Mund­bren­nen: Sym­ptom, keine Diagnose

10.09.2019 | Medizin


Stö­run­gen der Mund­flora erge­ben sich häu­fig durch zu viel lokale Ste­ri­li­tät. Nicht immer jedoch ist die Ursa­che dafür im Mund selbst gele­gen; Infek­ti­ons­krank­hei­ten, orga­ni­sche Erkran­kun­gen und auch Neben­wir­kun­gen von Arz­nei­mit­teln kön­nen Mund­bren­nen aus­lö­sen.
Laura Scher­ber

Beim Bur­ning-Mouth-Syn­drom han­delt es sich um ein häu­fig vor­kom­men­des Beschwer­de­bild, das mit Miss­emp­fin­dun­gen der Mund­schleim­haut oder Zunge ein­her­geht. „Mund­bren­nen ist ein Sym­ptom und keine Dia­gnose. Es führt zu einer Viel­zahl von mög­li­chen Ursa­chen, die ent­spre­chend inter­dis­zi­pli­när abge­klärt wer­den müs­sen“, betont Univ. Prof. Nor­bert Klein­sas­ser von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Hals‑, Nasen- und Ohren­heil­kunde Linz. Beson­ders häu­fig liegt eine Infek­tion der Mund­schleim­haut zugrunde – aus­ge­löst durch Viren, Bak­te­rien oder Pilze. „Stö­run­gen der Mund­flora erge­ben sich häu­fig durch zu viel Ste­ri­li­tät“, weiß Ass. Prof. Tamar Kinaci­yan von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Der­ma­to­lo­gie in Wien. Und wei­ter: „Wenn man zu oft Mund­spü­lun­gen ver­wen­det, stirbt die nor­male Mund­flora ab und andere Keime, die dort nor­mal nicht hin­ge­hö­ren, kön­nen wuchern“. Beson­ders bei älte­ren Pati­en­ten, die eine Pro­these tra­gen, kann sich eine atro­phi­sche Can­di­dia­sis ent­wi­ckeln, die nicht immer mit den klas­si­schen Stipp­chen ein­her­ge­hen muss, son­dern sich auch durch Rötung und Zun­gen­bren­nen äußern kann, wie Kinaci­yan berich­tet. Eine wei­tere häu­fige Ursa­che ist Man­gel­er­näh­rung – vor allem Eisen‑, Fol­säure- oder Vit­amin B12-Man­gel. Dabei kann es zu einer Ver­än­de­rung der Ober­flä­chen­struk­tur der Zunge kom­men, sodass sich eine Lack­zunge aus­bil­det, die auch wie­der ein typi­sches Sym­ptom ist, das meh­rere Ursa­chen haben kann.

Etwas wei­ter unten in der Häu­fig­keits­skala als Aus­lö­ser für Bren­nen im Mund ran­gie­ren Infek­ti­ons­krank­hei­ten ganz gene­rell und orga­ni­sche Erkran­kun­gen. „Jede Infek­ti­ons­krank­heit kann letzt­end­lich auch eine Ent­zün­dung im Bereich der Zunge oder der Wan­gen­schleim­häute her­vor­ru­fen“, betont Klein­sas­ser. Am häu­figs­ten han­delt es sich dabei um Streptokokken.

Bei den orga­ni­schen Ursa­chen für das Bren­nen im Mund ste­hen atro­phi­sche Magen­er­kran­kun­gen im Vor­der­grund, bei denen die Säu­re­pro­duk­tion sowie die Leber­zir­rhose, die durch ihre Begleit­sym­ptome wie Spi­der naevi, Ikte­rus an der Haut oder Aszi­tes ein­deu­tig von einer Eisen­man­gel­er­kran­kung unter­schie­den wer­den kann. „Bei den wei­te­ren all­ge­mei­nen Erkran­kun­gen muss man auch an die Hypo­thy­reose den­ken, die mit Miss­emp­fin­dun­gen der Mund­schleim­haut ein­her­ge­hen kann beson­ders bei Frauen und Best Ager vor allem um das 60. Lebens­jahr“, weiß Klein­sas­ser. Wei­tere Auto­im­mun­erkran­kun­gen, an die man den­ken sollte, sind das Sjögren-Syn­drom, das durch Atro­phie der Spei­chel­drü­sen zu Mund­tro­cken­heit und Bren­nen führt, sowie Mul­ti­ple Skle­rose, die durch ner­vale Beein­träch­ti­gung ähn­li­che Sym­ptome aus­lö­sen kann. Außer­dem sind im Rah­men der Ana­mnese eine Gas­tri­tis oder Reflux-Öso­pha­gi­tis aus­zu­schlie­ßen sowie Hals­wir­bel­säu­len­pro­bleme oder das Peit­schen­schlag-Phä­no­men nach einem Unfall. „Auch all­ge­meine Hor­mon­um­stel­lun­gen wie im Rah­men des Kli­mak­te­ri­ums kön­nen mit der­ar­ti­gen Sym­pto­men ein­her­ge­hen, da sich durch die gerin­gere Hor­mon­zu­fuhr die Struk­tur der Schleim­haut ändert und das Sekret zäh­flüs­si­ger wird“, erklärt Kleinsasser.

Krank­hei­ten, die spe­zi­fisch an der Mund­schleim­haut auf­tre­ten und mit Bren­nen im Mund ein­her­ge­hen kön­nen, sind Lichen ruber pla­nus (Knöt­chen­flechte), bei dem es auch zu offe­nen Stel­len kommt, sowie Aph­ten. „Bei der Lin­gua geo­gra­phica han­delt es sich zwar um einen Nor­mal­zu­stand. Jedoch kann das ungleich­mä­ßige Wachs­tum der Geschmacks­knos­pen Miss­emp­fin­dun­gen her­vor­ru­fen“, weiß Kinaci­yan. Auch durch Pro­the­sen kön­nen sich wunde Stel­len im Mund erge­ben, die ein bren­nen­des Gefühl her­vor­ru­fen. „Eine scharfe Zahn­kante, die über Jahre auf eine Stelle im Mund ein­wirkt, kann nicht nur zu Bren­nen, son­dern lokal zur Tumor­ent­ste­hung füh­ren“, hebt Klein­sas­ser her­vor. Dies ist ganz beson­ders dann der Fall, wenn auch noch Alko­hol- und Niko­tin­kon­sum dazu­kom­men. „Der Ein­fluss von Alko­hols per se ist zwar umstrit­ten“, berich­tet Klein­sas­ser. Aller­dings könne hoch­pro­zen­ti­ger Alko­hol die Schleim­haut rei­zen und so gegen­über ande­ren Reiz­stof­fen emp­find­li­cher machen, wenn der Alko­hol selbst kei­nen direk­ten Tumor-indu­zie­ren­den Effekt hat.

Auch Neben­wir­kung von Medikamenten

Gar nicht so sel­ten stellt Bren­nen im Mund die Neben­wir­kung eines Arz­nei­mit­tels dar, beto­nen beide Exper­ten. Am häu­figs­ten ist dies bei Anti­hy­per­ten­siva – spe­zi­ell bei ACE-Hem­mern – der Fall sowie bei ver­schie­de­nen Psy­cho­phar­maka; hier wie­derum vor allem bei tri­zy­kli­schen und auch bei neue­ren Anti­de­pres­siva. Neben Anti­hy­per­ten­siva hät­ten beson­ders Anti­bio­tika, bestimmte Anti-All­er­gika der älte­ren Gene­ra­tio­nen sowie harn­trei­bende Prä­pa­rate eine anti­cho­li­nerge Wir­kung, die zur Tro­cken­heit führ­ten, berich­tet Kleinsasser.

„Kön­nen orga­ni­sche Ursa­chen aus­ge­schlos­sen wer­den, muss man auch an psy­chi­sche Fak­to­ren den­ken“, rät Kinaci­yan. Nicht sel­ten seien ältere Frauen betrof­fen, bei denen sich eine Depres­sion auf diese Weise sym­pto­ma­tisch mani­fes­tiert. Ganz gene­rell lei­den Men­schen, die psy­chisch belas­tet sind, häu­fi­ger an Mund­bren­nen. Das ist ent­we­der auf ein über­trie­be­nes Rein­lich­keits­be­dürf­nis (zum Bei­spiel durch täg­li­ches Schrub­ben der Zunge) oder auf Ver­let­zun­gen durch ein per­ma­nen­tes Her­um­bei­ßen auf der Wange als Mani­fes­ta­tion des inne­ren Anspan­nungs­zu­stands zurück­zu­füh­ren. Beson­ders bei jün­ge­ren Pati­en­ten äußern sich diese Span­nungs­zu­stände auch durch Zäh­ne­knir­schen (Bru­xis­mus).

Ziel ist zunächst, nicht-lokale orga­ni­sche Ursa­chen aus­zu­schlie­ßen. Laut den Exper­ten lie­fern der Pilz- und Bak­te­ri­en­ab­strich sowie die Blut­un­ter­su­chung einen Groß­teil der benö­tig­ten Infor­ma­tio­nen: bei­spiels­weise über das Vor­lie­gen von Infek­tio­nen, Stö­run­gen des Vit­amin­haus­halts oder einer Leber­zir­rhose. Wei­tere Unter­su­chun­gen umfas­sen die Hals­wir­bel­säule und endo­sko­pi­sche Unter­su­chun­gen. „Wenn es sich beim Betrof­fe­nen um ein Kind han­delt, sollte man prü­fen, ob es zucker­krank ist, weil diese Sym­ptome bei einer nor­ma­len gesun­den, nicht immun­sup­p­ri­mier­ten jun­gen Per­son in der Regel nicht auf­tre­ten“, betont Kinaciyan.

Kann eine Grund­er­kran­kung ermit­telt wer­den und wird diese gezielt behan­delt, ver­schwin­det das Bren­nen im Mund „in der Regel“ (Kinaci­yan). Das Bren­nen im Mund kann auch durch den Ver­zehr von schar­fen oder sau­ren Lebens­mit­teln aus­ge­löst wer­den. Hier kann – so wie grund­sätz­lich bei Mund­bren­nen – hel­fen, viel Flüs­sig­keit und Sal­bei­tee zu trin­ken sowie auf Alko­hol und Niko­tin gänz­lich zu ver­zich­ten. In schwer­wie­gen­den Fäl­len, wenn die Pati­en­ten vor Schmer­zen im Mund kaum essen kön­nen, kann ein Lokal­an­äs­the­ti­kum in Form einer Mund­spü­lung (Xylo­cain viscös) kurz­fris­tig Abhilfe schaffen. 

Soll die Mund­schleim­haut hin­ge­gen nach Behand­lung einer Pilz­er­kran­kung mit einem Myko­ti­kum gepflegt oder beru­higt wer­den, sind ölige Tee­sor­ten wie Sal­bei und Thy­mian gut geeig­net. Alter­na­tiv kann man bei harm­lo­se­ren Ent­zün­dungs­for­men auch eine Dex­pan­the­nol-Mund­spü­lung ange­wen­det werden.

Kann im Zuge der Erst-Ana­mnese keine Ursa­che ermit­telt wer­den oder sind die Sym­ptome nach einer Woche noch immer vor­han­den, raten die Exper­ten zu einer Über­wei­sung an einen Facharzt.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 17 /​10.09.2019