Stand­punkt Johan­nes Stein­hart: Fun­da­men­ta­les Problem

10.05.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK

© Gregor Zeitler

Ich spre­che heute mit beken­nen­der Alar­miert­heit einen gefähr­li­chen Trend an, der, wenn nichts Wirk­sa­mes geschieht, in Zukunft einen Eck­pfei­ler der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung erschüt­tern wird: Der per­spek­ti­vi­sche Man­gel an All­ge­mein­me­di­zi­nern und ‑medi­zi­ne­rin­nen. Ein Trend, der auch bei gesund­heits­po­li­tisch Ver­ant­wort­li­chen die Alarm­glo­cken läu­ten las­sen sollte.

Wer­fen wir einen Blick auf die aktu­el­len Kan­di­da­ten­zah­len bei der Prü­fung zum Arzt für All­ge­mein­me­di­zin: Im lau­fen­den Jahr wer­den vor­aus­sicht­lich gerade ein­mal rund 400 Stu­die­rende an den drei Prü­fungs­ter­mi­nen teil­neh­men. Im Jahr 2015 waren es mit 876 noch deut­lich mehr als dop­pelt so viele. 2012 wurde der bis­he­rige Spit­zen­wert von 992 erreicht, seit­her geht es mit den Prü­fungs­zah­len kon­se­quent bergab.

Allein beim heu­ri­gen Win­ter-Prü­fungs­ter­min gab es um 31 Pro­zent weni­ger Kan­di­da­ten als 2018, beim Früh­jahrs­ter­min um zehn Pro­zent. Der offen­sicht­li­che Inter­es­sens-Ein­bruch bei Jung­me­di­zi­nern am Fach All­ge­mein­me­di­zin ist bestür­zend. Haus­ärzte sind ein uner­setz­li­ches Fun­da­ment unse­rer bewähr­ten nie­der­ge­las­se­nen Ver­sor­gung. Kaum aus­zu­den­ken, was pas­siert, wenn die­ses Fun­da­ment, das in Tei­len Öster­reichs bereits durch unzu­rei­chen­den All­ge­mein­me­di­zi­ner-Nach­wuchs spür­bare Risse bekom­men hat, groß­flä­chig brü­chig würde.

Wie häu­fig berich­tet, wer­den mehr als die Hälfte der GKK-All­ge­mein­me­di­zi­ner in den nächs­ten zehn Jah­ren das Pen­si­ons­al­ter erreich­ten, von den Wahl­ärz­ten rund 40 Pro­zent. Das bedeu­tet einen mit­tel­fris­ti­gen jähr­li­chen Nach­be­set­zungs­be­darf von 237 bzw. 124: Das ist die Anzahl zusätz­li­cher Ärz­tin­nen und Ärzte, die zur Auf­recht­erhal­tung des Sta­tus quo in fünf Jah­ren benö­tigt wer­den, um die pen­si­ons­be­ding­ten Abgänge aus­zu­glei­chen. Nicht ein­ge­rech­net ist dabei der zusätz­li­che Bedarf, der einer rasch wach­sen­den und älter wer­den­den Gesell­schaft geschul­det ist.

Aller­dings, und das ver­deut­li­chen die rasant schwin­den­den Teil­neh­mer­zah­len bei den Prü­fun­gen zum All­ge­mein­me­di­zi­ner beson­ders dra­ma­tisch, sind wir Licht­jahre davon ent­fernt, die­sen Bedarf decken zu können.

Es ist zu hof­fen, dass diese Bilanz die gesund­heits­po­li­tisch Ver­ant­wort­li­chen nicht nur auf­rüt­telt, son­dern auch zum Set­zen geeig­ne­ter Maß­nah­men ani­miert. Sie müs­sen dafür sor­gen, dass die All­ge­mein­me­di­zin ihrem Stel­len­wert ent­spre­chend behan­delt und geför­dert wird. Das bedeu­tet, sie aktiv zu bewer­ben, aber auch der­art attrak­tive beruf­li­che Rah­men­be­din­gun­gen zu schaf­fen, dass sich die All­ge­mein­me­di­zin im Wett­be­werb mit ande­ren
medi­zi­ni­schen Fächern behaup­ten kann. Sonst darf sich nie­mand wun­dern, wenn der Nach­wuchs auch wei­ter­hin ausbleibt.

Dr. Johan­nes Stein­hart
2. Vize-Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 9 /​10.05.2019