die Ent­las­tung der Spi­tä­ler, die For­de­rung nach 1.000 neuen Kas­sen­stel­len und die Stär­kung der wohn­ort­na­hen Ver­sor­gung. Wie sieht die Bilanz aus? Beim Ärz­te­man­gel ist uns sicher­lich gelun­gen, ein Pro­blem­be­wusst­sein bei den Ver­ant­wort­li­chen zu errei­chen, indem wir über die Zah­len auf­klä­ren, warum es die­sen Man­gel gibt und dar­auf hin­wei­sen, dass von zehn Absol­ven­ten des Stu­di­ums nur sechs in Öster­reich zu arbei­ten begin­nen. Bei den Kas­sen­stel­len ist es uns noch nicht gelun­gen, die gefor­der­ten 1.000 neuen Stel­len zu erhal­ten. Hier brau­chen die Sozi­al­ver­si­che­run­gen mehr Geld. Bei der wohn­ort­nahe Ver­sor­gung ist es uns gelun­gen, in der Öffent­lich­keit klar­zu­stel­len, dass nur durch Pri­mär­ver­sor­gungs­zen­tren alleine die der­zei­tige medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung im nie­der­ge­las­se­nen Bereich nicht auf­recht­erhal­ten wer­den kann. Künf­tig wird ein Neben­ein­an­der von Pri­mär­ver­sor­gungs­zen­tren und klas­si­schen Haus­arz­tor­di­na­tio­nen not­wen­dig sein.

Wie sieht es mit der Ent­las­tung der Spi­tä­ler aus? Die Ambu­lan­zen und der nie­der­ge­las­sene Bereich sind zum Teil kom­mu­ni­zie­rende Gefäße. Wenn ich in einem Fach zu wenige Kas­sen­ärzte habe, wer­den die Pati­en­ten in die Ambu­lan­zen gehen. Was gar nicht geht, ist, dass es weder in den Ambu­lan­zen noch im Kas­sen­be­reich Kapa­zi­tä­ten gibt. Hier bemüht man sich, Leis­tun­gen dort­hin zu ver­la­gern, wo sie medi­zi­nisch und wirt­schaft­lich sinn­voll erbracht wer­den. Das ist im Regel­fall im nie­der­ge­las­se­nen Bereich. Einige Ideen gehen in die Rich­tung: In Wien zum Bei­spiel wer­den Kas­sen­or­di­na­tio­nen des­sel­ben Faches in der Nähe eines Spi­tals ange­sie­delt und auch von der Stadt Wien mit­fi­nan­ziert. Eine Vor­aus­set­zung dafür ist aber, dass man die Leis­tun­gen defi­niert, die man im nie­der­ge­las­se­nen Bereich erbrin­gen kann. 

Sollte es auch so eine Art Gate-Kee­per-Funk­tion des Haus­arz­tes geben? Das wäre ja jetzt auch die Idee, dass der Haus­arzt den Pati­en­ten durch das Sys­tem lei­tet. Das ist lei­der oft nicht der Fall, weil man ent­we­der gar kei­nen Haus­arzt hat oder alles aus­nützt: den Haus­arzt, den Fach­arzt und die Spi­tals­am­bu­lanz. Es ist ganz wich­tig, dass man den Bereich aus­baut, wo die Leis­tung erbracht wer­den soll und den Zugang für den Pati­en­ten nie­der­schwel­lig hält. Dann wird so ein Sys­tem funk­tio­nie­ren: die Pati­en­ten wer­den zuerst zum Haus­arzt gehen und der wird sie weiterleiten.

In Ihrer Antritts­rede haben Sie betont, dass sich die Medi­zin künf­tig wie­der auf ihre Kern­auf­ga­ben kon­zen­trie­ren soll: Gespräch, Empa­thie und Zuwen­dung. Oft ste­hen aber die mit der Digi­ta­li­sie­rung ver­bun­de­nen Tätig­kei­ten wie bei­spiels­weise Admi­nis­tra­tion im Vor­der­grund. Wie soll das gehen? Zum Teil ist es gelun­gen, dass sich die Medi­zin wie­der auf Gespräch, Empa­thie und Zuwen­dung kon­zen­triert – lei­der zu wenig. Das hängt natür­lich von den Leis­tun­gen der Kran­ken­kas­sen ab und von der Ver­füg­bar­keit des Per­so­nals in den Kran­ken­häu­sern, damit man die Ärzte ent­spre­chend ent­las­ten kann. Denn eines ist schon klar: Medi­zin funk­tio­niert ohne Zuwen­dung gar nicht. Eines, wor­über sich die Kol­le­gen sowohl im nie­der­ge­las­se­nen als auch im Spi­tals­be­reich zu Recht beschwe­ren, ist die Arbeits­ver­dich­tung mit der Kon­se­quenz, dass man immer weni­ger Zeit für den Pati­en­ten hat. Ein Teil die­ser Arbeits­ver­dich­tung wird durch EDV-Pro­gramme und admi­nis­tra­tive Ver­pflich­tun­gen ver­ur­sacht, aber viel wich­ti­ger ist die unmit­tel­bare Tätig­keit mit und am Pati­en­ten. Solange uns die Digi­ta­li­sie­rung hilft, Zeit zu spa­ren, mag sie von Vor­teil sein. Sie wird aber nie die Zuwen­dungs­me­di­zin erset­zen kön­nen und man muss sich des­sen bewusst sein, dass sie nur ein Hilfs­mit­tel sein kann. Die Annahme, dass man weni­ger Ärzte benö­tigt, weil es Kom­mu­ni­ka­tion über Skype gibt, halte ich für naiv. 

Wel­che Rolle spie­len dann bei­spiels­weise Gesund­heits-Apps? Es gibt sehr wohl Apps, die beson­ders chro­nisch kran­ken Pati­en­ten hel­fen, dass Kon­trol­len auch elek­tro­nisch erfol­gen kön­nen. Ich denke hier zum Bei­spiel an Dia­be­tes-Pati­en­ten. Es gibt natür­lich auch Gesprä­che zwi­schen Arzt und Pati­ent, die elek­tro­nisch erfol­gen kön­nen, aber sie wer­den den Arzt nie erset­zen kön­nen und das ist gut so. 

Wo sehen Sie aktu­ell die Her­aus­for­de­run­gen für die Stan­des­po­li­tik? Die wich­tigste Her­aus­for­de­rung ist, bei der Poli­tik das Ver­ständ­nis dafür zu erzie­len, dass Gesund­heit ein Bereich ist, bei dem man nicht ein­spa­ren kann, bei dem die Kos­ten stei­gen müs­sen. Öster­reich gibt für das Gesund­heits­sys­tem weni­ger aus als Deutsch­land und die Schweiz sowohl im Hin­blick auf das Brut­to­in­lands­pro­dukt als auch in abso­lu­ten Zah­len. Die Aus­ga­ben für Gesund­heit sind nicht explo­diert, son­dern rela­tiv kon­stant bei 10,3 Pro­zent des BIP, die öffent­li­chen Aus­ga­ben lie­gen bei acht Pro­zent des BIP. Das wird nicht ewig zu hal­ten sein, weil gleich­zei­tig die Mög­lich­kei­ten der Medi­zin explo­die­ren. Das wird auch mehr Geld kos­ten. Ich bin aber fest davon über­zeugt, dass die Bevöl­ke­rung bereit ist, für die wich­tige Dienst­leis­tung Gesund­heit auch mehr Geld auszugeben. 

The­men­wech­sel: Beim Auf­nah­me­test für das Medi­zin­stu­dium gibt es heuer erst­mals mehr als 16.000 Kan­di­da­ten. Nach dem Stu­dium begin­nen viele erst gar nicht mit einer ärzt­li­chen Tätig­keit in Öster­reich, son­dern gehen ins Aus­land. Warum? Die Zahl der Stu­die­ren­den in Öster­reich ist gar nicht so gering und auch die Zahl der Absol­ven­ten nicht. Sie würde aus­rei­chen, um die Ver­sor­gung sicher­zu­stel­len. Das Pro­blem liegt darin, dass von zehn Absol­ven­ten nur sechs in Öster­reich zu arbei­ten begin­nen. Offen­sicht­lich sind die Arbeits­be­din­gun­gen im Aus­land in vie­len Fäl­len attrak­ti­ver als bei uns. Wenn das umge­kehrt wäre, wür­den sie eher hier­blei­ben. Man müsste die Arbeits­be­din­gun­gen in Öster­reich ent­spre­chend attrak­ti­vie­ren. Das ist im Moment lei­der zu wenig der Fall.

Auch das Inter­esse an der All­ge­mein­me­di­zin ist ja sehr gering. Rich­tig. Wir haben ein prin­zi­pi­el­les Pro­blem, dass nur wenige Men­schen – nicht nur Ärz­tin­nen und Ärzte – in länd­li­chen Gegen­den leben und arbei­ten möch­ten. Der zweite Punkt ist, dass wir den Beruf des Haus­arz­tes attrak­ti­vie­ren müs­sen mit der Ein­füh­rung des Fach­arz­tes für All­ge­mein­me­di­zin. Damit ver­bun­den muss auch eine den Fach­ärz­ten ver­gleich­bare Hono­rie­rung der Leis­tun­gen und eine höhere Wert­schät­zung des Berufs des All­ge­mein­me­di­zi­ners sein. Auch muss das Leis­tungs­spek­trum zu einer spür­ba­ren Ent­las­tung der nie­der­ge­las­se­nen Fach­ärzte und der Spi­tals­ärzte führen.

Das Ganze spie­gelt sich ja auch in einer Ent­wick­lung wider, dass es für Kas­sen­arzt­stel­len kaum noch Bewer­ber gibt, dafür aber die Zahl der Wahl­ärzte kon­ti­nu­ier­lich steigt. Das sind kom­mu­ni­zie­rende Gefäße: Wenn ein Kran­ken­kas­sen­sys­tem gut funk­tio­niert, wer­den sich weni­ger Wahl­ärzte nie­der­las­sen. Wenn es nicht gut funk­tio­niert, wird es mehr Wahl­ärzte geben. Zusätz­lich gibt es immer mehr Frauen im Beruf und für die ist es im Moment ganz schwie­rig, eine Kas­sen­or­di­na­tion zu über­neh­men, weil sich das mit einer Fami­lie nicht ver­ein­ba­ren lässt. Hier müs­sen mög­lichst schnell neue Modelle her, die das ermöglichen. 

Wahl­ärzte sind nicht ver­sor­gungs­re­le­vant – so lau­tete oft die Kri­tik. Das hat sich ja inzwi­schen geän­dert. Es gibt mitt­ler­weile viele Gynä­ko­lo­gen, die kei­nen Kas­sen­ver­trag anneh­men, weil sie als Wahl­ärzte ohne­hin aus­ge­bucht sind. Die sind aus­ge­bucht, weil die Kas­sen­or­di­na­tion in den Augen der Bevöl­ke­rung, aber auch vie­ler Ärzte nicht das erbrin­gen kann, was not­wen­dig ist. Ange­sichts einer wach­sen­den Bevöl­ke­rung und eines Rück­gangs der Kas­sen­or­di­na­tio­nen war­tet man dort wochen­lang auf einen Ter­min. Unter sol­chen Rah­men­be­din­gun­gen haben Wahl­ärzte gute Chan­cen. Außer­dem ist man als Wahl­arzt nicht den Repres­sa­lien der Kran­ken­kassa aus­ge­setzt und kann eine Medi­zin betrei­ben, von der man glaubt, dass sie sinn­voll ist. Das spielt schon eine wich­tige Rolle. In Wien zum Bei­spiel kön­nen Kas­sen­stel­len für Gynä­ko­lo­gie, Kin­der­heil­kunde und All­ge­mein­me­di­zin oft nicht nach­be­setzt wer­den. Das ist durch­aus ein Sym­ptom und es ist auch sicher kein Zufall, dass das die drei Berei­che sind, die am schlech­tes­ten hono­riert werden.

Sie haben neue Modelle ange­spro­chen – wel­che sind das? Diese Modelle gibt es zum Teil schon. Sie müs­sen nur aus­ge­baut wer­den: Time-Sha­ring-Ordi­na­tio­nen bezie­hungs­weise Grup­pen­pra­xen, wo sich meh­rere Kol­le­gen einen Ver­trag tei­len. Es ist uns nach vie­len Jah­ren und Wider­stän­den gelun­gen, die Mög­lich­keit der Anstel­lung eines Arz­tes bei einem Arzt umzu­set­zen. Das ist eine Option auch für Frauen, die eine Ordi­na­tion nicht selbst betrei­ben wollen. 

Stich­wort Imp­fun­gen. Die ÖÄK hat sich für eine ver­pflich­tende Masern­imp­fung aus­ge­spro­chen. Warum? Es ist uns nicht leicht gefal­len, eine Impf­pflicht ein­zu­for­dern. Aller­dings hat man gese­hen, dass man durch gutes Zure­den und Wer­be­ak­ti­vi­tä­ten nicht die not­wen­dige Durch­imp­fungs­rate von mehr als 95 Pro­zent erreicht, um den nöti­gen Her­den­schutz für Säug­linge und chro­nisch Kranke, die man nicht imp­fen kann, zu gewähr­leis­ten. Und wenn die ein­zige Mög­lich­keit eine Ver­pflich­tung ist, muss man die im Inter­esse der Gesund­heit aller auch fordern. 

In der Umfrage des ÖÄK-Gen­der­re­fe­rats hat sich gezeigt, dass Kin­der nach wie vor ein Kar­rie­re­hin­der­nis dar­stel­len und dass Frauen oft­mals nicht in den Berei­chen arbei­ten, in denen sie gerne medi­zi­nisch arbei­ten wür­den. Man muss zur Kennt­nis neh­men, dass in Zukunft mehr als die Hälfte der Ärzte Frauen sind, die in die­sem Beruf tätig sein wer­den und ent­spre­chend muss man auch agie­ren. Das geht von einer Ermög­li­chung der Aus­bil­dungs­stelle, die man sich wünscht, über ent­spre­chende Mög­lich­kei­ten der Teil­zeit­be­schäf­ti­gung bis hin zu Kin­der­be­treu­ungs­stel­len, die es nicht gibt. Es fehlt ins­ge­samt noch am Bewusst­sein, dass wir ohne die Ärz­tin­nen die Ver­sor­gung nicht auf­recht­erhal­ten wer­den können.

Bis zum Jahr 2020 sollte es öster­reich­weit ins­ge­samt 70 PVEs geben. Aller­dings erweist sich die Umset­zung als recht holp­rig. Woran liegt das? Wir haben immer dar­auf hin­ge­wie­sen, dass man sol­che Ein­rich­tun­gen nicht erzwin­gen kann. Die Poli­tik hat gehofft, dass Pri­mär­ver­sor­gungs­zen­tren das Geheim­nis der umfas­sen­den und idea­len Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung sind und dadurch der klas­si­sche Haus­arzt ersetzt wer­den kann. Das ist nicht der Fall. Wir plä­die­ren für ein Neben­ein­an­der von Pri­mär­ver­sor­gungs­zen­tren und Haus­arz­tor­di­na­tio­nen im klas­si­schen Sinn. Wie man auch am Bei­spiel von Wien sieht, schei­tert es oft am Mensch­li­chen. Ich kann nicht Men­schen in eine Ordi­na­ti­ons­ge­mein­schaft zwin­gen, die ein­an­der vor­her nicht gekannt haben und die sich viel­leicht nicht ver­ste­hen. Es gibt ähn­li­che Pro­bleme wie bei einer Part­ner­schaft im klas­si­schen Sinn, nur mit dem Unter­schied, dass es ganz schwie­rig ist, aus so einer geschäft­li­chen Part­ner­schaft aus­zu­schei­den, ohne dass man sich exis­ten­ti­ell in Gefahr bringt. Wir haben immer dar­auf hin­ge­wie­sen und davor gewarnt. Lei­der wurde das von vie­len Poli­ti­kern und Ver­ant­wort­li­chen nicht ernst genug genommen.

Kürz­lich war eine Dele­ga­tion der Initia­tive Fri­days­For­Fu­ture bei Ihnen. Ich bin beein­druckt von die­sen Schü­lern, die sich für die Lebens­be­din­gun­gen in ihrer Zukunft ein­set­zen und dass sie dafür uns Ärzte als Ver­bün­dete suchen. Das müs­sen wir natür­lich auch sein, weil der Erhalt der Natur und des Kli­mas etwas ganz Wesent­li­ches für das Wohl­be­fin­den und für die Gesund­heit der Men­schen ist. 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 11/​10.06.2019