Hausarztmangel und Unterfinanzierung: Betreuung zu Hause gefährdet

10.02.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK


Die Auswirkung des Ärztemangels auf die Betreuung immobiler Menschen zu Hause wird oft übersehen. Die Lage droht sich zu verschärfen, ÖÄK-Vizepräsident Dr. Johannes Steinhart fordert daher Weichenstellungen.
Sascha Bunda

Die drohende Hausärzte-Knappheit wird, wenn nicht von der Gesundheits- und Bildungspolitik wirksame Gegenmaßnahmen gesetzt werden, nicht nur die wohnortnahe Versorgung in Arztpraxen aufs Spiel setzen. „Sie hat bereits jetzt dramatische Konsequenzen für einen häufig viel zu wenig beachteten Versorgungs-Aspekt: die kompetente Betreuung immobiler Menschen zu Hause“, so Johannes Steinhart, Obmann der Bundeskurie Niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der ÖÄK. „Denn ohne den systematischen und breiten Einsatz von Hausärztinnen und Hausärzten ist diese nicht möglich, weil dabei auch medizinische Diagnosen und das Verschreiben und Anpassen von Medikationen eine wichtige Rolle spielen, also klassisch ärztliche Tätigkeiten.“

Eine mögliche – und verbreitete – Alternative zur Pflege zu Hause ist in der österreichischen Versorgungsrealität die Betreuung in einem Spital. Diese ist aber, so Steinhart, aus Kostengründen unvernünftig, drängt Menschen aus ihrem gewohnten häuslichen Umfeld und bedeutet für Spitäler eine beträchtliche Zusatzbelastung. Das treffe zum Teil auch auf die Betreuung in Pflegeheimen zu.

„Bereits jetzt ist es schwierig bis unmöglich, ausreichend viele Hausärzte – immer weniger Kassen-Allgemeinmedizinern sind in den Praxen für immer mehr Patienten zuständig – zur Betreuung zu Hause gepflegter Menschen zu motivieren. Zum Zeit- und Ressourcenproblem kommt die Unterdotierung solcher ärztlichen Tätigkeiten, die durch bürokratischen Aufwand zusätzlich belastet werden“, so Steinhart. „Und schließlich sind solche Leistungen im Honorarkatalog der Kassen bzw. der Länder nicht realistisch abgebildet, wodurch viele Tätigkeiten unbezahlt verrichtet werden.“

Die Mangelsituation wird sich, wenn die Politik nicht erfolgreich aktiv wird, in Zukunft weiter verschärfen. Unsere Gesellschaft wächst und wird älter, andererseits wird von den heute praktizierenden Allgemeinmedizinern mit GKK-Vertrag im nächsten Jahrzehnt jeder 2. das Pensionsalter erreicht haben, und der Nachwuchs kann diese Abgänge nicht kompensieren.

„Altenpflege ist ein politisches Top-Thema, das für die Bürger einen besonders hohen Stellenwert hat, und diese haben ein Anrecht darauf, dass die Politik hier die Weichen richtig stellt und passende Maßnahmen durchsetzt“, sagt Steinhart und nennt einige Beispiele:

  • Österreich braucht in Zukunft mehr Allgemeinmediziner. Hier sind Bildungspolitik und MedUnis gefordert.
  • Allgemeinmediziner müssen ihrem Stellenwert entsprechend honoriert werden, sonst werden sich immer weniger Studierende für diesen Berufsweg entscheiden.
  • Hausärztliche Leistungen im Rahmen der Krankenhaus-ersetzenden Hauskrankenpflege sowie der nicht Krankenhaus-ersetzenden Hauskrankenbetreuung müssen im Honorierungssystem präziser und realitätsnäher abgebildet sein, als dies gegenwärtig der Fall ist.
  • Hausärztliche Leistungen im Rahmen der Betreuung und Pflege zu Hause müssen attraktiv honoriert und außerdem von überflüssiger Bürokratie befreit werden.
  • Ein Sonderprogramm der Regierung sollte den Finanzierungsbedarf für diese Maßnahmen decken. Die Euro-Milliarde, die sich die Regierung von der Kassenreform erwartet, kann dabei eine wichtige Finanzierungsquelle sein.

„Die Umsetzung dieser Maßnahmen muss sofort beginnen, es ist bereits Alarmstufe Rot“, so Steinhart. „Sonst ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich der letzte Hausarzt aus der Hauskrankenbetreuung verabschiedet – was dramatische Auswirkungen auf die zu Pflegenden hätte.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2019