Brustkrebs-Früherkennung: Auf der Kippe

10.10.2019 | Politik


Nur jede zweite Frau in Österreich geht regelmäßig zur Mammographie. Hier sieht die Bundesfachgruppe Radiologie (BURA) der ÖÄK dringenden Handlungsbedarf –  noch dazu, wo das Programm wegen mangelnder Datenerfassung kurzfristig sogar zu kippen drohte.


Ganz kurz stand das Programm auf der Kippe: Ende 2018 hatte die ÖÄK im Konsens mit der Bundesfachgruppe Radiologie (BURA) der ÖÄK angekündigt, das Brustkrebsfrüherkennungsprogramm (BKFP) zu beenden, falls es nicht gelingen sollte, die vorgesehene Evaluierung auf Basis der intramuralen Histologie-Daten (mit dreijähriger Verzögerung) durchzuführen. Um es kurz zu machen: Schließlich wurden die Daten der operativen Interventionen doch zu rund 90 Prozent intramural nacherfasst – mit der Konsequenz, dass sich die ÖÄK zur Fortsetzung des Programms entschlossen hat. „Hier ist uns in den Verhandlungen ein außerordentlicher Erfolg gelungen: nämlich zu zeigen, dass wir zu einer Fortsetzung des Programms nur bereit sind, wenn die Partner auch alle ihre zugesagten Aufgaben erfüllen“, unterstreicht Univ. Doz. Franz Frühwald, der als stellvertretender Bundesfachgruppenobmann der BURA federführend die Verhandlungen rund um das Brustkrebsfrüherkennungsprogramm geführt hat. „Immerhin ist es gelungen, der Bundes-Gesundheitskommission und damit sämtlichen Ländern einen Beschluss zur Nacherfassung der fehlenden intramuralen Daten aufzutragen.“ Dies sei auch dem Verhandlungsteam rund um ÖÄK-Präsident Univ. Prof. Thomas Szekeres zu verdanken, wie Frühwald betont.

Die Radiologen jedenfalls hatten alle Bedingungen und Verpflichtungen zur Datenerfassung, die es von Seiten der Systempartner gegeben hat, von Beginn an erfüllt um das BKFP auf eine tragfähige Basis zu stellen. „Im Gegensatz dazu hat sich der Staat beziehungsweise die Länder als Betreiber der Spitalsverbünde vier Jahre Zeit gelassen, um die Aufgaben zu erfüllen und auch unfassbaren Druck gebraucht, um sich da in die richtige Richtung zu bewegen“, berichtet Frühwald.

Erreicht man mit dem Brustkrebsfrüherkennungsprogramm diejenigen Frauen, die diese Möglichkeit bislang nicht in Anspruch genommen haben? „Das ist einer der Punkte, der noch offen ist und gleichzeitig einer, der sehr schwierig ist“, berichtet Frühwald aus der Praxis. Durch die nunmehr zweijährigen Intervalle für Kontrolluntersuchungen bei der Mammographie gehen die Frauen zum Teil seltener hin. Wie Frühwald eingesteht, müsse man die Zahlen insgesamt „sehr differenziert“ betrachten, was mitunter auch „ganz schwierig“ sei. Grosso modo könne man allerdings schon sagen, dass heute mehr Frauen – in längeren Abständen – eine Mammographie erhalten als früher. Frühwald: „Dafür ist das zweijährige Intervall der BKFP-Mammographien verantwortlich. Es werden nun bei Betrachtung in Zwei-Jahres-Perioden mit 15 Prozent weniger Mammographien verglichen mit 2011 circa 25 Prozent mehr Frauen innerhalb von zwei Jahren betreut (im Rahmen des BKFP in Zwei-Jahres–Intervallen mit ‚kurativen‘ Mammographien oftmals in einjährigen Intervallen).“

In Deutschland oder in Schweden beispielsweise sei dieses zweijährige Intervall wesentlich besser verankert. Frühwald zur Situation in Österreich: „Hier machen höchstens 50 Prozent der Frauen regelmäßig eine Mammographie, der Rest nur sporadisch. Hier ist wirklich ein hohes Maß an Aufklärungsbedarf gegeben.“ Klaus Wicke, Bundesfachgruppenobmann Radiologie in der ÖÄK, sieht auch den entscheidenden Punkt, an dem es anzusetzen gilt: „Das beste Programm nützt nichts, wenn es uns nicht gelingt, mehr Frauen dafür zu gewinnen, am Brustkrebsfrüherkennungsprogramm teilzunehmen.“ Im Rahmen einer Schwerpunktaktion im Oktober 2019 stellt die BURA die Mammographie in den Mittelpunkt; allen Frauen soll ein rascher Zugang zum Brustkrebs-Screening ermöglicht werden.

Die Besonderheit des BKFP

Was Frühwald als Besonderheit des österreichischen BKFP hervorhebt: Die Frauen müssen – sollte eine zusätzliche Ultraschall-Untersuchung notwendig sein – nicht noch einmal anreisen, weil der Ultraschall gleich mitgemacht werden kann. „Das erspart viel Stress und Zeitversäumnis bei den Frauen, die in anderen Systemen bis zu zehn Prozent und ziemlich weit nochmals anreisen müssen.

Nur in rund 1,5 Prozent der Fälle ist eine Biopsie oder eine andere zusätzliche Untersuchung notwendig. Überlegungen hinsichtlich der Zentralisierung der Mammographie in zehn Zentren – in Analogie zu Deutschland – seien „vom Tisch“. Auch die nach Ansicht von Frühwald „übertriebene“ Anforderung an die Untersuchungs-Frequenzen sei (wie von den österr. Radiologen immer vorhergesagt) nicht notwendig, weil man mit dem österreichischen Programm die EU-Kennzahlen „genauso gut“ erreiche. Es gibt auch keinerlei Hinweis, dass die schon primär inkludierte Sonographie die Zahl der Überdiagnosen bzw. falsch positiven Befunde erhöht hätte.

Was gilt es noch zu tun? „Die Etappenerfassung in der Behandlungskette ist noch zu verbessern, damit hoffentlich irgendwann einmal eine lückenlose Rückmeldung an die Radiologie möglich ist“, sagt Frühwald. Nur so sei es möglich, aus Fehlern zu lernen: was man als Radiologe möglicherweise nicht gesehen hat oder wo man falsch gelegen ist kann man in Kenntnis des Ergebnisses an den gespeicherten, digitalen Aufnahmen nochmals analysieren. „Das ist die mit großem Abstand wichtigste Maßnahme zur Qualitätssicherung des Programms – und bislang nur sehr ungenügend möglich. Die dahinterstehende Idee eines selbstlernenden Systems wird dadurch stark behindert.“ Auch bei den Teilnahmezahlen müsste es „auf jeden Fall“ zu einer Steigerung kommen, wie Frühwald betont. „Manche Erfolgsparameter hängen von einer Beteiligung von 70 bis 80 Prozent der Frauen ab und solche Früherkennungsprogramme entfalten nur bei ausreichender Beteiligung die gewünschte Wirkung. Andererseits können auch die Statistiken sonst nicht ausreichend verlässlich sein.“ Dabei gelte es, die Vertrauensärzte der Frauen wieder ins Boot zu holen, da erst im Zuge der Programmverlängerung 2018 seitens der Sozialversicherung zugestanden wurde, dass diese die bedeutendste Rolle der Aufklärung für die Frauen haben und diese ins BKFP wieder zuweisen können.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2019