Chikungunya in Spanien: Verdachtsfälle nicht bestätigt

15.07.2019 | Medizin


Erstmals in Tansania beschrieben, beschränkt sich das Chikungunya-Virus längst nicht mehr nur auf tropische Regionen. Einer der Überträger, die Asiatische Tigermücke, ist jedes Jahr in Tirol an der Autobahn bei Kiefersfelden vorzufinden. Anfang Juni schien es zu den ersten lokal in Spanien erworbenen Infektionen mit dem Chikungunya-Virus gekommen zu sein.

Sophie Fessl

Bei drei Reisenden aus Island sowie einem Reisenden aus Norwegen, die gemeinsam in die Urlaubsregion Alicante im Osten Spaniens reisten, war nach ihrer Rückkehr Anfang Juni dieses Jahres eine Infektion mit dem Chikungunya-Virus vermutet worden. Ende Juni hat das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, ECDC, in einer Mitteilung allerdings bekanntgegeben, dass die Verdachtsfälle durch weitere Labortests nicht bestätigt wurden (Communicable disease threats report, Week 26). Dennoch: „Seit 2010 wurden fünf autochthone Ausbrüche von Chikungunya in Europa registriert. Autochthone Fälle in Europa sind Folgeerscheinungen von importierten Fällen von Chikungunya“, erklärt Univ. Prof. Herwig Kollaritsch vom Zentrum für Reisemedizin in Wien. In Europa kam es in Frankreich bereits zu drei Ausbrüchen von Chikungunya, in Italien zu zwei. „Beim Ausbruch von Chikungunya in der Provinz Lazio in der Nähe von Rom gab es 250 Fälle“, so Kollaritsch weiter. Chikungunya ist in Österreich meldepflichtig, mit 19.Juni 2019 waren in Österreich für 2019 neun Fälle von Chikungunya gemeldet, alle Patienten hatten sich in Thailand infiziert.

Die eigentlich tropische Infektionskrankheit Chikungunya wurde erstmals 1952 in Tansania beschrieben. Doch die Krankheit beschränkt sich längst nicht mehr auf tropische Regionen. Das Virus zirkuliert in mehreren genetischen Varianten in Afrika, Süd- und Süd-Ost-Asien und Indien. Aber auch in der Karibik, Süd- und Mittelamerika sowie in den Vereinigten Staaten tritt Chikungunya auf.

Invasive Stechmücke als Überträger

Der Erreger von Chikungunya ist das Chikungunya-Virus, das je nach Geographie in verschiedene Viruslinien unterteilt werden kann. Das Virus wird durch die Gelbfiebermücke, Aedes aegypti, und die Asiatische Tigermücke, Aedes albopictus, übertragen. Die tagaktive Asiatische Tigermücke ist mittlerweile auch in Europa vertreten. „Aedes albopictus, ein kompetenter Überträger vor allem für die asiatische Linie des Chikungunya-Virus, findet sich in ganz Italien, Südfrankreich, an der Ostküste Spaniens, sowie der Westküste Griechenlands und Albaniens“, erklärt Kollaritsch. Neben dem Chikungunya-Virus kann diese Mückenart auch Dengue-Fieber, Gelbfieber und West-Nil-Fieber übertragen – auch in Europa, wie Univ. Prof. Franz Allerberger, Leiter des Geschäftsfeldes Öffentliche Gesundheit der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit), ausführt. „Fernreisende und Immigranten können das Virus im Blut tragen. Wenn eine Tigermücke diese Personen gestochen hat und danach wird man 150 Meter entfernt auf der Terrasse sitzend auch gestochen, so kann man diese tropischen Krankheiten auch in Europa erwerben.“ Kollaritsch warnt aber vor zu viel Sorge. „Chikungunya in Europa ist eine Randerscheinung, in anderen Gebieten tritt es viel häufiger auf. In Thailand etwa werden derzeit viele Fälle berichtet, auch in Urlaubsregionen.“

Die Inkubationszeit von Chikungunya beträgt zwischen drei und zwölf Tagen. Danach kommt es in der Anfangsphase der Krankheit zu hohem, rasch ansteigendem Fieber. „Meistens zeigen Infizierte bereits bei der Rückreise Zeichen eines grippalen Infekts“, erklärt Allerberger. Das Fieber dauert meist sieben Tage. Außerdem leiden viele Patienten an Muskel- und Gliederschmerzen. Auch Lymphknotenschwellungen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden sowie Augenentzündungen sind mögliche Krankheitszeichen. Ebenso kann ein kurz andauernder, makulo-papulöser Hautausschlag ein Symptom von Chikungunya sein.

Die Bedeutung des Worts Chikungunya, aus der Sprache der in Tansania und Mozambik beheimateten Makonde, „der gekrümmt Gehende“, beschreibt eines der Hauptsymptome, nämlich starke Gelenkschmerzen. Diese treten bei etwa zehn Prozent der Erkrankten auf. „Anzeichen eines grippalen Infekts treten bei vielen viralen Erkrankungen auf. Aber bei Chikungunya haben wir einen höheren Anteil an Gelenkschmerzen“, sagt Allerberger. Schwere Komplikationen wie Hämorrhagien sind bei Chikungunya selten. Jedoch kann es bei Säuglingen und älteren Personen zur lebensbedrohlichen Mitbeteiligung des Zentralnervensystems kommen.

Genaue Reise-Anamnese

Chikungunya kann als Diagnose in Betracht gezogen werden, wenn eine fieberhafte Erkrankung in engem zeitlichen Anschluss an die Reisetätigkeit in ein betroffenes Gebiet auftritt. Eine genaue Reise-Anamnese ist daher wichtig sowie Kenntnis über das aktuelle Auftreten des Virus. Mittels Reverse–Transkriptase-Polymerase–Kettenreaktion kann das Virus bis zu fünf Tage nach Symptombeginn im Blut nachgewiesen werden. Danach können Antikörper gegen das Chikungunya-Virus vom Typ IgG und/oder IgM im Blut nachgewiesen werden. Bei den drei isländischen Touristen, bei denen man eine Infektion vermutete, war der Nachweis mittels RT-PCR positiv, der serologische IgM/IgG blieb negativ. Beim norwegischen Verdachtsfall zeigte die Serologie positive IgM- und negative IgG-Resultate, der Nachweis mittels RT-PCR war dagegen negativ. Schlussendlich hat eine weitere molekulare Charakterisierung die Diagnose nicht bestätigt.

„In den meisten Fällen hat die Labordiagnostik keine Relevanz, denn die Krankheit kommt und geht ohne Therapie“, betont Allerberger. „Diagnostik wird dann benötigt, wenn die Gelenksbeschwerden etwa zu einer Arbeitsunfähigkeit führen.“ Denn das Hauptproblem bei Chikungunya-Erkrankungen ist die mögliche Chronifizierung der Gelenkschmerzen. Gelenkbeschwerden treten bei zehn Prozent der an Chikungunya-Erkrankten auf. Die Gelenke sind meist bilateral an den Extremitäten geschwollen und berührungsempfindlich. Die meisten Patienten erholen sich davon vollständig, doch bei einem Teil der Betroffenen können die Schmerzen persistieren. „Der post-infektiöse Gelenkschmerz ist bei Chikungunya gefürchtet. Dieser kann in seltenen Fällen viele Jahre andauern“, erklärt Kollaritsch.

Chikungunya-Fieber kann nur rein symptomatisch behandelt werden; es gibt keine spezifische antivirale Therapie gegen den Erreger selbst. Meist reicht die Gabe von fiebersenkenden Medikamenten. Vom Chikungunya-Virus verursachte Gelenkschmerzen können mit denselben Medikamenten behandelt werden wie plötzliche Gelenkscherzen aus dem rheumatischen Formenkreis. Ein Impfstoff gegen das Chikungunya-Virus ist derzeit nicht verfügbar, jedoch in klinischer Entwicklung. Als Schutz vor einer Ansteckung wird zu langer Kleidung geraten, um die Haut vor den tagaktiven Überträgern zu schützen. Sowohl die Anwendung von Mückenschutzmitteln als auch entsprechender Schutz in Schlafräumen (zum Beispiel Insektenschutzgitter) werden empfohlen.

Eine weitere Prophylaxe-Maßnahme ist die Reduktion von natürlichen und künstlichen Brutstätten der Stechmücken. Dazu rät Allerberger auch in Österreich, denn auch hier kann sich die invasive Tigermücke ansiedeln – wie in Südtirol und Deutschland bereits stellenweise geschehen. „In Österreich wurde 2012 die Asiatische Tigermücke zum ersten Mal beschrieben. In Tirol, an der Autobahn bei Kiefersfelden, finden wir sie jedes Jahr regelmäßig. Wenn sich die Tigermücke in Tirol dauerhaft ansiedelt, haben wir ein Problem.“ Denn an den Autobahnraststätten halten sich auch viele Touristen auf, unter denen auch jemand mit dem Chikungunya-Virus infiziert sein könnte. Prophylaxe wie das wöchentliche Ausleeren von künstlich geschaffenen Brutstätten sei generell wichtig, so Allerberger. Denn bereits jetzt überträgt die gemeine Haus-Gelse im Osten Österreichs das West-Nil-Fieber. „Wir hatten letztes Jahr 21 Fälle, die sich im Raum Wien, Niederösterreich und Burgenland auf diese Weise mit dem Erreger des West-Nil-Fiebers angesteckt haben.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2019