Bereitschaftsdienst in Niederösterreich: Seit Juli freiwillig

10.09.2019 | Politik


Nachdem die niedergelassenen Allgemeinmediziner in einer Abstimmung das zwischen Ärztekammer und GKK ausverhandelte Modell zum Bereitschaftsdienst abgelehnt hatten, hat man nun doch eine Lösung gefunden. Das Modell wird laufend optimiert und künftig will man auch die Wahlärzte für den freiwilligen Bereitschaftsdienst gewinnen.

Ulrike Haider-Schwarz

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) Anfang dieses Jahres sorgte österreichweit für Aufsehen. Der VwGH als oberste Instanz gab jenem steirischen Arzt im Revisionsverfahren recht, der im Jahr 2016 bei der Paritätischen Schiedskommission für das Land Steiermark die Feststellung beantragte, dass er aufgrund seines Einzelvertrags zu keinen Wochenenddiensten verpflichtet sei beziehungsweise nur in einem „Vierer-Rad“ oder einem höheren Dienstrad. „Vierer-Rad“ deshalb, weil der betreffende Arzt in einem Sprengel mit vier Kassenvertragsstellen tätig war. Die Schiedskommission wies die Beschwerde damals ab, da durch den Gesamtvertrag eine rechtliche Grundlage für die Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst an Wochenende bestünde. Begründet wurde die neue Entscheidung des VwGH unter anderem damit, dass niedergelassene Ärzte zwar grundsätzlich nach §16 des zwischen der Ärztekammer für die Steiermark und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger abgeschlossenen Gesamtvertrag zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verpflichtet seien; ein solcher aber formal von der Ärztekammer nicht errichtet wurde und somit die Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung nicht vorhanden ist. Rechtsgrundlage dafür ist eine Verordnung der Kurie der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer des jeweiligen Bundeslandes.

Das Urteil des VwGH schlug nicht nur in Niederösterreich hohe Wellen; weitere fünf Bundesländer (Burgenland, Tirol, Steiermark, Salzburg und Vorarlberg) sind von diesem Urteil direkt betroffen, da auch dort die förmlichen Beschlussfassungen der Landeskammern fehlten – zumindest bis zum Zeitpunkt des Entscheids des Verwaltungsgerichtshofs. Aus der bisher „gelebten Praxis“ – so auch die Argumentation des steirischen Arztes – kann somit keine Verpflichtung eines Vertragsarztes nach §16 des Gesamtvertrags abgeleitet werden. Auch lasse der Gesamtvertrag keine Rückschlüsse auf die Anzahl der Bereitschaftsdienste zu, urteilt der VwGH. Es „sei nicht geregelt“ wie oft ein Vertragsarzt dazu verpflichtet ist, den Bereitschaftsdienst zu leisten.

Was folgte, war der Aufruf der niederösterreichischen Ärztekammer an die betroffenen Ärzte, die Bereitschaftsdienste an Samstagen, Sonn- und Feiertagen freiwillig weiterzuführen, um die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Der nun mehr oder weniger luftleere Raum des Bereitschaftsdienstes erforderte umgehend Gespräche zwischen der Ärztekammer und der Gebietskrankenkasse, um die Situation zu verbessern. Die Gespräche, die in erster Linie eben die Verbesserung der Rahmenbedingungen zum Ziel hatten, verliefen grundsätzlich erfolgreich, wie Max Wudy, Kurienobmann-Stellvertreter der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer für Niederösterreich, erklärt: „Die Gespräche haben eine Reduktion der Bereitschaftsdienstzeiten an Wochenenden und Feiertagen von zwölf auf sechs Stunden gebracht. Und einheitliche Ordinationszeiten von 9 Uhr bis 11 Uhr. Auch das Honorar wurde merkbar erhöht, und zwar besonders die Honorare für Sonntags-Visiten und Sonntags-Ordination.“

Vorliegende Verhandlungsergebnisse

Die Ergebnisse aus diesen Gesprächen wurden den niedergelassenen Allgemeinmedizinern mit Kassenvertrag zur Abstimmung vorgelegt. Zwar war die Wahlbeteiligung mit 77 Prozent hoch; jedoch wurden die vorliegenden Verhandlungsergebnisse „von rund zwei Drittel der Kollegenschaft abgelehnt“, führt Wudy aus. Er vermutet hinter diesem klaren Abstimmungsergebnis keine Ablehnung der Verhandlungsergebnisse in Zusammenhang mit dem Wochenenddienst per se, sondern „hier wurde die allgemeine Unzufriedenheit mit der Situation der niedergelassenen Allgemeinmedizin zum Ausdruck gebracht“. Wudy führt dabei beispielsweise die Einführung der Registrierkasse oder auch ELGA an. Ähnlich sieht dies der Präsident der Ärztekammer Niederösterreich, Christoph Reisner: „Der Hauptgrund für die Ablehnung des Verhandlungsergebnisses ist die große Unzufriedenheit mit dem bürokratischen Aufwand, der auf den Allgemeinmedizinern lastet. Die, mit denen ich persönlich gesprochen habe, haben nicht deshalb dagegen gestimmt, weil die konkreten Rahmenbedingungen in dieser Sache so schlecht sind, sondern aus Protest.“

Wie auch immer, „die Abstimmung ist bindend“, sagt Wudy. Somit war es der Kurie nicht mehr möglich, „eine Verordnung zu erlassen, noch dazu, wenn sie gegen die Interessen der eigenen Mitglieder ist“. Reisner ergänzt: „Gerade in einer Zeit, in der wir ohnehin schon Schwierigkeiten haben, Stellen zu besetzen und die Zahl der offenen Stellen ständig steigt, wollten wir hier den Kolleginnen und Kollegen nicht gegen ihren Willen eine Verordnung auf’s Auge drücken“.

Da es keine Verordnung gibt, ist der Bereitschaftsdienst in Niederösterreich nicht verpflichtend, sondern freiwillig. Nun wurden neuerlich Gespräche mit dem Land Niederösterreich, der Gebietskrankenkasse und dem Notruf Niederösterreich aufgenommen. Man hat sich schlussendlich darauf geeinigt, das zuvor ausverhandelte Modell umzusetzen – allerdings auf freiwilliger Basis.

Stellt sich die Frage, wie viele Ärzte auch weiterhin freiwillig den Bereitschaftsdienst übernehmen. Laut Wudy sind momentan etwa 80 Prozent der Dienste besetzt. „Leider gibt es ein paar Hotspots wie Mödling, Gänserndorf, Mistelbach und Amstetten, die nicht mehr am Bereitschaftsdienst teilnehmen“, bedauert Wudy. Mittlerweile wurde zumindest in Amstetten eine vorübergehende Lösung gefunden, bei der Ärzte aus benachbarten Regionen die Patienten am Wochenende mitversorgen. Reisner ergänzt: „Wir gehen davon aus, dass es auch weiterhin weiße Flecken geben wird. In den nicht abgedeckten Regionen ist die Patientenversorgung durch die Gesundheitshotline 1450 und durch das ohnehin flächendeckende Notarztsystem gewährleistet.“ Durch die Erhöhung der Honorare und die Reduktion der Dienstzeiten ergeben sich naturgemäß Mehrkosten. Diese betragen den Aussagen von Wudy zufolge 2,175 Millionen Euro und werden von der GKK Gebietskrankenkasse Niederösterreich übernommen.

Weitere Optimierungen

Noch wird das neue Modell, das seit Anfang Juli 2017 angewendet wird, optimiert. Die momentan 125 Sprengel sollen laut Wudy reduziert werden, um die Intervalle zu vergrößern und so die Häufigkeit der Bereitschaftsdienste für den einzelnen zu verringern. Wudy betont: „Die Befürchtungen, dass die Sprengel zu groß werden und damit die Wegstrecken für die diensthabenden Ärzte lange werden, müssen bei der Planung berücksichtigt werden.“ Darüber hinaus will man die Wahlärzte für das freiwillige Bereitschaftsdienstmodell gewinnen. „Es gibt schon einige Ideen, das bestehende Modell weiter zu verbessern“, berichtet Wudy. Die Gespräche mit allen Beteiligten darüber seien
im Laufen.


Die Neuerungen

  • Reduktion der Bereitschaftsdienstzeit: sechs statt zwölf Stunden (von 8-14 Uhr)
  • Einheitliche Ordinationszeiten: von 9-11 Uhr (ab 8 Uhr und danach bis 14 Uhr lediglich Erreichbarkeit)
  • Erhöhung des Honorars: 150 Euro pro Bereitschaftstag (statt 103 Euro) für sechs statt zwölf Stunden
  • Honorar Sonntagsvisite (wird auch an Samstagen und Feiertagen verrechnet): 70 Euro (statt 37,33 Euro)
  • Honorar Sonntagsordination (wird auch an Samstagen und Feiertagen verrechnet): 20 Euro
    (statt 15,76 Euro)

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2019