Reflux: Gezielt und maßvoll therapieren

10.02.2019 | Medizin


Mehr als drei Viertel aller Menschen, die an Sodbrennen leiden, sprechen auf die Erstbehandlung mit PPIs an, sodass diese nach drei, vier Wochen abgesetzt werden können. Ein chirurgischer Eingriff ist nur in Ausnahmefällen erforderlich.
Laura Scherber

Die Vorgangsweise bei Sodbrennen hängt immer davon ab, wie sich die Symptome äußern, betont Priv. Doz. Arnulf Ferlitsch von der Abteilung für Innere Medizin I am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien. Ferlitsch weiter: „Meist ist die Ursache saurer Reflux aus dem Magen, oft vergesellschaftet mit einer Hiatushernie.“ Weitere häufige Erstsymptome sind chronischer Husten, ein schlechter Geschmack im Mund oder Schmerzen hinter der Brust. Bei all diesen Symptomen liege „in 75 Prozent der Fälle“ eine Reflux-Erkrankung vor, so der Experte. Wendet sich ein Patient mit dem Symptom Sodbrennen an einen Allgemeinmediziner, muss dieser in einem ausführlichen, klinischen Gespräch abklären, ob neben dem Sodbrennen noch weitere Symptome vorliegen, die Hinweise auf andere Erkrankungen liefern und daher als „Alarmsymptome“ zu verstehen sind, erklärt Univ. Prof. Herbert Tilg von der Universitätsklinik für Innere Medizin I Innsbruck. Mögliche Alarmsignale können sich unter anderem in Form von Blutungen im Verdauungstrakt, Bluterbrechen, schwarzem Stuhl, Gewichtsverlust, Inappetenz, Dysphagie oder wiederholtem Erbrechen manifestieren und treten vermehrt bei über 60-Jährigen auf.

Liegt eines der genannten Alarmsymptome vor, sind weitere Untersuchungen wie Gastroskopie, Ultraschalluntersuchung und Labor indiziert. In der Praxis wird häufig nach der „Test-and-Treat“-Methode vorgegangen, weiß Tilg. Dabei verschreibt der Allgemeinmediziner bei Verdacht auf Reflux einen PPI und bittet den Patienten, nach zwei bis drei Wochen wieder in die Ordination zu kommen, um die Wirkung des Medikaments zu erfassen. „In der Regel sprechen etwa 70 bis 90 Prozent der Patienten auf die Erstbehandlung an, sodass die Protonenpumpen-Inhibitoren nach weiteren drei bis vier Wochen abgesetzt werden können“ führt Tilg aus. Ferlitsch ergänzt: „Dabei soll die Dosis langsam auf die Hälfte reduziert werden, da die Symptome bei zu raschem Absetzen der PPI schnell wieder auftreten.“ Erweist sich die vier- bis sechswöchige Kurztherapie so wie bei den meisten Reflux-Erkrankungen als nicht zielreichend und ist eine längere Behandlungsdauer erforderlich, ist eine weitere Abklärung erforderlich – beispielsweise Endoskopie, Gastroskopie und Messung des pH-Wertes. Zeigen die Protonenpumpen-Inhibitoren von Beginn an keine Wirkung auf das Sodbrennen, sind ebenfalls weitere Untersuchungen notwendig, da möglicherweise keine säurebedingte Reflux-Erkrankung vorliegt, sondern entweder ein duodenaler Reflux, eine Motilitätsstörung der Speiseröhre beziehungsweise des Magens oder eine funktionelle Dyspepsie.

Nicht allein medikamentöse Therapie

Die Behandlung der Reflux-Erkrankung erfolgt vorwiegend medikamentös, „da die Protonenpumpen-Inhibitoren eine hohe Wirksamkeit aufweisen und meist eine schnelle Lösung gefordert wird“, erklärt Tilg. Allerdings werden auch in etwa 50 Prozent der Fälle Protonenpumpen-Inhibitoren verschrieben, ohne dass eine klinische Indikation vorliegt. Wenn bei einer Reflux-Erkrankung die Therapie mit PPIs nicht ausreicht, sind den Aussagen von Ferlitsch zufolge weitere allgemeine Lebensstilmaßnahmen notwendig. Dazu zählen: die letzte Mahlzeit nicht zu knapp vor dem Schlafen einzunehmen, den Oberkörper beim Schlafen hoch zu lagern, scharf gewürzte Speisen sowie hochprozentigen Alkohol und stark kohlesäurehaltige Getränke zu meiden, Übergewicht zu reduzieren und mit dem Rauchen aufzuhören.

„Rund 80 Prozent der Betroffenen können überdies langfristig auch ohne Medikamente mit einer alleinigen Anpassung der Ernährung erfolgreich behandelt werden können, da nicht die Magensäure die Ursache für die Erkrankung ist, sondern die Undichtheit des Anti-Reflux-Ventils am Ausgang der Speiseröhre“, erklärt Univ. Doz. Martin Riegler, Chirurg in Wien. Diese Undichtheit kann durch eine Vielzahl von zugrunde liegenden Faktoren hervorgerufen worden, wie der Wiener erklärt. Dazu zählen verschiedene genetische oder mechanische Belastungen: bei Frauen beispielsweise Schwangerschaften oder aber auch das Heben von schweren Gegenständen, ungesundes Essverhalten, Auto- oder Radunfälle, Sportunfälle mit Schlag auf den Bauch, Infektionen mit Bakterien sowie eine angeborene Bindegewebsschwäche, die den ganzen Körper und somit auch die Speiseröhre betreffen kann. Indem man sich intensiv mit der Krankengeschichte und den Lebensstil-assoziierten Faktoren der Betroffenen auseinandersetzt, die individuellen Ursachen für die Symptome ermittelt und die notwendigen gastroenterologischen Untersuchungen durchführt (Gastroskopie, Histologie, Bestimmung des Krebsrisikos und des Entzündungsgradienten, Druck- und Reflux-Messung), kann eine maßgeschneiderte Therapie für jeden Patienten entwickelt werden.

Ultima ratio: chirurgischer Eingriff

Nach Ansicht der Experten ist ein chirurgischer Eingriff nur in Ausnahmefällen indiziert. Und zwar dann, wenn „die Ernährungsumstellung die Undichtheit des Anti-Reflux-Ventils nicht zu kompensieren vermag und man einfach eine Unterstützung durch eine mechanistische Reparatur braucht“, erklärt Riegler. Bei etwa 20 Prozent der Betroffenen ist dies der Fall. Wenn bei einer Therapie mit PPIs die doppelte Dosis erforderlich ist, rät Ferlitsch zu einem chirurgischen Eingriff. Von einer Fundoplication profitierten in erster Linie Patienten mit einer PPI-refraktären Reflux-Erkrankung und Sodbrennen. Ferlitsch weiter: „Bei denjenigen ohne klassische Symptome, die auch nicht auf PPIs ansprechen und auch keine ausgeprägte Hiatushernie haben, ist der Eingriff weniger wirksam.“ Die Entscheidung zur Operation wird in einem Team getroffen, betont Tilg. Die Chirurgie stelle kein „Allheilmittel“ dar und viele Patienten seien auch noch auf Medikamente angewiesen. Oder aber sie leiden unter funktionellen Beschwerden wie etwa einem Reizdarmsyndrom, weswegen man hier prinzipiell zurückhaltend handle. „In Einzelfällen ist die Chirurgie aber eine sehr gute Lösung, von der der Patient dann wirklich profitiert“, räumt Tilg ein.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2019