Bei einem Luxationsbruch ist es wichtig, dass dieser vom Erstversorger reponiert und mit einer Schiene versorgt wird, damit Folgeschäden verhindert werden können. Die Unterscheidung zwischen reiner Bandverletzung, Fraktur oder knöchernem Bandriss ist selbst bei bekanntem Unfallhergang rein anamnestisch nicht immer möglich.
Bei Sprunggelenksverletzungen unterscheidet man knöcherne Verletzungen,(klassischerweise Malleolarfrakturen) von Bandverletzungen in Form von Zerrungen, Rissen oder Teilanrissen des Außenbandapparates. „In der Regel handelt es sich um ein Supinationstrauma, das in nahezu 80 Prozent mit sportlicher Aktivität vergesellschaftet ist“, erklärt Priv. Doz. Reinhard Schuh von der Orthopädischen Abteilung für Kinderorthopädie und Fußchirurgie am Orthopädischen Spital Speising in Wien. Die typische Symptomatik beinhaltet vor allem bei Belastung auftretende Schmerzen im Knöchelbereich und eine unmittelbare Schwellung. „Allein aus dem Verletzungsmechanismus kann man schon sehr viel ableiten, vor allem welche Strukturen betroffen sein können und in welchem Ausmaß“, weiß Priv. Doz. Robert Bogner von der Abteilung für Unfallchirurgie und Orthopädie des Unfallkrankenhauses Salzburg. Neben dem Unfallhergang ist jedenfalls nach Vorverletzungen und wiederholten Supinationstraumen in Alltagssituationen zu fragen, um Rückschlüsse auf eine potentielle chronische Instabilität ziehen zu können. Sprunggelenksverletzungen stellen die häufigsten Gelenksverletzungen im menschlichen Körper dar, wobei man zwischen Bagatellverletzungen wie Zerrungen der Bänder und schwerwiegenden, strukturellen Verletzungen unterscheiden muss. „Bei einfachen Bandverletzungen reicht ein Röntgen aus, während bei chronischen Instabilitäten eine Magnetresonanztomographie indiziert ist, die auch Begleitverletzungen oder Sehnenverletzungen wie die der Peroneus-Sehne sichtbar macht“, betont Bogner.
Luxationsbrüche unmittelbar versorgen
Schwerste Verletzungen wie zum Beispiel Luxationsbrüche lassen sich im Rahmen der klinischen Diagnostik anhand der deutlichen Fehlstellung am einfachsten erkennen. „Wichtig ist, dass der Erstversorger unmittelbar reagiert und den Verrenkungsbruch reponiert und mit einer Schiene versorgt, um Folgeschäden wie Hautnekrosen oder Durchblutungsstörungen zu vermeiden“, betont Bogner. Bei anderen Verletzungen ist nicht immer leicht zu unterscheiden, ob es sich um eine Bandverletzung, eine reine Fraktur oder einen knöchernen Bandriss handelt. Krepitation als klares Knochenbruchzeichen kann vorliegen oder aber auch fehlen. „Gerade bei einfachen Außenknöchelbrüchen wird eine Fehlstellung des Knochens durch die Schwellung des Sprunggelenks maskiert“, weiß der Experte. Ist der Schmerz tendentiell auf der Höhe des Gelenkspalts lokalisiert, ist ein Bruch wahrscheinlicher, während Schmerzen unterhalb des Gelenkspalts keinen genauen Hinweis geben. Im Rahmen der klinischen Untersuchung sollten laut Bogner auch die oberen Anteile des Wadenbeins untersucht werden, um die sogenannte Maisonneuve-Fraktur auszuschließen, bei der eine Bandverletzung im Innenknöchelbereich, der Bandstrukturen zwischen Schien und Wadenbein (Riss der Syndesmose) und ein Bruch des oberen Wadenbeins vorliegen.
„Die Therapie von knöchernen Sprunggelenksverletzungen hängt ab vom Typ und Ausmaß der Verletzung, von begleitenden Bandverletzungen, der Beteiligung des Wadenbeins, Schienbeins oder Sprungbeins sowie vom Aktivitätslevel des Patienten“, fasst Schuh zusammen. Je nachdem ist eine operative (Osteosynthese) oder eine konservative Vorgangsweise indiziert. „Kombinierte Innen und Außenknöchelbrüche sowie Maisonneuve-Verletzungen stellen eine Operationsindikation dar, die man entsprechend mit einer Zugschraube und Neutralisationsplatte am Außenknöchel sowie einer Verschraubung oder Zuggurtung am Innenknöchel versorgt“, erklärt Bogner. Isolierte Innenknöchelfrakturen sind mit einer hohen Rate an Fehlverheilung assoziiert und müssen in der Regel operiert werden, da sich das Periost meist in den Bruchspalt einschlägt und die knöcherne Heilung verhindert. Auch bei verschobenen Knochenfrakturen ist eine Operation indiziert, um einer Arthrose vorzubeugen, wenn im gelenkstragenden Anteil eine Stufenbildung von mehr als zwei Millimeter vorhanden ist. Besonders bei Luxationsfrakturen oder Frakturen des Außenknöchels mit begleitenden Verletzungen des Innenbands kann es zu einer Beteiligung der Gelenksfläche des Schienbeins kommen, wobei die Computertomographie Aufschluss über eine Indikation zur Operation gibt. Unverschobene Frakturen unterhalb des Gelenkspalts, bei denen man einen Riss der Syndesmose ausschließen kann, können konservativ behandelt werden: das heißt mit einer sechswöchigen Gipsbehandlung oder bei Vorliegen eines knöchernen Bandausrisses funktionell mit einer Orthese. „Der Vorteil der funktionellen Orthesenbehandlung gegenüber der Gipsbehandlung ist, dass es viel seltener zu Verwachsungen und Vernarbungen kommt, sodass die Beweglichkeit viel schneller wiederhergestellt werden kann und die Einsteifung des Sprunggelenks verhindert wird“, hebt Bogner hervor. Bei den kombinierten Brüchen mit Bandverletzungen sollte früh mit einer Physiotherapie und mit propriozeptivem Training begonnen werden, um künftigen Verletzungen vorzubeugen. Nachteile durch die Operation ergeben sich insbesondere beim Außenknöchel, bei dem eingebrachte Platten und Schrauben direkt unter der Haut liegen und nicht selten zu Beschwerden und Hautirritationen führen. Bei älteren Menschen ist in diesem Zusammenhang auch an gewisse medikamentöse Therapien zu denken (zum Beispiel KortisonTherapien), die die Haut verletzlicher machen. Im Rahmen der operativen Nachbehandlung ist eine Ruhigstellung von rund sechs Wochen indiziert. Schon währenddessen sollten Übungen mit einem Physiotherapeuten sowie isometrische Übungen erfolgen, um dem fortschreitenden Muskelabbau entgegenzuwirken. Nach der Gipsabnahme ist die Beweglichkeit zu überprüfen und das Gangbild zu normalisieren sowie entsprechende Therapieverfahren wie Physiotherapie oder
unter Umständen eine Lymphdrainage einzuleiten.
Zerrung oder Ruptur?
Für die Wahl der adäquaten Therapie ist entscheidend, ob es sich „um eine einfache Bänderzerrung handelt oder um eine Bandruptur und welche Teile des Bandkomplexes genau betroffen sind“, führt Bogner aus. Am häufigsten betroffen sind die drei Bänder des Außenknöchels. Im Rahmen der klinischen Untersuchung ermöglichen Tests wie der Inversionsstresstest und der Schubladentest eine gute Einschätzung, welche Strukturen betroffen sind.
Bei Bandverletzungen beginnt man „zunächst mit einer konservativen Therapie, sofern es sich nicht um hochaktive Patienten handelt oder Begleitverletzungen wie zum Beispiel Knorpelschäden vorhanden sind“, so Schuh. Liegt eine Bänderzerrung oder ein Bänderteilanriss vor, kommt das sogenannte RICE-Prinzip zur Anwendung: Ruhe (Rest), Eis (Ice), Kompression (Compression), Hochlegen (Elevation). Bei einem Teilanriss sollte möglichst früh mit einer funktionellen Therapie in Form einer propriozeptiven Physiotherapie begonnen werden. „Lassen die Schmerzen in den ersten Wochen nicht deutlich nach, sollte möglichst rasch eine Magnetresonanztomographie durchgeführt werden, um auszuschließen, dass nicht doch etwas Anderes dahinter steckt“, betont Schuh. Isolierte Verletzungen des äußeren Bandapparates können laut Bogner in der Regel konservativ behandelt werden. Die selteneren Syndesmosenrisse und Innenbandrisse, bei denen das Innenband ins Gelenk einschlägt, sind hingegen operativ zu behandeln, da die Heilung ansonsten nicht erfolgreich verläuft. Die konservative Therapie umfasst bei den nicht operierten Bandverletzungen je nach Schweregrad kurzfristig einen Gips bis zum Abschwellen und eine anschließende Schienenbehandlung oder bei stabilen Verhältnissen eine elastische Bandage mit lokal abschwellenden Maßnahmen wie lokal appliziertem Diclofenac oder Topfenwickel.
Bei höher gradigen Bandverletzungen wird das Tragen einer Orthese nach dem Abschwellen empfohlen. Um künftige Bandverletzungen zu vermeiden, wer den gerne Hilfsmittel wie Wackelbretter zum propriozeptiven Training eingesetzt, um die Rückmeldung und Reaktionsfähigkeit des Körpers zu trainieren. „In Abhängigkeit vom Ausmaß der Bandverletzungen und Begleitläsionen sollten die Beschwerden nach der sechswöchigen Schienenversorgung und anschließender Physiotherapie nach etwa drei bis sechs Monaten sistieren“, fasst Schuh zusammen.
Einen anderen therapeutischen Zugang wählt man hingegen bei der Behandlung von Leistungssportlern. Da hier die schnelle Stabilisierung und der möglichst frühe Wiedereinstieg ins Training im Vordergrund steht, wird viel häufiger operiert, um mit Physiotherapie und funktionellen Maßnahmen so früh wie möglich beginnen zu können. „Man sollte dabei nicht die Langzeitfolgen unterschätzen. Auf diese Weise wird das Risiko, eine Arthrose zu entwickeln, erhöht“, macht Schuh aufmerksam. Wird eine Bandverletzung übersehen oder schlecht behandelt, führt dies zu einer vorzeitigen Gelenksabnützung. Im Gegensatz zu Abnützungen an Hüfte und Knie ist die Arthrose am Sprunggelenk in der Regel posttraumatisch bedingt. „Wird eine knöcherne Sprunggelenksverletzung adäquat behandelt, führt das in der Regel zu einer Restitutio ad integrum, wobei das Risiko für eine vorzeitige Abnützung dennoch besteht“, weiß der Experte. Bei Bandverletzungen wiederum gibt es – in Abhängigkeit vom Behandlungserfolg – ein Risiko für das Wiederauftreten. Schuh dazu: „Rezidivierende Supinationstraumata sind grundsätzlich mit einem Instabilitätsgefühl des Knöchels assoziiert und sollten operativ saniert werden.“ (Ias)
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 /25.11.2019