Stand­punkt Tho­mas Sze­ke­res: Plä­doyer für die Phantasie

25.02.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK

© Gregor Zeitler

Alles im Leben unter­liegt einem ste­ti­gen Wan­del. Das betrifft nicht nur aktu­elle Ereig­nisse, son­dern auch gesell­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen über einen län­ge­ren Zeit­raum hin­weg. Mit einem Teil­aspekt sozio­lo­gi­schen Wan­dels haben wir es schon seit län­ge­rem im beruf­li­chen Umfeld zu tun. Für die jün­gere Gene­ra­tion gilt die Glei­chung „Lange harte Arbeit gleich Kar­riere gleich Lebens­glück“ nicht mehr, sie legt Wert auf die Work-Life-Balance und will sich selbst ver­wirk­li­chen. Zudem nimmt Fami­lie einen grö­ße­ren Stel­len­wert ein. Man möchte seine Kin­der auf­wach­sen sehen und Kar­riere und Kind unter einen Hut bekom­men. Die­sen sozio­lo­gi­schen Wan­del dür­fen wir nicht igno­rie­ren. Ebenso wenig, dass die Medi­zin weib­li­cher wird. Auch die­sem Fak­tum gilt es Rech­nung zu tragen.

Wir kön­nen uns im Jahr 2019 nicht damit abfin­den, dass es für Frauen mit Kas­sen­ver­trag fast unmög­lich ist, in Karenz zu gehen. Das hat nicht nur mit dem Ärz­te­man­gel zu tun, son­dern ist eine Ver­pflich­tung für uns als Gesell­schaft. Von allen Sei­ten ist daher Fle­xi­bi­li­tät gefor­dert – und auch Krea­ti­vi­tät. Die Mög­lich­keit von Grup­pen­pra­xen und das Tei­len einer Kas­sen­stelle sind Schritte in die rich­tige Rich­tung, aber dür­fen uns nicht stop­pen, wei­tere Optio­nen für die bes­sere Ver­ein­bar­keit von Beruf und Fami­lie zu finden.

Hilf­reich kön­nen im Kampf gegen den Ärz­te­man­gel auch die Start­fi­nan­zie­run­gen sein, die es jetzt in der Stei­er­mark und in Wien gibt. Beson­ders für struk­tur­schwa­che Regio­nen könnte das einen Attrak­ti­vi­täts­schub für eine Kas­sen­stelle bedeu­ten. Auch Aus­bil­dungs-Unter­stüt­zun­gen wie im Bur­gen­land kön­nen hel­fen. Aber es bedarf zusätz­li­cher Maß­nah­men auf Bun­des­ebene, um noch gegen­steu­ern zu kön­nen. Die Rah­men­be­din­gun­gen für Ärz­tin­nen und Ärzte müs­sen gene­rell ver­bes­sert wer­den, um jun­gen Men­schen wie­der Freude an der Tätig­keit als Land­arzt zu ver­mit­teln. Dabei geht es etwa um die Ent­las­tung von büro­kra­ti­schen Auf­ga­ben, eine Hono­rar­an­glei­chung an die Fach­ärzte und eine Auf­wer­tung des Haus­arzt-Image. All diese Punkte haben wir in Umfra­gen unter Medi­zin­stu­den­ten als Hin­der­nisse identifiziert.

Um Ärz­te­man­gel zu bekämp­fen reicht es nicht aus, nur öffent­lich­keits­wirk­sam einen Schul­di­gen zu suchen. Das bedeu­tet für alle Ent­schei­dungs­trä­ger ein gemein­sa­mes, kon­struk­ti­ves Arbei­ten an fan­ta­sie­vol­len Lösungen.

a.o. Univ.-Prof. Tho­mas Sze­ke­res
Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 4 /​25.02.2019