Umfrage – Frauen in der Medizin: Karriere mit Familie

25.03.2019 | Politik


Familienplanung und Kinderbetreuung stellen die häufigsten Karrierehindernisse für Frauen in der Medizin dar, wie eine kürzlich von der ÖÄK präsentierte Studie ergab. Was es unter anderem zu tun gilt: allen Spitalsärztinnen flexible Kinderbetreuung zur Verfügung zu stellen und Karrieremodelle so zu gestalten, dass sie auch für Ärztinnen in Frage kommen.
Hannelore Nöbauer

Nach wie vor bestehen Hindernisse und Herausforderungen für Frauen in der Medizin, wie eine aktuelle Studie bestätigt, die kürzlich im Auftrag der ÖÄK von Peter Hajek Public Opinion Strategies erstellt wurde. Dabei handelt es sich um eine Online-Befragung von 2.497 österreichischen Ärztinnen; das sind 11,3 Prozent der Grundgesamtheit von circa 22.050 Ärztinnen. Demnach sind 33 Prozent der Ärztinnen nicht in dem Fachbereich tätig, auf den sie sich ursprünglich spezialisieren wollten; bei 42 Prozent von ihnen war die Familienplanung ausschlaggebend dafür. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird mit einem Mittelwert von 3,2 „nur sehr mäßig“ beurteilt, wie Studienautorin Alexandra Siegl ausführt.

Generell waren Familienplanung und Kinderbetreuung das bei Weitem am häufigsten genannte Karrierehindernis: Fast zwei Drittel aller Ärztinnen in Österreich (61 Prozent) sehen diese Parameter als Grund dafür, beruflich nicht entsprechend weiterzukommen. Danach folgen zu wenig Förderung durch Vorgesetzte (37 Prozent), zu wenig Förderung in der Turnusausbildung in relevanten Wissensbereichen (32 Prozent), die Bevorzugung von Männern bei interessanten Jobs beziehungsweise Führungspositionen (31 Prozent) sowie der Umstand, dass Ärztinnen generell weniger zugetraut wird als Ärzten (30 Prozent, Mehrfachnennungen möglich). Bemerkenswert sei, so Siegl, übrigens die Tatsache, dass Frauen andere Frauen im Gegensatz zur landläufigen

Meinung in ihrer Karriere nicht boykottieren. Männer würden allerdings viel besser netzwerken als Frauen. Je ältere die Ärztinnen, desto weniger haben sie Unterstützung durch Arbeitgeber erfahren.

Wahlarztbereich bevorzugt

Die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie dürfte mit ein Grund dafür sein, dass deutlich mehr Spitalsärztinnen in den Wahlarztbereich (61 Prozent jener, die in Zukunft niedergelassen arbeiten möchten) tendieren als in den Kassenbereich (20 Prozent). Petra Preiss, Präsidentin der Ärztekammer Kärnten und Leiterin des ÖÄK-Referates Gender-Mainstreaming, erklärt sich dies mit einem anderen schon lange bekannten Faktum, das auch durch die aktuelle Studie wieder untermauert wurde. Demnach gaben 67 Prozent der befragten Ärztinnen an, den Großteil der Kinderbetreuung übernommen zu haben; umgekehrt waren es nur sechs Prozent der Männer. Beim Rest, also einem Viertel der Familien, wurde gerecht geteilt. Preiss: „Familienarbeit ist auch in Arzt-Familien immer noch Frauenarbeit. Es stimmt also nach wie vor das Klischee, wonach der Mann Karriere macht, währenddessen die Frau jene beruflichen Nischen sucht, die in Einklang mit der Kinderbetreuung stehen.“

Für Preiss ergeben sich aus der Studie insgesamt ganz klare Aufträge an Ärztekammer, Politik und Öffentlichkeit: „Krankenhausbetreiber müssen mit den Gemeinden und Privatinitiativen intensiv zusammenarbeiten, um Spitalsärztinnen eine flexible Kinderbetreuung in ausreichendem Umfang zur Verfügung zu stellen. Ausfallszeiten durch Karenz sowie Teilzeit für Ärztinnen gehören fix in die Personalbedarfsplanung der Krankenhausträger. Und Karrieremodelle sollten so gestaltet sein, dass sie auch für Ärztinnen in Frage kommen. Von gendergerechten Arbeitsbedingungen können wir in Österreich nur träumen.“

Es gebe auch keine Lösung für junge Kassenärztinnen, die ein Kind bekommen: „Es gibt keine Auffangstruktur für diese jungen Kolleginnen. Sie müssen sich selbst eine Vertretung suchen und wenn sie aufgrund des vor allem am Land vorhandenen Ärztemangels keine finden, sehen sie sich unter Umständen sogar genötigt, ihre Ordination zuzusperren.“ Preiss sieht hier auch die Kommunen gefordert, „aber nicht punktuell, sondern es muss eine österreichweite Lösung her.“

Medizin wird weiblich

Dies alles vor dem Hintergrund, dass die Medizin zunehmend weiblich werde, was man anhand der Anzahl der Studentinnen und in weiterer Folge an Turnusärztinnen sowie vor allem Allgemeinmedizinerinnen sehen könne.

Frauenfeindliches Verhalten ist (auch) im medizinischen Bereich ein Problemthema, auch wenn sexuelle Übergriffe die absolute Ausnahme sind: „Meist handelt es sich um geringschätzige und/oder anzügliche Bemerkungen, die von einer Mehrheit der Ärztinnen erlebt oder beobachtet werden“, so Siegl. Preiss: „Wir beobachten hier eine deutlich höhere Sensibilisierung in den letzten Jahren. Trotzdem muss es unser Ziel sein, in Zukunft verstärkt darauf hinzuarbeiten, dass Übergriffe, auch wenn sie nur in verbaler Hinsicht erfolgen, als Grenzüberschreitung gesehen werden, die unter keinen Umständen toleriert werden kann. Hier müssen auch die Abteilungsvorstände handeln – solche Verhaltensmuster dürfen sich erst gar nicht einschleichen.“

Ein positives Beispiel, wie es anders gehen kann, wurde in Innsbruck etabliert, wie Margarethe Hochleitner, Professorin für Gender Medizin, Leiterin der Koordinationsstelle für Gleichstellung, Frauenförderung und Geschlechterforschung der Medizinischen Universität Innsbruck, erläutert. Hier werden Empowerment-Aktionen für Frauen sowie Mentoring-Programme, hochwertige Kurse für Karrieregestaltung und Steigerung des Selbstwertgefühls angeboten. Auch für die Kinderbetreuung von Ärztinnen wird viel getan: Ein eigenes Büro organisiert und unterstützt die Kinderbetreuung, die zumindest bis ins Volksschulalter weitergehen muss, da es in Innsbruck keine Kinderbetreuung vor dem vollendeten dritten Lebensjahr und auch keine einzige Ganztagsschule gibt. Zusätzlich werden Wiedereinstiegsprogramme nach Elternkarenz sowie Teilzeitmöglichkeiten angeboten.

Denn, so Hochleitner: „Das Gesundheitssystem wird zusammenbrechen, wenn man nicht sehr rasch Arbeitsbedingungen schafft, zu denen Ärztinnen zukünftig auch arbeiten möchten und können. Das muss unsere Gesellschaft endlich erkennen.“ Generell kritisiert Hochleitner, dass Ärztinnen noch nicht in der Anzahl in Führungspositionen angekommen sind, wie sie es verdienten, was sich unter anderem am unverändert niedrigen Anteil an Primarärztinnen zeige (11,9 Prozent).

Die gute Nachricht zum Schluss: 62 Prozent der befragten Ärztinnen sind grundsätzlich (sehr) zufrieden mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Lediglich drei Prozent haben bei der Umfrage „gar nicht zufrieden“ angegeben. Am zufriedensten sind niedergelassene Fachärztinnen (80 Prozent), am wenigsten zufrieden sind Ärztinnen in Ausbildung (Anteil der mäßig bis wenig Zufriedenen: 44 Prozent).

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2019