Medizinische Kurzmeldungen: Kurz und informativ

15.12.2019 | Medizin

Antarktis­-Langzeitaufenthalt schadet Gehirn

Ein Langzeitaufenthalt in der Antarktis führt laut deutschen Forschern um Alexander Stahn von der Charité­Universi­tätsmedizin Berlin in Teilbereichen des Hippocampus, die für Gedächtnis und räumliches Denken zuständig sind, zu Verkleinerungen. Bei neun Teilnehmern, die sich 14 Monate auf der Neumayer-Station III aufhielten, wurden vor und nach der Expedition mittels MRT strukturelle Gehirn­Aufnahmen gemacht, Blutproben analysiert und kognitive Tests durchge­führt. Die Ergebnisse wurden mit denen einer Kontrollgruppe in Deutschland verglichen. So trat bei den kognitiven Übungen etwa kein Lerneffekt auf; je ausgeprägter die Gehirnveränderungen waren, desto geringer war die Lernkurve. Angesichts des relativ jungen Alters der Probanden von 25 bis 36 Jahren seien die Veränderungen überraschend stark ausgefallen. Was die Veränderungen im Gehirn auslöst, ist unklar. Mögliche Faktoren sind Reizarmut, wenige Sozialkontakte, schlechter Schlaf etc. Die Forscher gehen allerdings davon aus, dass die Veränderungen reversibel sind. Aufgrund der kleinen Probandenzahl sind die Ergebnisse vorsichtig zu interpretieren. Weil die Neumayer­Station ein geeignetes Analogmodell ist, könnten die Ergebnisse auch für Raumfahrtmissionen relevant sein.
APA/NEJM

Gehirn nimmt beim Hören Töne vorweg

Die Fähigkeit unseres Gehirns, beim Hören Vorher­sagen zu treffen, kann die Entstehung eines Tinnitus begünstigen. Wissenschafter um Univ. Prof. Nathan Weisz vom Center für Cognitive Neuroscience der Universität Salzburg haben die Gehirnaktivität von 33 gesunden Probanden mittels Magnetenzephalo­graphie (MEG) untersucht, während sie einen stummgeschalteten Film schauten und in gleich­bleibendem Zeitabstand  Sequenzen aus vier Tönen hörten. In jeder Sequenz war die Tonhöhe eines Tons mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit vom vorangegangenen Ton abhängig. Ergebnis: „Schon ungefähr 300 Millisekunden vor dem erwarteten Zeitpunkt der Tondarbietung waren Tonhöhen­spe­zifische neuronale Muster stärker aktiviert (…)“, so Studien­Erstautor Gianpaolo Demarchi. Auch wenn ein Ton ausgelassen wurde, trat die neuronale Aktivität des nicht dargebotenen, aber erwarteten Tons auf. Die individuell un­terschiedlich ausgeprägte Vorhersagefähigkeit könnte ein Erklä­rungsansatz für die Entwicklung von Tinnitus sein: Menschen mit ausgeprägter Fähigkeit könnten nach einer Hörschädi­gung eine Disposition für die Entstehung eines Tinnitus haben. 
APA/Nature Communications

Malaria: neue Angriffspunkte identifiziert

Forscher um Prof. Volker Heussler von der Universität Bern haben mögliche neue Angriffspunkte gegen Plasmo­dien identifiziert. Im Mausmodell haben sie gezielt über 1.300 Gene ausgeschaltet und die Folgen in den unter­schiedlichen Lebensphasen des Erregers beobachtet. Dabei wurden Hunderte essentielle Gene für das Überleben herausgefiltert. Gemeinsam mit Kollegen der ETH Lausanne und der Universität Genf haben die Forscher berech­net, welche Gene sich als Ziele für neue Medikamente oder Impfstoffe in verschiedenen Lebensphasen des Erregers eignen.
APA/Cell

3.800 frühzeitige Todesfälle wurden in Österreich 2016 durch die gestiegene Feinstaubbelastung (PM 2,5) verursacht, 600 davon durch das Verbrennen von Kohle. Bei gleichbleibender Luftverschmutzung werden sich die wirtschaftlichen Verluste und Gesundheitskosten europaweit auf 129 Milliarden Euro belaufen, so der Bericht des Konsortiums „The Lancet Countdown“.
APA

Schluckauf fördert Hirnentwicklung bei Babys

Schluckauf fördert bei Früh­ und Neugeborenen die Entwicklung des sensorischen Cortex. Zu dieser Erkenntnis kommt ein Team um Kimberley White­head vom University College London. Die Forscher analysierten die EEG-Aktivität von 13 Säuglingen zeitgebunden an Zwerchfellkontraktionen (n=1.316), die am Rumpf gemessen wurden. Jede Kontraktion rief drei Ereignisbezogene Erregungs­wellen hervor, wobei die dritte für die Verknüpfungen unterschiedlicher Sinnes­empfindungen im Gehirn verantwortlich sein soll. Da­durch lernt das Baby, dass die Zwerchfellkontraktion und der gehörte „Hicks“ zu­sammengehören. Laut den Forschern dürfte die Übung dabei helfen, später bewusst die Atmung kontrollieren zu können. Demnach stellt Schluckauf im Erwachsenenalter ein funktionsloses Relikt dieses Reflexes dar.
APA/Clinical Neurophysiology


Hitze verkürzt Schwangerschaften

US­-amerikanische Wissenschafter haben Erkenntnisse früherer Studien bestätigt, wonach der Klimawandel und die zunehmend heißen Tage Schwangerschaften verkür­zen – konkret um durchschnittlich sechs Tage. Die Teams um Alan Barreca von der University of California in Los Angeles und Jessamyn Schaller vom Clare­mont McKenna College in Claremont (beide: Kalifornien, USA) haben rund 56 Millionen Geburten von 1969 bis 1988 ausgewer­tet. Verglichen wurde dabei die täg­liche Geburtenrate an einem Tag mit einer Höchsttemperatur von mehr als 32,2 Grad mit demselben Tag in anderen Jahren. Im Vergleich zu Tagen mit einer Höchsttempera­tur von 15,6 bis 21,1 °C stieg die Geburtenrate am heißen Tag und am folgenden Tag um insgesamt 1,63 pro 100.000 Geburten an. Erst 15 Tage nach dem heißen Tag hatte sich die Geburtenrate normalisiert. Die Forscher konn­ten allerdings in Bezug auf den Zeitraum 1969 bis 1988 auch zeigen, dass Klimaanlagen den Effekt um drei Viertel verringern können. 
APA/Nature Climate Change

Schwangerschaftsstudie abgebrochen

Nachdem im Rahmen einer schwedischen Untersuchung über die Einleitung der Geburt bei Schwangerschaften nach der 42. Woche sechs Babys starben, wurde die Studie aus ethischen Gründen vorzeitig abgebrochen. Bei der SWEPIS (SWEdish Post­term Induction Study) wurden von 2016 bis 2018 insgesamt 2.760 gesunde Schwangere untersucht, die bereits in der 42. Woche waren. Auch wenn die Studienergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden müssten, empfehlen die Forscher der Uni Göteborg eine Einleitung der Geburt nach spätestens 41 Schwangerschaftswochen.
APA/British Medical Journal

Fettreiche Ernährung schädigt fetales Gehirn

In Zell­ und Mausmodellen zeigte sich, dass fettreiche Ernährung mit mehrfach ungesättigten Omega­6­Fettsäuren dazu führt, dass die Mutter ein Übermaß an Endocannabinoiden produziert, die an das Ungeborene weitergegeben werden können. Das haben Forscher um Univ. Prof. Tibor Harkany vom Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien herausge­funden. Dadurch werden die Cannabinoid­-Rezeptoren im fetalen Gehirn überfordert, die Entwicklung von Hirnnetzwerken eingeschränkt und es können beispielsweise Schizophrenie, ADHS oder Angstzustände ausgelöst werden. Eine Ernährungsumstellung nach der Geburt kann diese Modifika­tion in den Nervenzellen nicht mehr umkehren.
APA/Molecular Psychiatry


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2019