Unspezifischer Brustschmerz: Oft muskuloskelettal bedingt

25.05.2019 | Medizin


Auch wenn der Großteil der unspezifischen Brustschmerzen muskuloskelettal verursacht ist, müssen andere, schwerwiegendere Ursachen unbedingt ausgeschlossen werden. Diese sind unter anderem Angina pectoris, Myokardinfarkt, Pulmonalembolie oder eine Aortendissektion.


Ein großer Bereich des unspezifischen Brustschmerzes ist muskuloskelettal bedingt“, weiß Univ. Prof. Rudolf Kirchmair von der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Innsbruck. So kann Brustschmerz etwa durch Veränderungen im Bewegungsapparat, Arthrosen oder Verspannungen ausgelöst werden. Oft hilft es laut Kirchmair, im Rahmen der Anamnese zu erfragen, ob bei älteren Patienten degenerative Veränderungen bekannt sind oder ob es bei jüngeren Patienten kürzlich zu einer sportlichen Anstrengung kam. Der muskuloskelettale Schmerz ist bewegungsabhängig und dadurch differenzierbar. Er lässt mich meist dadurch auslösen, dass man auf einen Schmerzpunkt des Patienten Druck ausübt. Dennoch: auch wenn der Arzt davon überzeugt ist, dass der unspezifische Brustschmerz muskuloskelettal bedingt ist, müssen gravierendere Ursachen unbedingt ausgeschlossen werden, so Kirchmair.

„Potentielle Differentialdiagnosen sind Veränderungen an der Wirbelsäule, knöcherner Thorax oder Erkrankungen des Magens und der Speiseröhre“, erklärt Univ. Prof. Jutta Bergler-Klein von der Universitätsklinik für Innere Medizin II an der MedUni Wien. Auch hoher Blutdruck kann zu einem anginösen Druckgefühl in der Brust durch die Herzbelastung führen. Unbedingt auszuschließen sind laut der Expertin die Pulmonalembolie, eine koronare Herzkrankheit sowie eine Aortendissektion. Treten die Schmerzen nachts während des Liegens auf, sind mögliche Differentialdiagnosen Sodbrennen, Refluxösophagitis oder Hiatushernie; wenn dabei auch Atemnot im Liegen auftritt, ist an Herzschwäche zu denken. Eine sehr seltene Ursache, die sich auch durch unspezifischen Brustschmerz äußern kann, ist laut Kirchmair der Herpes zoster. Hier können die Hautveränderungen in seltenen Fällen sehr diskret ausfallen oder sogar fehlen; dabei kann es im Rahmen einer Post zoster-Neuralgie zu starken Schmerzen kommen.

Massives Druck- und Engegefühl

„Die klassischen Symptome bei kardialen Ursachen sind neben dem unspezifischen Brustschmerz die Angina pectoris beziehungsweise ein massives Druck- und Engegefühl, das auch in Kiefer, Hals, Bauch oder Arme ausstrahlen kann und bei Belastung schlechter wird“, erklärt Kirchmair. Treten die Schmerzen nur bei Belastung auf, liegt eine stabile Herzdurchblutungsstörung vor. Sie ist prognostisch besser als die instabile Form, bei der die Schmerzen auch in Ruhe auftreten. Die instabile Form gilt als Vorstufe zum Herzinfarkt.

Eine koronare Herzkrankheit zeigt besonders bei Frauen häufig nicht die klassischen Symptome, weshalb hier laut Kirchmair besondere Vorsicht geboten ist. Auch bei Menschen, die an Diabetes mellitus leiden, kann die Schmerzsymptomatik verändert sein, wie Bergler-Klein ergänzt. Die typischen Begleitsymptome einer Lungenembolie sind laut der Expertin Schmerzen beim Einatmen und Dyspnoe; bei jungen Frauen muss auch an den Risikofaktor gedacht werden, der durch die Kombination aus Rauchen und der Einnahme von hormonellen Kontrazeptiva entsteht. „Eine Pleuritis sowie eine Pneumonie mit begleitender Pleuritis gehen mit sehr starken Schmerzen einher. Klassischerweise sind sie atmungsabhängig und dadurch zu differenzieren“, weiß Kirchmair.

Eine Aortendissektion ist in Betracht zu ziehen, wenn Symptome wie starke Schmerzen im gesamten Brustkorb und Rücken sowie Atemnot vorliegen sowie bei Schmerzen oder Taubheitsgefühlen in den Armen und Beinen, so Bergler-Klein. Wichtig sei es auch, bei Rückenschmerzen – beispielsweise bei Schmerzen zwischen den Schulterblättern – und gleichzeitigem Erbrechen oder auch Oberbauchschmerzen an einen Hinterwandinfarkt zu denken. „Wir sehen immer mehr junge, erwachsene Patienten mit kardialen Risikofaktoren und Infarkten, bei denen die Beschwerden zunächst aufgrund des jungen Alters fehlinterpretiert werden“, berichtet die Expertin aus der Praxis. Das EKG, die Blutparameter (Troponin, D-Dimer) und die Echokardiographie sind wegweisend in der Abklärung kardialer Ursachen.

Bei Anamnese: Differentialdiagnosen herausfiltern

Im Rahmen des Anamnesegesprächs lassen sich laut Kirchmair bereits viele Hinweise auf bestimmte Differentialdiagnosen herausfiltern, um den unspezifischen Brustschmerz zu spezifizieren. Informationen, inwiefern die Schmerzen atem- oder bewegungsabhängig sind, nur bei Belastung oder auch in Ruheposition auftreten, zu einem Druck- oder Engegefühl führen oder weitere Symptome wie saures Aufstoßen oder Hautausschläge vorliegen, könnten helfen, den Brustschmerz einzugrenzen. Bergler-Klein verweist auf weitere wichtige Angaben wie etwa vorhandene kardiale Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht oder Hyperlipidämie sowie die Anamnese der familiären Prädispositionen und von kardialen Vorerkrankungen, Hypertonie oder Diabetes.

Die wichtigsten diagnostischen Maßnahmen bei unspezifischem Brustschmerz sind laut den Experten EKG, Blutdruckmessung sowie die Bestimmung von Troponin, D-Dimer, CRP und BNP beziehungsweise NT-proBNP. Mit dem Blutbild sollte zudem eine Anämie ausgeschlossen werden, da diese ebenfalls Beschwerden und eine Dyspnoe verursachen kann. Wenn das BNP oder NT-proBNP deutlich erhöht ist, weist das auf eine Herzerkrankung hin. Allerdings kann der Wert auch durch hohen Blutdruck oder aber prinzipiell bei älteren Menschen leicht erhöht sein. Im Zweifel sollte eine Überweisung zum Facharzt oder an ein Krankenhaus erfolgen.

Für den Ausschluss einer Lungenentzündung oder von Tumoren sei ein Lungenröntgen indiziert, für den Ausschluss von kardialen Ursachen eine Ergometrie, ein EKG sowie eine Echokardiographie, führt Bergler-Klein aus. „Die Ergometrie allein reicht oft nicht aus, da sie auch bei Frauen unspezifisch sein kann“, betont die Expertin. Dennoch gibt die Ergometrie Auskunft über die Leistungsfähigkeit sowie das Blutdruckverhalten und eventuelle Beschwerden während der Belastung. Während der Blutdruck bei koronarer Stenose oder Herzschwäche nicht ansteigt, kann er bei Hypertonie überschießen. Weitere diagnostische Schritte sind die Koronar-Computertomographie oder Myokardszintigraphie sowie bei auffälligen Werten der Herzkatheter. Bei erhöhten D-Dimer-Werten dient die Spiral-Computertomographie dem Ausschluss einer Pulmonalembolie; mithilfe der Computertomographie kann eine Aortendissektion ausgeschlossen werden. Je nach Verdachtsdiagnose können eine Gastroskopie, ein Lungen- oder Wirbelsäulenröntgen oder auch die Überweisung zu einem Orthopäden oder Pneumologen notwendig sein. (las)

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2019